Land Rover Defender mit neuem Diesel im Test: Durch dick und dünn
Testbericht
Kelso (Schottland), 7. November 2011 - Mit dem Land Rover Defender ist es so eine Sache. Er ist ein Auto mit Ecken und Kanten, und das nicht nur im wörtlichen Sinn. Er passt zu den Briten. Man kann ihn ganz nach Geschmack herrlich unkonventionell nennen, aber auch kauzig, ja sogar unzeitgemäß. Wir nennen nur ein paar Stichworte: keine Airbags, kein ESP, ABS nur gegen Aufpreis, elektrische Fensterheber gegen Aufpreis, Außenspiegel nur manuell einstellbar, Motor aus dem Ford Transit ohne Euro-5-Einstufung. Den letzten Punkt muss man nun modifizieren, denn das Auto erhält einen neuen Diesel. Wir haben das Auto in schottischem Schlamm durch dick und dünn gefahren.
Viel Schlamm in Scottish Borders
Schottischer als Scottish Borders kann eine Gegend kaum sein. Die Gegend im Nordosten Großbritanniens, zwischen dem schottischen Edinburgh und dem englischen Newcastle gelegen, ist ein Idyll mit zahllosen Schafen, grünen Wiesen, malerischen Kirchenruinen und dergleichen mehr. Wir sind unterwegs auf engen Straßen mit Steinmäuerchen links und rechts, sehen bunte Fasane in rauen Mengen auf den Feldern, Moorhühner, die versuchen, uns auf Kiesstraßen abzuhängen. Und wir machen Bekanntschaft mit dem schottischen Schlamm in allen Variationen, von getrübtem Wasser ausgehend dickflüssiger werdend bis zu Erde von pflugfähiger Konsistenz.
110er Crew Cab
Als wir unseren Defender übernehmen, sind die kurzen Exemplare gleich als Erste weg. Kenner wissen: Mit dem langen ist es schwer, um die Ecke zu kommen. Und damit ist noch gar nicht mal die 130er-Version gemeint, sondern die 110er. Besser eckengängig ist noch die 90er-Variante. Die Zahlen stehen jeweils für den Radstand in Zoll.
Viel zu weit rechts
Wir erwischen einen 110er, und zwar eine Crew-Cab-Variante, bei der sich hinter der fünfsitzigen Passagierkabine eine Ladefläche mit Leinwand-Verdeck befindet. Wir steigen ein und sitzen als Fahrer viel zu weit rechts. Das nicht nur, weil es sich um einen Rechtslenker handelt, sondern weil man im Defender immer sehr weit außen sitzt. Den Grund erfahren wir später: Durch die Sitzposition konnte man als Bauer leicht vom Fahrersitz aus die Bodenbeschaffenheit prüfen. Das Auto entstand ja 1948 als Land Rover, also als Rover für die Landwirtschaft.
Tiefe Rinnen
Wir fahren zunächst über Wiesen, in die die Fahrzeuge vor uns tiefe Schlammrinnen gezogen haben. So tief sind sie, dass man hier schon einmal die große Bodenfreiheit des Autos sehen kann. Trotz 31 Zentimeter Mindestbodenfreiheit sind zwischen den Radspuren Schleifspuren zu sehen. Das riesige Lenkrad ist unter diesen Bedingungen nur von begrenztem Nutzen: Eigentlich fährt das Auto ja von selbst den Rinnen nach und führt das Lenkrad nach. Der Antrieb hat mit dem schlammigen Untergrund nicht die geringsten Probleme. Dabei haben wir noch nicht mal die Geländeuntersetzung eingeschaltet.
Nun Euro 5 - aber Euro 5 für LKWs
Im Defender gab und gibt es nur einen einzigen Motor. Bisher war das ein 2,4-Liter-Diesel mit 122 PS, der aus dem Ford Transit stammte - obwohl Land Rover das nicht gerne sagt. Man spricht lieber vom Puma-Motor, der firmeninterne Codename klingt deutlich dynamischer. Mit dem alten Aggregat erfüllte der Defender nur die Euro-4-Abgasnorm. Nun kommt das gleiche Aggregat mit weniger Hubraum aber gleicher Leistung zum Einsatz, und er hält dank des jetzt eingesetzten Partikelfilters die Euro-5-Norm ein. Allerdings die Euro-5-Norm für Lastkraftwagen, nicht die schärfere für PKW. Auch das sagt Land Rover natürlich nicht gerne. Das ist der Grund, warum der Defender nun als LKW eingestuft wird.
Minimal höhere Maximalgeschwindigkeit
Der Verbrauch stieg minimal von 11,0 auf 11,1 Liter je 100 Kilometer - wahrlich kein Ruhmesblatt für einen 122-PS-Diesel. Auch die Standard-Sprintzeit liegt unverändert bei recht gemütlichen 17,0 Sekunden. Verbessert hat sich das Auto nur bei der Höchstgeschwindigkeit, die von 132 auf 145 km/h stieg. Außerdem ist die Schalldämmung nun besser, sagt Land Rover. Doch viel hat sich für unser Gehör auch hier nicht getan. Noch immer klingt das Auto eher rustikal und ist nicht ganz leise. Geblieben sind auch die guten Geländeeigenschaften. Die erproben wir auch an einem verschlammten Waldweg mit saftiger Steigung. Es geht recht eng um die Kurve und dann steil hinauf. Beim ersten Anlauf probieren wir es im ersten Gang mit Geländeuntersetzung und starrem Durchtrieb. Wir bleiben stecken.
Keine Garantie fürs Durchkommen
Zweiter Versuch im zweiten Gang, und etwas schneller. Auch das klappt nicht, und richtig Anlauf können wir wegen der scharfen Kurve auch nicht nehmen. Auch die 360 Newtonmeter unseres Landy sind keine Garantie fürs Durchkommen in jedem Gelände. Jetzt kommt die Winch zum Einsatz, also die Winde. Beim Landy ist das ein ganz einfaches Elektrogerät. Es sitzt vorne und lässt sich vom Beifahrer mit einer Art Joystick steuern. Die Verbindung zur Winde ist ein einfaches Elektrokabel, das durch den Türspalt nach vorn geführt wird. Das Stahlseil der Winde wird oben um einen Baum geführt und unten am Fahrzeug eingehakt. Dann geben wir als Fahrer Gas, so gut es geht. Die Winde hilft mit, und so geht es bergauf.
Ein Defender-Witz
Und noch an einer anderen Stelle führen wir das Auto an die Grenzen heran. Es ist schon stockdunkel. Diesmal geht es steil bergab in ein Wasserloch hinein, dann um die Kurve, und auf der anderen Seite wieder hinauf. Das Problem: Das Wasser ist tief, sehr tief. Und gerade hier eilt dem Defender nicht der allerbeste Ruf voraus. Nicht wegen der Empfindlichkeit gegenüber tiefen Wasser, das nicht. Aber er ist nicht besonders dicht, sagt man. Dazu erzählt man sich in Offroader-Kreisen gerne einen Witz, und der geht so: Wie testen Offroad-Fans die Wasserdichtigkeit von Autos? Antwort: Mit einer Katze, die abends ins Auto gesperrt wird. Beim Toyota Land Cruiser ist die Katze am nächsten Morgen tot, weil nicht mal Luft durch die Ritzen dringt. Beim Defender ist die Katze am nächsten Tag weg - hier findet sie eben immer eine Ritze.
Seitlicher Lufteinlass
Nun, uns soll das nichts ausmachen. Wir gurten unser Gepäck auf dem Rücksitz an und wagen uns hinein ins feuchte Element. Etwa im 45-Grad-Winkel taucht der Vorderwagen ins Wasser ein, und plötzlich ist es trotz unserer Scheinwerfer - wir haben Fernlicht und dazu noch zwei Zusatzscheinwerfer an - stockfinster. Wir sind geschockt. Ist die Lichtmaschine abgesoffen? Die Elektrik geflutet? Nein, als das Auto wieder waagerecht im Wasser fährt, wird es wieder hell. Das Licht der Scheinwerfer war nur unter Wasser nicht mehr zu sehen. Aber wie ist das mit dem Motor? Kein Problem. Der Lufteinlass liegt beim Defender nicht vorne, wo wir tief eingetaucht sind, sondern seitlich hinter dem Kotflügel, und vor allem auch recht hoch, fast schon über den Scheinwerfern und nur auf der Beifahrerseite. Hier wird übrigens auch der Schnorchel angesetzt, ein nach oben führendes Luftzuführungsrohr. Die Lage des Auspuffs tut übrigens nichts zur Sache: Solang der Motor läuft, verhindert der Abgasdruck das Eindringen von Wasser. Bei unserem Auto blieb übrigens der Innenraum perfekt trocken, bei Fahrzeugen von Kollegen war zuweilen der Boden etwas nass.
Bei knapp 30.000 Euro geht es los
Den Defender 2.2 TD 110 gibt es ab 29.390 Euro. Dafür erhält man den Pick-up der Ausstattungsversion E. Den Crew Cab gibt es als E für 30.890 Euro, als S für 32.630 Euro und als SE für 34.770 Euro. Die teuerste Version des 110 ist der SW für 36.170 Euro. Zum Vergleich: Der Jeep Wrangler ist mit einem Grundpreis von 29.550 Euro etwa ebenso teuer. Dafür erhält man die kleinere dreitürige Version mit 200-PS-Diesel. Etwas teurer ist der Toyota Land Cruiser für knapp unter 38.000 Euro. Er hat einen 190-PS-Diesel. Ein Vergleich mit einem Softroader sei auch noch erlaubt: Einen Nissan Qashqai mit 130-PS-Diesel und Allradantrieb gibt es ab rund 28.000 Euro.
Saftiger ABS-Aufpreis
Alle Versionen des Defender haben ab dem neuen Modelljahr einen Diesel-Partikelfilter. ABS inklusive elektronischer Traktionskontrolle kostet üppige 1.850 Euro Aufpreis. ESP gibt es nach wie vor nicht. Für eine Typzulassung ist das Anti-Schleuder-System zwar seit November 2011 Pflicht, doch da der Defender im Prinzip den alten Motor besitzt, ist eine solche auch nicht nötig. Die Ausstattung ist mager. Für die Klimaanlage zahlt man 1.690 Euro auf, für ein CD-Radio bei der Grundversion E 630 Euro, bei S und SE ist es Serie. Etwas so Alltägliches wie elektrische Fensterheber vorne und Zentralverriegelung gibt es beim Landy unter dem pompösen Namen "Exklusiv-Paket" für 780 Euro. Die bei unserem Crew Cab über die Ladefläche gespannte Plane gibt es ab 360 Euro. Wer wegen des eingeschränkten Fahrkomforts lieber eine bequeme Limousine fährt, aber auch mal offroad unterwegs sein möchte, kann unter www.landrover-experience.de eine Offroad-Reise buchen. Zehn Tage Namibia zum Beispiel gibt es für knapp 4.000 Euro inklusive Flug.
Technische Daten
Antrieb: | permanenter Allradantrieb, Mittendifferenzial, mit Geländeuntersetzung |
---|---|
Anzahl Gänge: | 6 |
Getriebe: | Schaltung |
Motor Bauart: | Turbodiesel |
Hubraum: | 2.198 |
Anzahl Ventile: | 4 |
Anzahl Zylinder: | 4 |
Leistung: | 90 kW (122 PS) bei UPM |
Drehmoment: | 360 Nm bei 2.000 UPM |
Preis
Neupreis: 30.890 € (Stand: November 2011)Fazit
Der Defender ist auch mit dem neuen Motor ganz der Alte. Der Diesel knurrt etwas, bietet nicht viel in puncto Sprint oder Höchstgeschwindigkeit, dafür aber viel Drehmoment. Das hilft einem durch den dicksten Schlamm. Und wenn gar nichts mehr hilft, ist es gut, eine Winde an Bord zu haben. Beeindruckt hat uns auch die Wassertiefe, die der Landy verkraftet. Die 50 Zentimeter, die das Datenblatt nennt, haben für uns eine konkrete Bedeutung, seit unsere Scheinwerfer in das tiefe Wasserloch eintauchten.Testwertung
Quelle: auto-news, 2011-11-07
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