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Testbericht

Stefan Grundhoff, 6. Juli 2017
Die Verantwortlichen der Autokonzerne sind derzeit angespannter denn je. Dreht sich gerade der 130 Jahre alte Trend vom Verbrenner zum Elektroauto? Eines steht fest: schlägt das Tesla Model 3 in den USA derart erfolgreich ein wie viele befürchten, sind die Plug-In-Hybriden wohl dem Tode geweiht.

Die Nachrichtenintervalle aus Palo Alto / Kalifornien werden kürzer. Der Elektromessias Elon Musk und sein bisher hoch defizitärer Tesla-Konzern haben die internationale Autoindustrie in den vergangenen zehn Jahren das Fürchten gelehrt. Hatte die beim zusammengeschusterten Elektroroadster mit Lotus-Genen noch geschmunzelt, wurde die elektrische Oberklasselimousine Model S auf einigen Märkten zum Erfolgsmodell und als elitäres Zeichen des automobilen Fortschritts. Die schwergewichtige Van-SUV-Kombination des Model X mit seinen zwiespältigen Flügeltüren brachte keinen großen Fortschritt, doch das Model 3 könnte in der Automobilbranche einen echten Trendwechsel einläuten.

Der Grund liegt in seinen gefälligen Mittelklasseabmessungen, Preisen ab 35.000 Dollar (US-Markt), soliden Fahrleistungen und einer Reichweite die je nach Konfiguration deutlich über der wichtigen Mindestgrenze von 300 Kilometern liegen sollte. Wenn das Model 3 einschlägt, hat Tesla nach 14 Jahren erstmals Chancen aus der dauerhaften Minuszone in den Gewinnbereich zu stoßen. Zudem könnte der elektrische Hoffnungsträger erstmals nennenswerte Elektrovolumina auf den Straßen in den USA und dann nachfolgend in Europa und Asien realisieren. Für das Tesla Model 3 sollen nach Tesla-Angaben mehrere 100.000 Bestellungen vorliegen. Der größte Druck wird so auf die Modelle der internationalen Mittelklasse ausgeübt. Hybridversionen wie der VW Passat GTE, BMW 3er eDrive und der Mercedes C 350h, ohnehin alles andere als Bestseller, würden beinahe über Nacht ad Absurdum geführt. Die hätten allenfalls noch in China eine Chance, wo sich Tesla unverändert schwertut.

Doch Tesla ist nicht der einzige, der den Elektromarkt in Wallung bringt. Volvo verkündete er publikumswirksam als marktbeeinflussend seinen schrittweisen Ausstieg aus der reinen Verbrennerlandschaft. Ab 2019 soll alles elektrisiert werden, was fahren kann - vieles jedoch erst einmal mit Hybridmodulen. Da jubelt nicht jeder Händler. In einigen Regionen haben die Schweden einen Dieselanteil von über 70 Prozent. Auch Renault und Nissan erwärmen sich unter Carlos Ghosn seit 2007 schrittweise für die Elektrotechnik. Doch nach wie vor hängt fast alles an den Akkupreisen. "Derzeit kostet eine Kilowattstunde uns rund 80 Dollar", sagt Renault-Elektroexperte Eric Feunteun, "doch die Preise sinken langsam und das wird uns neue Möglichkeiten geben." Ein Akkupaket für ein Langstreckenfahrzeug kostet so 4.000 bis 10.000 Euro als reine Herstellungskosten.

Bei den elektrisierenden Rahmenbedingungen hapert es ebenfalls noch. Doch immerhin gibt es in Deutschland über 7.000 Ladesäulen, mehr als 80.000 in Europa. Da sind auch längere Strecken mittlerweile ohne Angstschweiß auf der Stirn zu realisieren. "Unser Renault Zoe ist die Nummer eins in Deutschland", legt Eric Feunteun nach, "unsere Kunden kennen wie dabei sehr genau. Sie fahren durchschnittlich 60 Kilometer am Tag. 60 Prozent nutzen den Wagen in der Stadt, schätzen in erster Linie die Ruhe und zwischen den Ladungen liegen 1,6 Tage." Neben der Ungewissheit etwas Neues auszuprobieren, die eingefahrenen und bestens bekannten Benziner- oder Dieselpfade zu verlassen sowie den hohen Kaufpreisen gibt es für potenzielle Kunden jedoch noch andere Hemmschwellen. "Insbesondere müssen die Ladegeschwindigkeit und die Reichweite der Elektroautos steigen", so Feunteun, "doch hier sind wir auf einem guten Weg. Auch die Vernetzung ist wichtig."

Die IAA wird nicht zur großen Elektromesse werden, doch einige interessante Fahrzeuge werden hier zum ersten Mal offiziell zu bestaunen sein. Dazu gehören insbesondere Hersteller wie Mercedes und Jaguar, die mit dem EQ C sowie dem i-Pace neue Elektroautos enthüllen werden, die kommendes Jahr im Handel stehen. Die schwarze Motorhaube des Mercedes EQ C, die sich über die Windschutzscheibe bis ins Dach zieht, kennt man bereits vom BMW i3. "Das Serienauto wird über beide Achsen angetrieben und die Motorleistung wird bei bis zu 300 Kilowatt liegen", erläutert Jörg Weinhold, Produktmanager des EQ C, "die Reichweite: 500 Kilometer. Wir können die Motorleistung je nach Betriebszustand beliebig zwischen beiden Achsen hin- und herschieben. Das Akkupaket zwischen den beiden Achsen ist dabei besonders gut für die Fahrdynamik wie zum Beispiel bei der Kurvenfahrt." BMW hat seine Elektrolethargie nach dem Frühstart von i3/i8 beendet und plant ebenfalls einen Tesla-Fighter, der noch vor dem mehrfach avisierten Elektro-Crossover (2021) kommen könnte. Porsche wird seinen Tesla-Gegner Mission E erst Ende 2019 auf die Straße bringen. Noch in diesem Herbst wird die zweite Generation des Nissan Leaf vorgestellt. Deutlich schicker und leistungsfähiger als bisher dürfte er weltweit für einen Elektroboost sorgen.

Der Antrieb des Jaguar i-Pace steht mit einer Maximalleistung von 294 kW / 400 PS dem sportlichen Aussehen in nichts nach. "Die Elektromotoren sprechen ohne Verzögerung, Gangwechsel und Unterbrechungen an", erklärt Jaguar-Baureihen-Direktor Ian Hoban, "das im Vergleich zu Verbrennungsmotoren unmittelbar abrufbare volle Drehmoment sorgt für ein neuartiges Fahrerlebnis. Dank 700 Nm und Allrad-Traktion beschleunigt der i-Pace Concept in rund vier Sekunden von 0 auf 100 km/h." Die beiden kompakten Elektromotoren werden von einem 90 kWh-Lithium-Ionen-Akkupaket befeuert, das eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern garantieren soll. An einem 50 kW Gleichstrom-Anschluss lässt sich der Elektro-Erstling in 90 Minuten auf 80 Prozent seiner Kapazität aufzuladen; in etwas mehr als zwei Stunden erstarkt das Akkupaket vollends.

Auch bei VW und Audi, so munkelt man, will man auf der IAA Mitte September konkrete Gegenmaßnahmen zum Tesla Model 3 haben. Der Volkswagen-Konzern wird abgesehen von Audi mit seinem Oberklasse-SUV namens E-Tron, der im Hebst 2018 anrollt, erst 2020 mit konkreten Modellen von VW, Skoda und Seat antworten. Dann kommen schrittweise nicht nur das Elektro-Pendant des Golf namens VW I.D., sondern dann bis 2022 schrittweise zwei SUV, eine Mittelklasse-Coupélimousine und eine Transporter. Bleibt abzuwarten, wie sich zukünftig Hersteller wie Peugeot / Citroen, Kia / Hyundai, FCA (Fiat, Chrysler, Dodge, Jeep) oder insbesondere Massenprimus Toyota aufstellen. Sie bieten Hybriden, oft sogar noch ohne zeitgemäße Akkutechnik / Plug-In-Funktion, haben aber in Sachen Elektroantrieb kurzfristig kaum etwas im Köcher. Ein Grund, wieso auch Sie angespannter denn je Richtung Tesla und Model 3 starren.

Quelle: Autoplenum, 2017-07-06

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