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Testbericht

Stefan Grundhoff, 14. Februar 2008
Die Zuschauer bei der Rallye Monte Carlo erkannten ihn schon von weitem an dem wilden Gebrüll. Jahrelang dominierte der Lancia Delta Integrale die Rallye-Szene. Im Sommer kommt der neue Delta. Ein Rückblick.

Als Henri Toivonen der Rallye Monte Carlo im Januar 1986 mit einem eindrucksvollen Gesamtsieg seinen Stempel aufdrückte, War das auch ein dicker Sieg für Lancia. Der Delta S4 hatte es der Konkurrenz gezeigt. Bis 1992 dominierte der Lancia Delta Integrale die Monte und genauso lang die Rallye-Weltmeisterschaft. Die Konkurrenz musste sich mit der Statistenrolle zufrieden geben und Piloten wie Mini Biasion, Bruno Saby oder Carlos Sainz kamen zu Weltruhm.

Wenn der neue Lancia Delta auf dem Genfer Salon Anfang März seine offizielle Weltpremiere feiert, wird außer dem Namen nichts an den potenten Alleskönner aus den späten 80er und frühen 90er Jahre erinnern. Der alte Delta Integrale ist eine Autolegende. Quadratisch, kantig und schier unbesiegbar jagte er in der Nacht der langen Messer über den Col de Turini. Dort versetzte der nicht einmal vier Meter lange Rennwagen tausende von Motorsportfans in Begeisterungsstürme. Die Straßenversion war europaweit gesehen allerdings alles andere als ein Massenmodell. In Italien lief der Golf-Konkurrent ganz ordentlich. Doch anfällige Motoren, Elektrikprobleme und eine naturgegebene Anfälligkeit für Rost hielten die Kunden außerhalb des Stiefels in überschaubaren Dimensionen. Das ändert jedoch nichts daran, dass jeder Autofan den Delta Integrale kennt.

Sicher ein Vorteil, wenn der Nachfolger nach langem hin und her dieses Jahr endlich auf den Markt kommen wird. Mit seinem puristisch-kantigen Vorgänger wird der aber kaum noch etwas gemein haben. Denn der alte Delta Integrale war auch als Straßenmodell eine Rakete. Mit Allradantrieb und Leistungen von bis an die 300 PS war er das sportlichste Kompakt-Modell Anfang der 90er. Selbst ein Audi Ur-Quattro hatte wegen des effizienten Allradantriebs mit offenem Vorderdifferential und einem zentralen Verteilergetriebe mit Viskokupplung kaum eine Chance gegen den Delta. 53 Prozent der Motorleistung gingen an die - alles andere als leise - Hinterachse.

Wenn die Straße rutschig, die Abhänge tiefer und die Kurvenradien enger wurden, war der Delta Integrale in seinem Element. An die direkte und schwergängige Lenkung musste man sich erst einmal gewöhnen. Doch sie war angesichts enger Schalensitze, bissiger 210 PS und einem unansehnlichen Plastikinterieur nur Nebensache. Selbst die Straßenversion biß wie eine Rennsemmel, mit der man nicht unbedingt in die City will. Zum posen gab es andere Autos. Stattdessen freute man sich auf die nächste Ausfahrt am Samstagnachmittag in die Chiemgauer Alpen, vielleicht auch hinüber nach Tirol wo noch Schnee auf den Nebenstraßen lag.

Sein wenig stromlinienförmiges Design ist charakteristisch für die Automobilära Ende der 80er - und den Delta sowieso. Das Platzangebot im 3,90 Meter langen Serienmodell ist dabei überschaubar. Bereits vorne wird es für Scheitel, Schulter und Knie eng. Von der zweiten Reihe und dem durch das verlegte Ersatzrad zerklüfteten Kleinkofferraum gar nicht zu reden. Die bislang letzte Generation des Lancia Delta Integrale bot dem Betrachter zudem phantastisch dicken Backen, die damals für seine Sportlichkeit standen. Das Heck des Delta bietet Tristesse pur, die Front Kühleinlässe über Kühleinlässe. Der 154 kW/210 PS starke Zweiliter-Turbo braucht schließlich Luft zum atmen und kühlen.

Als Lancia Mitte der 80er Jahre den ersten Delta 4WD präsentierte, war die Unsicherheit noch groß. Doch innerhalb von zehn Jahren wurden rund 45.000 4x4-Versionen produziert. Der zwei Liter große Fiat-Vierzylinder dieses Delta leistete 121 kW/165 PS und bis zu 280 Nm Drehmoment, galt jedoch als anfällig. Kaum ein anderes Auto in Europa erhielt in den folgenden Jahren derart viele Anpassungen und Überarbeitungen. Als bester Delta aller Zeiten gilt bis heute der ab 1993 gebaute Integrale HF 16V mit einer Leistung von 154 kW/210 PS und über 300 Nm Drehmoment. Eine neue Kolbenbodenkühlung sorgte für Standfestigkeit, die acht zusätzlichen Ventile für eine entsprechende Leistungsspritze.

Die Fahrleistungen des Delta Integrale waren dabei auch nach Einführung des Katalysators noch eindrucksvoll. Die Fans monierten jedoch die wenig stimmige Kastration des hungrigen Turbos. Trotzdem: Von 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden und ein mächtiger Durchzug im mittleren Drehzahlbereich sorgten selbst bei vielen Sportwagenfahrern für Respekt. Wer seine Ohren nicht schont und die fünf Gänge ausdreht, rang dem Delta auf der Autobahn nahezu 230 km/h Sitze ab. Der Durchschnittsverbrauch war mit 11 bis 13 Liter allemal noch annehmbar. Heute sind die Lancia Delta Integrale 16V der letzten Serie begehrte Sammlermodelle – zumindest wenn sie sich in einem unverbastelten Zustand befinden. Für sie werden zwischen 15.000 und 40.000 Euro geboten. Besonders luxuriöse Modelle sind mit Alcantara-Sitzen, Klimaanlage und Schiebedach ausgestattet. Renntaugliche Modelle verzichten um Gewicht zu sparen auf den ohnehin raren Komfort und überflüssige Verkleidungen an Türen und Dachhimmel. Allen Modellen gemein ist das unsehnliche Innere mit billigen Plastikschalter, Lenkstockhebeln und einer nahezu unüberschaubaren Batterie an Analoguhren. Auch hier wird der neue Delta Neuland betreten. Zum Glück.

Quelle: Autoplenum, 2008-02-14

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