Maserati 3500 Coupé GTi Sebring II - Gestern und heute
Testbericht
Die Sportwagen von Maserati begeistern seit den 60er Jahren die
Automobilwelt. Was heute der elegante GranTourismo, war vor knapp
einem halben Jahrhundert der Maserati 3500 GTi Sebring II.
Technologisch fuhr die Marke Maserati selten an der Spitze. Große
Innovationen kamen gestern wie heute zumeist von der Konkurrenz.
Doch geht es um grazile Formen, schöne Schnitte und grandiose
Proportionen ist sind die Norditaliener das bis heute Maß der Dinge. Die
schönste Versuchung der 60er Jahre war der Maserati 3500 Coupé GTi
Sebring II.
Alain Cerf ist ein Autofanatiker. Der gebürtige Franzose hat sein Geld in
der Verpackungsindustrie verdient und so zog es ihn vor knapp 20
Jahren nach Florida. In der Nähe von Tampa unterhält Alain Cerf eine
kleine, aber überaus exquisite Autosammlung. Oldtimer wie Mercedes
170 H, Hanomag Komissbrot, DMC DeLorean, der legendäre Panhard
Dynamic oder ein Peugeot 302 Darl’mat werden von Cerf jedoch nicht
nur bereitwillig zur Schau gestellt, sondern auch regelmäßig selbst
gefahren. Sein Alltagsauto ist ein Maserati GranTurismo in
dunkelrotmetallic mit beigem Leder. Eines der Lieblingsautos in der
Sammlung ist der Ur-Uhr-Ahn, ein Maserati 3500 Coupé GTi Sebring II
– in dunkelrotmetallic mit beigem Leder. Wie sich die Zeiten doch
gleichen.
Eines hat sich Maserati in den letzten Jahrzehnten bewahrt: wer eine
schönes Coupé oder eine grandios gezeichnete Limousine sucht, kommt
an einem Maserati kaum vorbei. Der eine wie der andere ist eine Ikone
seiner Zeit. Das gilt für den aktuellen GranTourismo ebenso wie für den
sehenswerten Sebring. Seinen Namensannex hat das Luxuscoupé nicht
zufällig bekommen. So belegte Maserati im Jahre 1957 beim Zwölf-
Stunden-Rennen im floridianischen Sebring die Plätze eins und zwei.
Grund genug, den kurz danach vorgestellten 2+2-Sitzer mit dem
passenden Namenszusatz zu versehen. Schließlich galten Siege und beste
Platzierungen bei Traditionsrennen von Le Mans, Daytona, Targa Florio,
Sebring oder am Nürburgring als effektvolle Auszeichnungen und beste
Verkaufsbeigaben. Ursprünglich sollte der Norditaliener nur die
Bezeichnung 3500 GT Coupé tragen.
Seine Weltpremiere feierte der 4,76 Meter lange 3500er 1957 auf dem
Genfer Salon. Zeitgemäße Fahrleistungen garantierte ein Sechszylinder in
Reihenbauweise mit zwei oben liegenden Nockenwellen, 215 PS und
Weber-Doppelvergaser. 1962 gab es auf dem Turiner Autosalon eine
größere Modellpflege. Im Laufe der Jahre hatte der Maserati jedoch bereits
Scheibenbremsen vorne, ein Fünfganggetriebe und auf Wunsch eine
Lucas-Einspritzanlage bekommen. Diese entlockte dem Italiener 20 PS
mehr. Auf Wunsch gab es Hubraumerweiterungen auf 3,7 und 4,0 Liter,
die dem Sechszylinder bis zu 255 PS entlockten. Gerade der Sebring II,
der von 1964 bis 1967 in einer Auflage von gerade einmal 243 Stück
gebaut wurde, erfreut sich bis heute größter Beliebtheit. Schließlich
verbaute Maserati bei ihm all das, was zu jener Zeit für die Italiener
möglich war. So gab es nicht nur elektrische Fensterheber und eine
optionale Automatik, sondern auf Wunsch auch eine Klimaanlage gegen
die warmen Temperaturen wie im amerikanischen Sonnenstaat.
Die sehenswerten Karosserien der beiden Sebring-Generationen
stammen aus dem Hause Vignale. Der GTiS auf Basis der um zehn
Zentimeter verkürzten offenen Spider-Modelle stammt dagegen von
Michelotti. Der verkürzte Radstand sorgte dafür, dass der eigentliche
Viersitzer zu einem reinen 2+2-Sitzer verkam. Optisch auch durch die
große Höhe etwas knackiger und fahrdynamisch bissiger. Die Modelle
aus den Jahren vor 1962 stammten aus verschiedenen Händen. Unter
anderem wurden sie von Spezialfirmen wie Carozzeria Touring,
Allemano, Frua und Bertone gebaut. Bevor es auf Tour geht, muss
Andy Konworthy, der Chefmechaniker von Alain Cerf noch einmal Hand
am Sebring anlegen, der seine Bezeichnung in güldenen Lettern am
Heck trägt. Der Motor läuft nicht rund. „Der Wagen hat in den letzten
Wochen zu viel gestanden“, erzählt der Oldtimerexperte, für den der
Umfang mit verschiedensten automobilen Preziosen zum Alltag gehört,
„dieser Motor muss einfach gefahren werden. Dann läuft er super.“ Als
der unrunde Lauf auch nach ein paar Minuten nicht verschwinden mag,
dreht Andy an ein paar Schrauben und Rädchen – er nickt. „Los geht’s
– besser wird es nicht“, lacht er. Kein Vergleich zum aktuellen
GranTourismo, der sich ähnliche Blößen nicht gibt.
Passend zur Lackierung in dunklem rotmetallic lockt der Sebring mit
hellbeigen Lederstühlen und einem hölzernen Steuer. Dahinter fällt der
Blick auf eine Batterie von Runduhren, die das Armaturenbrett im
ersten Moment zu einer wahren Kommandozentrale werden lässt. Die
Sitze sind weich beledert und die Armee vom Kippschaltern in der
Mittelkonsole bedarf ebenfalls eines besonderen Augenblicks an
Aufmerksamkeit. Hinten gibt es auf den zwei Notsitzen nur
sporadischen Platz für Kinder oder Taschen. Gesessen hat in diesem
Maserati-Fond nie jemand. Als der Motor Gas bekommt, hüpft er etwas
unwillig von der Stelle. Die erste Kurve mit Tempo 15 ist echte
Handarbeit, da das Sportcoupé selbstredend ohne Lenkunterstützung
auskommen muss. Zwei Minuten später auf der Landstraße, vorbei an
schattenspendenden Mangroven sieht das ganze schon besser aus.
Elektrisch haben sich beiden Seitenfenster anstandslos in die Tür
versenkt und bei Tempo 70 geht es im dritten Gang munter Richtung
Tampa. Der Motor läuft immer noch nicht vorbildlich, nimmt jedoch
jede Erhöhung des Drehzahlniveaus mit einem zufriedenen Brummen
hin. Andy strahlt über das ganze Gesicht: „Ist ein tolles Auto. Wenn der
erst einmal eine halbe Stunde schneller gefahren wird, ist er grandios.“
Die Bremse ist trotz der vorne verbauten Scheiben etwas dünn und die
Lenkung ist immer noch etwas unwirsch; aber der Sechszylinder mit vier
Litern Hubraum und hungrigen 255 PS giert mittlerweile nach Gasstößen.
Andere Hersteller brauchten in den 60er Jahren für ähnliche
Leistungsentfaltungen acht oder zwölf Zylinder. Den fünften Gang kann
man bei diesen Tempi getrost vergessen – bloß nicht den Drehzahlmesser
unter 3.500 Touren fallen lassen – das mag der Maserati nicht. Die
Federung mit Dreieckslenkern vorn und einer Starrache hinten ist
hölzern. Das gleichen auch die hoch bauenden Reifen auf lieblos
verzierten Stahlfelgen nicht aus, auf denen der Maserati Sebring mit den
grandiosen Formen rollt. Doch zu seiner Zeit setzte der Sebring sportliche
Coupé-Maßstäbe – eben wie heute der Maserati GranTourismo.