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Testbericht

Stefan Grundhoff, 19. Mai 2010
Die Sportwagen von Maserati begeistern seit den 60er Jahren die Automobilwelt. Was heute der elegante GranTourismo, war vor knapp einem halben Jahrhundert der Maserati 3500 GTi Sebring II.

Technologisch fuhr die Marke Maserati selten an der Spitze. Große Innovationen kamen gestern wie heute zumeist von der Konkurrenz. Doch geht es um grazile Formen, schöne Schnitte und grandiose Proportionen ist sind die Norditaliener das bis heute Maß der Dinge. Die schönste Versuchung der 60er Jahre war der Maserati 3500 Coupé GTi Sebring II. Alain Cerf ist ein Autofanatiker. Der gebürtige Franzose hat sein Geld in der Verpackungsindustrie verdient und so zog es ihn vor knapp 20 Jahren nach Florida. In der Nähe von Tampa unterhält Alain Cerf eine kleine, aber überaus exquisite Autosammlung. Oldtimer wie Mercedes 170 H, Hanomag Komissbrot, DMC DeLorean, der legendäre Panhard Dynamic oder ein Peugeot 302 Darl’mat werden von Cerf jedoch nicht nur bereitwillig zur Schau gestellt, sondern auch regelmäßig selbst gefahren. Sein Alltagsauto ist ein Maserati GranTurismo in dunkelrotmetallic mit beigem Leder. Eines der Lieblingsautos in der Sammlung ist der Ur-Uhr-Ahn, ein Maserati 3500 Coupé GTi Sebring II – in dunkelrotmetallic mit beigem Leder. Wie sich die Zeiten doch gleichen.

Eines hat sich Maserati in den letzten Jahrzehnten bewahrt: wer eine schönes Coupé oder eine grandios gezeichnete Limousine sucht, kommt an einem Maserati kaum vorbei. Der eine wie der andere ist eine Ikone seiner Zeit. Das gilt für den aktuellen GranTourismo ebenso wie für den sehenswerten Sebring. Seinen Namensannex hat das Luxuscoupé nicht zufällig bekommen. So belegte Maserati im Jahre 1957 beim Zwölf- Stunden-Rennen im floridianischen Sebring die Plätze eins und zwei. Grund genug, den kurz danach vorgestellten 2+2-Sitzer mit dem passenden Namenszusatz zu versehen. Schließlich galten Siege und beste Platzierungen bei Traditionsrennen von Le Mans, Daytona, Targa Florio, Sebring oder am Nürburgring als effektvolle Auszeichnungen und beste Verkaufsbeigaben. Ursprünglich sollte der Norditaliener nur die Bezeichnung 3500 GT Coupé tragen.

Seine Weltpremiere feierte der 4,76 Meter lange 3500er 1957 auf dem Genfer Salon. Zeitgemäße Fahrleistungen garantierte ein Sechszylinder in Reihenbauweise mit zwei oben liegenden Nockenwellen, 215 PS und Weber-Doppelvergaser. 1962 gab es auf dem Turiner Autosalon eine größere Modellpflege. Im Laufe der Jahre hatte der Maserati jedoch bereits Scheibenbremsen vorne, ein Fünfganggetriebe und auf Wunsch eine Lucas-Einspritzanlage bekommen. Diese entlockte dem Italiener 20 PS mehr. Auf Wunsch gab es Hubraumerweiterungen auf 3,7 und 4,0 Liter, die dem Sechszylinder bis zu 255 PS entlockten. Gerade der Sebring II, der von 1964 bis 1967 in einer Auflage von gerade einmal 243 Stück gebaut wurde, erfreut sich bis heute größter Beliebtheit. Schließlich verbaute Maserati bei ihm all das, was zu jener Zeit für die Italiener möglich war. So gab es nicht nur elektrische Fensterheber und eine optionale Automatik, sondern auf Wunsch auch eine Klimaanlage gegen die warmen Temperaturen wie im amerikanischen Sonnenstaat.

Die sehenswerten Karosserien der beiden Sebring-Generationen stammen aus dem Hause Vignale. Der GTiS auf Basis der um zehn Zentimeter verkürzten offenen Spider-Modelle stammt dagegen von Michelotti. Der verkürzte Radstand sorgte dafür, dass der eigentliche Viersitzer zu einem reinen 2+2-Sitzer verkam. Optisch auch durch die große Höhe etwas knackiger und fahrdynamisch bissiger. Die Modelle aus den Jahren vor 1962 stammten aus verschiedenen Händen. Unter anderem wurden sie von Spezialfirmen wie Carozzeria Touring, Allemano, Frua und Bertone gebaut. Bevor es auf Tour geht, muss Andy Konworthy, der Chefmechaniker von Alain Cerf noch einmal Hand am Sebring anlegen, der seine Bezeichnung in güldenen Lettern am Heck trägt. Der Motor läuft nicht rund. „Der Wagen hat in den letzten Wochen zu viel gestanden“, erzählt der Oldtimerexperte, für den der Umfang mit verschiedensten automobilen Preziosen zum Alltag gehört, „dieser Motor muss einfach gefahren werden. Dann läuft er super.“ Als der unrunde Lauf auch nach ein paar Minuten nicht verschwinden mag, dreht Andy an ein paar Schrauben und Rädchen – er nickt. „Los geht’s – besser wird es nicht“, lacht er. Kein Vergleich zum aktuellen GranTourismo, der sich ähnliche Blößen nicht gibt.

Passend zur Lackierung in dunklem rotmetallic lockt der Sebring mit hellbeigen Lederstühlen und einem hölzernen Steuer. Dahinter fällt der Blick auf eine Batterie von Runduhren, die das Armaturenbrett im ersten Moment zu einer wahren Kommandozentrale werden lässt. Die Sitze sind weich beledert und die Armee vom Kippschaltern in der Mittelkonsole bedarf ebenfalls eines besonderen Augenblicks an Aufmerksamkeit. Hinten gibt es auf den zwei Notsitzen nur sporadischen Platz für Kinder oder Taschen. Gesessen hat in diesem Maserati-Fond nie jemand. Als der Motor Gas bekommt, hüpft er etwas unwillig von der Stelle. Die erste Kurve mit Tempo 15 ist echte Handarbeit, da das Sportcoupé selbstredend ohne Lenkunterstützung auskommen muss. Zwei Minuten später auf der Landstraße, vorbei an schattenspendenden Mangroven sieht das ganze schon besser aus. Elektrisch haben sich beiden Seitenfenster anstandslos in die Tür versenkt und bei Tempo 70 geht es im dritten Gang munter Richtung Tampa. Der Motor läuft immer noch nicht vorbildlich, nimmt jedoch jede Erhöhung des Drehzahlniveaus mit einem zufriedenen Brummen hin. Andy strahlt über das ganze Gesicht: „Ist ein tolles Auto. Wenn der erst einmal eine halbe Stunde schneller gefahren wird, ist er grandios.“

Die Bremse ist trotz der vorne verbauten Scheiben etwas dünn und die Lenkung ist immer noch etwas unwirsch; aber der Sechszylinder mit vier Litern Hubraum und hungrigen 255 PS giert mittlerweile nach Gasstößen. Andere Hersteller brauchten in den 60er Jahren für ähnliche Leistungsentfaltungen acht oder zwölf Zylinder. Den fünften Gang kann man bei diesen Tempi getrost vergessen – bloß nicht den Drehzahlmesser unter 3.500 Touren fallen lassen – das mag der Maserati nicht. Die Federung mit Dreieckslenkern vorn und einer Starrache hinten ist hölzern. Das gleichen auch die hoch bauenden Reifen auf lieblos verzierten Stahlfelgen nicht aus, auf denen der Maserati Sebring mit den grandiosen Formen rollt. Doch zu seiner Zeit setzte der Sebring sportliche Coupé-Maßstäbe – eben wie heute der Maserati GranTourismo.

Quelle: Autoplenum, 2010-05-19

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