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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 22. März 2021
SP-X/Köln. Er wirkte unprätentiös neben den prunkvollen neuen Chrom-Kreuzern von Cadillac oder Chrysler, aber auch zierlich im Vergleich zu aufpolierten V8- und V12-Vorkriegskarossen, mit denen sich europäische Staatslenker und High Society damals gerne zeigten: Der im Frühling 1951 auf der ersten IAA in Frankfurt präsentierte Mercedes-Benz 300 (W 186 II) war eine Luxuslimousine, die vor allem durch innere Werte glänzte. So soll Bundeskanzler Konrad Adenauer, auf der Suche nach einem staatstragenden Dienstwagen, den damaligen Daimler-Benz-Konzernchef Wilhelm Haspel prompt in seinem rheinischen Dialekt gefragt haben: „Ham Se eijentlich nich wat Jrösseres?“ Haspel hatte nicht – zumindest vorläufig. Adenauer bestellte den knapp fünf Meter langen „Großen Mercedes“ trotzdem und blieb dieser Baureihe bis zu seinem Tod im Jahr 1967 treu. „Keine Experimente“, der legendäre Wahlkampfslogan der CDU galt für den deutschen Kanzler der Wirtschaftswunderjahre auch bei der Wahl seines Dienstwagens. Insgesamt sechs Fahrzeuge des in vier Evolutionsstufen (Mercedes 300 bis 300 d) gebauten Luxusliners mit laufruhigem und leistungsstarkem 3,0-Liter-Sechszylinder orderte Adenauer über die Jahre und beeinflusste dabei durchaus die technische Weiterentwicklung. So gab es den 1956 lancierten 300 c auch in einer Langversion, so wie sie der stets chauffierte Regierungschef präferierte. Keine Überraschung, dass dieser Benz im Volksmund bald nur noch Adenauer-Mercedes genannt wurde. Ein respektvoll gemeinter Rufname, der die weltweite Karriere des Typs 300 beschleunigte.So diente der damals teuerste Sternträger – Basispreis im Jahr 1952 rund 20.000 Mark, vergleichbar den Baukosten für ein Siedlungshaus – auch König Gustav VI. Adolf von Schweden, Kaiser Haile Selassie von Äthiopien, dem Schah von Persien und Papst Johannes XXIII (300 d Landaulet) als Repräsentationsfahrzeug, und sogar die amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy zeigten sich im offenen Mercedes 300 dem jubelnden Publikum. Nicht zu vergessen die Prominenten aus Film- und Showgeschäft, die sich das Mercedes-Flaggschiff als klassische Sechs-Fenster-Limousine, viertüriges „Cabriolet D“ oder als im Herbst 1957 vorgestellten Hardtop-Typ 300 d mit „pfostenloser Vollsicht-Karosserie“ in die Garage stellten. Perfekt für Sonderaufbauten prädestiniert war das Stuttgarter Spitzenmodell übrigens durch ein robustes Chassis in Form eines geschweißten Ovalrohr-X-Rahmens und ein Fahrwerk, das mit hinterer Zweigelenk-Pendelachse noch an Vorkriegskonstruktionen erinnerte. Damit bot die Staatskarosse sogar die Basis für Bestattungsfahrzeuge, ebenso wie manche Rolls-Royce-Modelle jener Ära.Tatsächlich reüssierte der in Standardkonfiguration fünf- bis sechssitzige Mercedes 300 auch in Großbritannien, wo der anfangs nur 85 kW/115 PS leistende, aber 160 km/h schnelle Luxury von den Fachmedien mit Lob geradezu überschüttet wurde. Als „Spitze des gegenwärtig Möglichen“ beschrieb die britische Presse Fahrkomfort und Sicherheit des „big Benz“, der dort gegen eine Vielzahl von Rivalen antrat, allen voran der schnelle Jaguar Mark VII. In Nordamerika waren es ebenfalls die fahrdynamischen Qualitäten des regelmäßig leistungsgesteigerten Sechszylinders, die den Verkaufserfolg förderten. Im Jahr 1954, als die Bundesrepublik Deutschland das „Wunder von Bern“, den Sensationserfolg bei der Fußball-Weltmeisterschaft feierte, präsentierte Mercedes den modellgepflegten 300 b mit nunmehr 92 kW/125 PS. Vor allem aber legte der Motor die konstruktive Grundlage für das Kraftwerk des 1954 eingeführten legendären Flügeltürers 300 SL. Wer statt dieses Supersportwagens einen elitären Gran Turismo präferierte, konnte übrigens schon seit Ende 1951 zwischen 300 S Coupé, Cabriolet und Roadster für die große Reise wählen. Ultrateure Typen, die in Deutschland 34.500 Mark kosteten, in den USA so viel wie gleich drei Cadillac, und in Großbritannien wesentlich mehr als Rolls-Royce.Ganz anders der viertürige „Adenauer-Mercedes“, diese in immerhin fast 11.500 Einheiten verkaufte Limousine konnten sich nicht nur Superreiche leisten. Vielmehr gönnten sich auch erfolgreiche Unternehmer das 1957 als 300 d (W 189) via Saugrohreinspritzung auf 118 kW/160 PS erstarkte Luxusauto zum Reisen und Rasen. Schließlich dienten schnelle und große Autos in den 1950er Jahren noch allgemein als sozial akzeptiertes Statussymbol, nicht nur für den Bundeskanzler. Allerdings war Adenauers Leidenschaft an raffinierter Repräsentation kaum zu übertreffen. So trug sein erster, im Dezember 1951 ausgelieferter Dienstwagen, das amtliche Kennzeichen 0-002, das hierarchisch eigentlich dem Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers zugestanden hätte. Klar, dass Bundespräsident Theodor Heuss ebenfalls in einem Mercedes 300 (Kennzeichen 0-001) chauffiert wurde, aber dass auch mehrere Mitglieder seines Kabinetts wie Finanzminister Fritz Schäffer, Innenminister Robert Lehr und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und sogar der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer im damals schnellsten deutschen Auto unterwegs waren, gefiel Adenauer gar nicht. Gleichwohl war er es, der als 14 Jahre amtierender Bundeskanzler und prägende Persönlichkeit in den Gründerjahren der Bundesrepublik, den Typ 300 zum Adenauer-Mercedes adelte.Kaum ein Termin, den der Regierungschef ohne seinen Wagen wahrnahm, der durch Details wie eine Trennwand zwischen Fahrer und Fond, Funktelefon, Vorhänge, Klapptische, erhöhte Armlehnen sowie eine spezielle Fußauflage personalisiert worden war. Ob bei der Neun-Mächte-Konferenz in London 1954 oder beim Moskau-Besuch 1955, als Adenauer um die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen diplomatisch rang: Des Kanzlers schwarzer Dienstwagen fehlte nie, konnte er doch stets im Sonderzug mitreisen. Möglich machte das ein spezieller Eisenbahn-Waggon mit Drehbühne und Rampe, der maßkonfiguriert war für den 300, jenes rasch europaweit bekannte Symbol für das bundesdeutsche Wirtschaftswunder. Der Kanzler nutzte den 300 auch privat als rasendes Wohnzimmer – seinen Fahrer soll er oft mit den Worten „Jeben Se Jas!“ zu mehr Tempo aufgefordert haben – etwa auf dem Weg ins Urlaubsdomizil an den Comer See. So kamen schnell viele Kilometer zusammen, die der Mercedes problemlos absolvierte. Erst nach rund 160.000 Kilometern wurde Adenauers erster 300 ausgewechselt, um dann eine Gebrauchtwagenkarriere zu starten, ehe er 1994 als zentrales Exponat ins Bonner Museum Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland integriert wurde.Sein sechstes und letztes Dienstfahrzeug – ein 300 d mit Vollsicht-Karosserie – erwarb Konrad Adenauer 1963 kurz vor dem Ende seiner Amtszeit direkt vom Bundeskanzleramt, und so war er auch als Altkanzler im gewohnten rollenden Salon unterwegs. Für den ebenfalls 1963 vorgestellten neuen Mercedes 600 interessierte sich Adenauer übrigens nicht besonders. Offenbar spürte er, dass dieser extrem teure technische Superlativ kein Kanzlerauto mehr sein konnte, sondern andere Aufgaben suchte.Kurzcharakteristik:Chronik:1947: Im Dezember beginnen bei Daimler-Benz die Planungen für einen neuen Repräsentationswagen, der auch im Exportgeschäft reüssieren soll1950: Der neue Sechszylinder-Motor für den Mercedes-Benz 300 (W 186 II) wird konstruktiv finalisiert und auf eine Leistung von 85 kW/115 PS ausgelegt. Das endgültige Karosseriedesign wird unter Hermann Ahrens gezeichnet, dies unter den Gesichtspunkten, dass der neue Oberklasse-Typ sowohl an die Vorkriegs-Modelle anknüpfen soll als auch zukunftsweisende Zeichen setzt durch fließende Formen, integrierte Scheinwerfer und Wegfall von Trittbrettern  1951: Am 17. April feiert der Mercedes-Benz 300 (W 186 II) auf der ersten IAA der Nachkriegszeit seine Weltpremiere. Bundeskanzler Konrad Adenauer entschließt sich schon während der Laufzeit dieser IAA zur Bestellung einer Mercedes 300 Limousine als Dienstwagen. Der Produktionsanlauf des Mercedes 300 erfolgt im November und am 8. Dezember 1951 wird die Kanzlerlimousine mit der Fahrgestellnummer 00013/51 ausgeliefert. Es ist der erste von insgesamt sechs Mercedes 300, die Adenauer im Laufe seiner bis 1963 dauernden Amtszeit nutzt. Auch Bundespräsident Theodor Heuss, mehrere Bundesminister sowie der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer zählen zu den frühen Bestellern eines Mercedes 300. Neben der Sechs-Fenster-Limousine gibt es das viertürige Mercedes-Benz 300 Cabriolet D. Auf dem Pariser Salon debütiert der 300 S als Coupé und Cabriolet 1952: Produktionsbeginn des 300 S als Coupé, Cabriolet und Roadster zum einheitlichen Preis von jeweils 34.500 Mark. Damit ist der 300 S teuerstes Auto aus deutscher Produktion. Für die Mercedes 300 Limousine ist ab Dezember 1952 ein Schiebedach lieferbar und auch die von Konrad Adenauer bereits bestellte Trennwand zwischen Fahrer und Fond wird im März 1953 in die reguläre Optionenliste aufgenommen1954: Im März Produktionsanlauf für den Mercedes 300 b (W 186 III) mit Ausstellfenstern in den vorderen Türen. Neu ist außerdem der auf 125 PS erstarkte Motor mit Registervergaser. Optische Kennzeichen der Modellpflege sind vordere Ausstellfenster, verchromte Schutzbleche an den hinteren Kotflügeln und Stoßstangenhörner vorne und hinten. Angedacht, aber nicht realisiert wird ein zweitüriges Cabriolet1955: Adenauers persönlicher Referent Hans Kilb und Adenauers Fahrer Klockner inspizieren den BMW 505, der von BMW als Gegenentwurf zum Mercedes 300 vorgestellt wurde, allerdings kommt es nicht zu einer Bestellung des BMW durch das Bundeskanzleramt. Im September Produktionsanlauf für den Mercedes 300 c (W 186 IV) mit größerer Heckscheibe, breiteren Reifen und hinterer Eingelenk-Pendelachse. Der 300 c ist zudem serienmäßig mit Getriebeautomatik ausgestattet, gegen Minderpreis gibt es weiterhin ein Viergang-Schaltgetriebe. Auf der IAA feiert der 300 Sc als Coupé, Cabriolet und Roadster mit dem Motor aus dem 300 SL Weltpremiere1956: Im Juni vorläufige Produktionseinstellung des 300 Cabriolet D. Im August Produktion einer Sonderversion mit zehn Zentimeter längerem Radstand und Trennscheibe zwischen Chauffeur und Passagierabteil. Als erster deutscher Pkw wird der 300 c mit Zentralverriegelung lieferbar1957: Auf der IAA feiert der Mercedes 300 d (W 189) Weltpremiere. Produktionsanlauf im November. Der Typ 300 d auf verlängertem Radstand erhält eine neue Heckgestaltung und voll versenkbare Seitenscheiben ohne B-Säulen im Stil einer Hardtop-Limousine. Jetzt 160 PS Leistung. Weitere technische Neuerungen sind die Optionen elektrische Fensterheber, orthopädische Sitze, und Klimaanlage (ab 1958)1958: Nach zweijähriger Unterbrechung läuft die Produktion des viertürigen Cabriolets D wieder an. Modellpflege für den 300 d, jetzt mit Servolenkung lieferbar. Im April läuft der letzte 300 Sc vom Band 1959: Erweiterte Serienausstattung für den 300 d, u.a. mit zweistufiger Lichthupe inkl. Dreiklangfanfare1960: Auf Basis des 300 d wird ein Landaulet-Fahrzeug mit Sonderaufbau für den Papst produziert. Zwei weitere 300 d Landaulet werden in den Unternehmensfuhrpark aufgenommen und für Staatsempfänge an die deutsche Bundesregierung ausgeliehen 1962: Im März Produktionsauslauf für den Mercedes 300 d1963: Kurz vor Ende seiner Amtszeit erwirbt Konrad Adenauer seinen letzten Dienstwagen, einen 300 d. Dieses Auto nutzt er bis zu seinem Tod im Jahr 1967. Auf der IAA 1963 debütiert der Mercedes-Benz 600 „Großer Mercedes“ als Nachfolger der Repräsentationslimousine Mercedes-Benz 300 d1994: Zur Eröffnung des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn wird Konrad Adenauers erster Dienstwagen der Mercedes-300-Reihe als eines der wichtigsten Exponate vorgestellt2021: Während eine neue Generation der Mercedes-Maybach S-Klasse ihre Markeinführung feiert, würdigen die Mercedes-Klassikabteilung und die Clubszene den 70. Jahrestag der Premiere des Mercedes 300 (W 186 II)  Produktionszahlen:Mercedes 300 (W 186 II, 1951-1954): 4.563 Limousinen, 2 Fahrgestelle, 455 Einheiten des Cabriolet DMercedes 300 b (W 186 III, 1951-1954): 1.639 Limousinen, 10 Fahrgestelle, 136 Einheiten des Cabriolet DMercedes 300 c (W 186 IV, 1955-1957): 1.367 Limousinen, 3 Fahrgestelle, 51 Einheiten des Cabriolet DMercedes 300 d (W 189, 1957-1962): 3.073 Limousinen, 1 Fahrgestelle, 136 Einheiten des Cabriolet DMercedes 300 S (1951-1955): 560 EinheitenMercedes 300 Sc (1955-1958): 200 Einheiten.Preise:Mercedes-Benz 300 (1951), Limousine unbereift (Reifenkosten wurden nach Tagespreis addiert) ab 17.600 MarkMercedes-Benz 300 (1951), Cabriolet D unbereift (Reifenkosten wurden nach Tagespreis addiert) ab 21.600 MarkMercedes-Benz 300 (1952), Limousine 5-fach bereift ab 19.900 MarkMercedes-Benz 300 (1952), Cabriolet D 5-fach bereift ab 23.700 MarkMercedes-Benz 300 b (1954), Limousine ab 22.200 MarkMercedes-Benz 300 b (1954), Cabriolet D ab 24.700 MarkMercedes-Benz 300 c (1955), Limousine mit Schaltgetriebe ab 22.000 MarkMercedes-Benz 300 c (1955), Limousine Automatik ab 23.500 MarkMercedes-Benz 300 c (1955), Cabriolet D ab 24.700 MarkMercedes-Benz 300 d (1957), Limousine Automatik ab 28.500 MarkMercedes-Benz 300 d (1958), Cabriolet D Automatik ab 37.000 Mark.Motorisierungen:Mercedes-Benz 300 (1951-1954) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (85 kW/115 PS)Mercedes-Benz 300 b (1954-1955) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (92 kW/125 PS)Mercedes-Benz 300 c (1955-1957) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (92 kW/125 PS)Mercedes-Benz 300 d (1957-1962) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (118 kW/160 PS)Mercedes-Benz 300 S (1951-1955) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (110 kW/150 PS)Mercedes-Benz 300 Sc (1955-1958) mit 3,0-Liter-Sechszylinder-Motor (129 kW/175 PS).Im Volksmund ist er einfach der „Adenauer-Mercedes“, schließlich gab es kaum einen Termin, zu dem Konrad Adenauer als erster Kanzler der jungen Bundesrepublik nicht in einem Mercedes-Benz 300 eilte. Aber auch amerikanische Präsidenten und die High Society des Wirtschaftswunders schätzten den Komfort dieser schnellen Staatskutsche
Fazit
Im Volksmund ist er einfach der „Adenauer-Mercedes“, schließlich gab es kaum einen Termin, zu dem Konrad Adenauer als erster Kanzler der jungen Bundesrepublik nicht in einem Mercedes-Benz 300 eilte. Aber auch amerikanische Präsidenten und die High Society des Wirtschaftswunders schätzten den Komfort dieser schnellen Staatskutsche

Quelle: Autoplenum, 2021-03-22

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