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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 3. Juli 2016

Was ist bloß los mit Jeep, werden so einige Marken-Traditionalisten beim Anblick des neuen Cherokee gedacht haben, der optisch recht unkonventionell daherkommt mit seinem schmalen Kühlergrill, den Lampen-Schlitzen sowie den markant gestylten Radhäusern. Beim kantigen, klassisch gezeichneten Vorgänger ernteten die US-Autobauer ebenfalls Kritik – zumindest hierzulande war der Cherokee alles andere als ein Verkaufsschlager. Das ist aber nicht immer zwingend auf das Design zurückzuführen – vielen SUV-Kunden reicht ein Pseudo-Geländewagen, da er ohnehin niemals schwergängiges Gelände unter die Räder nehmen wird. Und Pseudo-4x4 sind die Vertreter der Cherokee-Baureihe nun wirklich nicht – zu keiner Zeit, sondern durchaus erwachsene Offroad-Burschen, die sich onroad bisweilen sperriger fahren als ein Kleinwagen von der Stange.

Wer die Trailhawk-Version der aktuellen Ausgabe ordert, bekommt 4x4-Technik vom Feinsten inklusive Hinterachs-Sperre sowie Untersetzung. Der stylisch anmutende Allradler bleibt also weder an komplizierten Bodenmulden noch an einer womöglich folgenden Extremsteigung hängen. Eine kleine Zeitreise in die Achtziger soll helfen, das Modell etwas besser zu verstehen. Im Jahr 1984 brachte Jeep den ersten Cherokee dieser Ahnenfolge (der Modellname hingegen ist schon älter) mit der internen Modellbezeichnung XJ auf den Markt und schlug damit ein neues Kapitel in der Markengeschichte auf. Der mit 1,6 Tonnen verhältnismäßig leichte Kletterer war sozusagen das Multifunktionsfahrzeug für Städter.

Aus der damaligen Geländewagen-Perspektive war der Cherokee exakt jenes Lifestyle-Modell, als das er heute eben genau nicht mehr wahrgenommen wird. Statt massivem Leiterrahmen gab es eine selbsttragende Lösung, und die Länge von 4,24 Metern weist den XJ als stadttaugliche Spezies aus – früher wie heute. Aber auf die Features hartgesottener Offroader trauten sich die Jeep-Macher vor über 30 Jahren noch nicht zu verzichten. Eine Untersetzung war früher also Pflicht.

Ein Geländewagen mit einer einzigen Antriebsachse wäre in den Achtzigerjahren wohl ziemlich skurril angekommen. Die Ironie an der Sache: Es gab den Cherokee XJ später sogar mit Frontantrieb – da waren die Ingenieure aus Auburn Hills ihrer Zeit schon weit voraus. Einen Schuss Pragmatismus musste ein 4x4 früher jedoch schon mitbringen, um nicht belächelt zu werden.

Die kleine Proberunde mit dem Klassiker ist ein frappierendes Erlebnis: Der Cherokee fährt überhaupt nicht so, wie man sich einen alten 4x4-Typen vorstellt. Ungefiltert ja, aber so gar nicht schwerfällig. Die hier besprochene Version mit dem herrlich sonor klingenden Reihensechszylinder (131 kW/178 PS) bewegt sich leichtfüßig, agil – ja beinahe schon spritzig.

Nicht dass der Ami, der erst im Jahr 1988 nach Deutschland kam und den es je nach Ausbaustufe auch mit 2,8 Liter großem Chevy-Vergaser-V6, einem Vierzylinder (2,5 Liter) aus dem Hause American Motors sowie diversen Dieseln zwischen 2,1 und 2,5 Liter von Renault respektive VM Motori gab, ein besonderer Performer wäre, aber dezenten Druck im Kreuz produziert er schon. Dann die Viergang-Automatik, der man leichte Rucke unter Last gerne verzeiht – aber Schaltfaulheit kann man ihr jedenfalls nicht nachsagen. Es ist ein lässiges Reisen mit dem XJ, zumal die Platzverhältnisse trotz kompakter Außenmaße völlig in Ordnung gehen.

Für staunende Gesichter dürfte das Laderaumvolumen sorgen: So kann der Allrounder über 2.000 Liter an Gepäck mitnehmen, und auch die Anhängelast von 3,3 Tonnen bei den starken Benzinern taugt als gutes Argument für den vergleichsweise günstig gehandelten Youngtimer. Schließlich ist man schon für weniger als 5.000 Euro dabei für ein vielleicht nicht unbedingt perfektes, aber doch solides Exemplar.

Doch wer Neuwagen dem reifenden Klassiker vorzieht, bekommt auch anno 2016 noch die richtige Ware: eine schöne Mischung aus Stadt-Offroader und Kraxelkünstler. Und Jeep wäre nicht Jeep, wenn der Konzern nicht noch fein klingende Sechszylinder anböte – im Top-Cherokee werkelt ein auf 3,2 Liter gekappter Vollalu-V6 der Chrysler Pentastar-Serie mit 200 kW/272 PS. Wer die volle 4x4-Performance (Trailhawk) möchte, muss sogar dieses Triebwerk ordern.

Die Entscheidung wird der Eigner keinesfalls bereuen, sofern er Herr über ein etwas lockerer gehandhabtes Spritbudget ist – 12 oder 13 Liter Benzin je 100 km kann er Ami ohne Mühe vernichten. Dafür ist dieser Offroader (als 3,2 V6 ab 48.000 Euro) ein feiner Tourer mit souveränem Antrieb. Und auch wenn der säuselnde Benziner kein 440 Nm-Plateau wie der stärkste Diesel aufbieten kann, so ist es am Ende doch die harmonischere, wenn auch teurere Variante. Der Sauger kennt keine Anfahrschwäche und dreht linear powernd Richtung Drehzahlende unter einer samtweich schaltenden Neunstufen-Wandlerautomatik. Dazu gesellen sich anschmiegsame Stühle und ein komfortables Fahrwerk, um fahrbahnbedingte Unannehmlichkeiten draußen zu lassen.

Das kann der aktuelle Cherokee um Welten besser als sein inzwischen urig aussehendes sowie ungefiltert fahrendes Original. Freilich ist er auch in der Lage, aktiv zu lenken und zu bremsen – da ist Jeep auf neuzeitlichem Level. Nur wer hier die gefühlte Spritzigkeit sowie das sportiv anmutende Naturell des XJ erwartet, muss korrigiert werden. Nicht, dass der alte schneller um Kurven käme (geradeaus rennen übrigens beide abgeregelte 180 km/h), aber das Fahrgefühl ist heutzutage doch sehr abgeschottet und mit dem großen Lenkrad ein wenig behäbig wirkend. Am Ende des Tages ist der neue Cherokee eben ein richtiger Geländewagen, wo Leichtigkeit und sportliche Attitüden nichts zu suchen haben, während ehemalige XJ-Kunden heute vermutlich zum Renegade griffen. Nur auf den wunderschönen Sechszylinder müssten sie dann verzichten.

Jeep Cherokee (Baureihe XJ) – technische Daten:

Geländewagen mittlerer Größe, Länge: 4,24 Meter, Breite: 1,79 Meter, Höhe: 1,62 Meter, Radstand: 2,58 Meter
4,0-l-Reihensechszylinder-Otto, 131 kW/178 PS, maximales Drehmoment: 301 Nm bei 3.000 U/min, Vmax: 180 km/h, 0-100 km/h: 10,1 s, Durchschnittsverbrauch: 14 l/100 km (Drittelmix)
Ehemaliger Neupreis (1996):  ab 64.200 DM
Heutiger Marktpreis nach Classic Data
Note 2:  7.600 Euro
Note 3:  3.500 Euro
Note 4:  1.800 Euro

 
Jeep Cherokee 3,2 V6 Trailhawk – technische Daten:

Geländewagen mittlerer Größe, Länge: 4,63 Meter, Breite: 1,90 Meter, Höhe: 1,72 Meter, Radstand: 2,72 Meter
3,2-l-V6-Otto, 200 kW/272 PS, maximales Drehmoment: 315 Nm bei 4.300 U/min, Vmax: 180 km/h, 0-100 km/h: 8,4 s, Durchschnittsverbrauch: 9,6 l/100 km, Effizienzklasse: E

Der kantige Jeep Cherokee ist zweifellos eine Allrad-Legende, obwohl er im Vergleich zu manch anderen Geländewagen noch gar nicht so lange gebaut wird. Er kam erst 1984 auf den Markt, gehört jedoch zu den frühen Konsorten, die als urbane Lifestyle-Kraxler herhalten mussten, aber im schwergängigen Terrain keineswegs versagten. Ähnliches gilt natürlich auch für den neuen Cherokee, dessen Außenhaut allerdings so gar nicht mehr kantig ist.

Fazit
Der kantige Jeep Cherokee ist zweifellos eine Allrad-Legende, obwohl er im Vergleich zu manch anderen Geländewagen noch gar nicht so lange gebaut wird. Er kam erst 1984 auf den Markt, gehört jedoch zu den frühen Konsorten, die als urbane Lifestyle-Kraxler herhalten mussten, aber im schwergängigen Terrain keineswegs versagten. Ähnliches gilt natürlich auch für den neuen Cherokee, dessen Außenhaut allerdings so gar nicht mehr kantig ist.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-07-03

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