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Testbericht

Stefan Grundhoff, 15. November 2014
Kein Serien-Mercedes fuhr je sportlicher, kein Mercedes seit dem legendären Ur-SL aus den 50er Jahren machte mehr Spaß als der neue AMG GTS. Gefahr für den unantastbaren Porsche 911 und eine Backpfeife für BMW.

Es gab Zeiten, da war die deutsche Autowelt schlicht aufgeteilt. Porsche machte in kleinen Stückzahlen spektakuläre Sportskanonen, BMW versorgte die ambitionierten Familienväter und Mercedes stand für gediegenen Luxus während Audi im Niemandsland umherirrte. Doch längst verdienen die Autobauer aus Zuffenhausen das meiste Geld mit Geländewagen, BMW sucht manisch nach effizienter Dynamik von morgen und Audi hat zu dem glorreichen Premiumdreier aufgeschlossen. Mercedes, kurzzeitig schwankend, startet ab dem Frühjahr lustvoll durch und versetzt der Konkurrenz mit dem AMG GT einen Schock. Nach dem elitären SLS-Flügeltürer kommt im März ein spektakulärer Sportwagen, den man seit Jahr und Tag aus München erwartet. Doch während BMW Zylinder abschneidet, Vans in die Welt setzt und den einst gehassten Frontantrieb als probates Antriebskonzept für die Massen entdeckt hat, lässt Mercedes sein Lieblingskind AMG mit lockerer Leine strabanzen.

Cooles Sportwagendesign, intelligente Fahrprogramme und bis zu 510 PS in einem schmucken Sportwagen, der auf der Rennstrecke genauso glänzt wie auf Küstenstraßen oder Autobahnen. Das ist das Doppelpack aus Mercedes AMG GT und GTS, je ja nach Staffage mindestens 115.430 bzw. 134.351 Euro teuer. Alles andere als ein 4,55 Meter langer Schnapper, doch immerhin rund 70.000 Euro günstiger als der SLS-Vorgänger, der ebenfalls bei AMG in Affalterbach gebaut wurde. Dabei wird es nicht bleiben. Wer den klangprächtigen Achtzylinder mit seiner doppelten Turboaufladung startet, wird aus klangfarbigen vier Litern Hubraum zwischen bassigen Grollgeräuschen vernehmen, dass Versionen wie Roadster, GT3 und Black Series nur eine Frage der schwäbischen Zeit sind. Mercedes greift insbesondere mit dem 510 PS starken Mercedes AMG GTS nicht nur Porsche 911 und Audi R8 und schaut belustigt auf einen dreizylindrigen Ökosportler wie den BMW i8. Vielmehr fährt der bei 310 km/h abgeregelte Krawallmacher gegen die Besten der Besten von Ferrari, Corvette, Aston Martin oder McLaren.

An die endlos lange Motorhaube muss man sich gerade auf der Rennstrecke oder im scharfen Galopp auf der kurvenreichen Landstraße erst gewöhnen, um über die präzise Lenkung perfekte Einlenkpunkte zu ertasten und die Vorderräder zentimetergenau zu platzieren. Der Grund liegt nicht nur im Design, sondern insbesondere daran, dass der klassenhöhere SLS ein zentrales Element in GT und GTS transferiert hat: der sonore Achtzylinder liegt so weit als möglich hinter der Vorderachse, um das Fahrverhalten rennstreckentauglich zu machen. "Wir haben hier eine Gewichtsverteilung von 47:53", erklärt Entwicklungsleiter Jochen Hermann, "insbesondere auch ermöglicht durch die Aluminiumkarosse und Magnesiumelemente." Ein paar Minuten später zeigt der Mercedes AMG GTS auf der selektiven Rennstrecke von Laguna Seca, was er kann. Das Fahrverhalten ist weitgehend neutral, das Heck schwänzelt beim Vollgas am Kurvenausgang leicht und man will nur eines: nicht mehr aussteigen. Die vier Fahrprogramme durchgeschaltet und die feuchten Hände mit dem griffigen Steuer verzahnt. Stark auf der Geraden, lustvoll in den Kurven - vorausgesetzt, es wird nicht zu winkelig für den Zweisitzer.

Dazu brüllt die grandiose Power des aufgeladenen Achtzylinders, wenn es mit 375 kW / 510 PS und 650 wild trommelnden Newtonmetern Drehmoment herauf zur legendären Korkenzieherkurve am höchsten Punkt der Strecke geht. Bei der Bergabpassage danach ist jedoch das alles andere geringe Fahrzeuggewicht zu spüren. 1.645 Kilogramm sind kein Pappenstiel für einen Sportwagen, der nur über die Hinterachse angetrieben wird. Das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe ist zur besseren Gewichtsverteilung daher an der Hinterachse verbaut. Eine Trockensumpfschmierung sorgt auch bei entsprechenden Querkräften im Grenzbereich für eine geregelte Ölversorgung. Die hungrige Bremse beeindruckt nicht weniger als der Kraftmeier unter der Endlos-Haube.

Eine halbe Stunde später wummert der Mercedes AMG GTS im leichten Trab Richtung Monterey, als könnte er kein Wässerchen trüben. Der müde fließende Verkehr gibt einem die Möglichkeit, sich den Innenraum genauer anzuschauen. Bereits im Renntempo fielen die lieblosen und sich analog drehenden Runduhren ins Auge. Während die Rennsitze mit verstellbaren Seitenwangen perfekt passen, sind die dominanten vier Lüftungsausritte in der gigantischen Mittelkonsole zu viel des Guten. Zwei weniger hätten es auch getan und die Becherhalter unter der Abdeckung scheinen wichtiger zu sein, als eine perfekte Anordnung von Schaltern und Getriebewahlhebel.

Einige Schalter befinden sich dröge inszeniert im Dach zwischen den Sonnenblenden. Noch mehr stören die mächtigen Tast- und Drehmodule am Mitteltunnel für Fahrmodi, ESP, Start-Stopp-Automatik oder Klappenauspuff. Diese lassen sich am besten mit dem Unterarm bedienen, während der Getriebehebel eher wie der Kopf eines Nassrasierers anmutet. Alles nicht ideal, doch wenn stört das, wenn einen der doppelt aufgeladene Achtzylinder bei einem Tritt aufs Gas dieser Welt entschwinden lässt? 0 auf Tempo 100 in 3,8 Sekunden dürfte den Freundeskreis des Piloten mehr interessieren als der in Aussicht gestellte Normverbrauch von 9,4 Litern Super auf einer Strecke von 100 Kilometern, die dann weder durch die Innenstadt noch über eine Rennstrecke führen sollte.

Ändert jedoch wenig an dem grandiosen Gesamteindruck. Denn die sportlichen wie die visuellen Qualitäten des doppelsitzigen Sportcoupés namens Mercedes AMG GTS sind trotz des hohen Alltagsnutzens mehr als beeindruckend. Für die meisten Kunden dürfte die 462 PS starke GT-Version mit 304 km/h Höchstgeschwindigkeit und 600 Nm Drehmoment für 20.000 Euro weniger keinen nennenswerten Unterschied machen. Sein Kofferraum fasst eben auch 350 Liter. Das reicht für mehr als zwei Helme und Rennanzüge.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2014-11-15

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