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Testbericht

Peter Eck/SP-X, 28. September 2016

Im Business zählen Seriosität und Zuverlässigkeit. Signalisiert wird dies bei Männern gemeinhin durch Anzug/Hemd/Krawatte, die Damen haben etwas mehr Spielraum, sollten es mit diesem aber nicht übertreiben. Und wenn es dann zur Wahl des Geschäftsautos geht, heißt es meist: BMW, Audi oder Mercedes – in Schwarz, Anthrazit, Silber und ganz Wagemutige bestellen sich ihr Statussymbol auch mal in Weiß. Ausnahmen von dieser Fahrzeug-Farben-Regel sind selten. Seit Sommer gibt es immerhin eine Modellalternative, den S90 von Volvo.
 
Natürlich wird die immerhin fast fünf Meter lange Limousine dem A6, dem 5er oder der ja ebenfalls brandneuen E-Klasse kaum das Fürchten lehren. Zumindest nicht was die Zulassungszahlen speziell in Deutschland angeht. Das glauben die Schweden auch selbst nicht, sie setzen eigentlich auch mehr auf die in wenigen Wochen zu den Händlern rollende Kombi-Version V90, denn hier beackert die Marke wohlbekanntes und erfolgreiches Terrain. Doch in der klassischen Business-Liga, und hier fährt man nun mal Stufenheck, ist der S90 einen Blick wert. Wir haben ihn riskiert.
 
Da der Diesel – ob zu Recht oder auch nicht – irgendwie ja zunehmen in Verruf gerät, ließen wir unseren S90 als Benziner vorfahren. Ganz bescheiden in der „schwächsten“ Motorisierung mit 254 PS. Wobei die Modellbezeichnung T5 in die Irre führt, wenn man darunter etwa einen Fünfzylinder vermutet. Aber auf Modellbezeichnungen kann man ja heute auch bei BMW oder Mercedes nichts mehr geben. Bei Volvo weiß der Kenner neuer Modelle immerhin was dahintersteckt: zwei Liter Hubraum und vier Zylinder – ganz einfach weil es andere Motoren, ob als Otto oder Selbstzünder, bei den Schweden künftig gar nicht mehr gibt.
 
Nun könnte man meinen, dass rund 250 PS ja eine feine Sache sind. Stimmt – und stimmt auch wieder nicht. Stimmt, weil es in den meisten Situationen nichts zu meckern gibt, etwa im Stadtverkehr oder bei ruhiger Fahrt auf Autobahnen bzw. Landstraßen. Nur wenn der A6-Fahrer mit dem dicken Diesel unter der Haube im Rückspiegel auftaucht, wird es eng: Entweder man lässt ihn gleich anstandslos passieren oder man quält den relativ kleinen Motor in hohe Drehzahlen, was weder akustisch Spaß macht, noch dem Verbrauch guttut oder am Ende wirklich hilft. Der Audi zieht vorbei.  Aber Volvo-Fahrer gelten ja sowieso als sozial, kinder- und tierlieb und als was sonst noch alles. Da hat man irgendwelche Spielchen auf dem Highway doch gar nicht nötig. Obwohl: Ein klein wenig gefuchst hat uns die mangelnde Beschleunigungsdynamik in dieser Situation schon.
 
Meistens aber haben wir die Fahrt im S90 einfach nur genossen. Am typisch schwedischen Ambiente – irgendwo gleichzeitig so skandinavisch kühl wie ein klarer Sommermorgen an der Küste und so gemütlich warm wie ein Weihnachtsabend in Bullerbü -  kann man sich aus den bequemen Ledersesseln heraus kaum satt sehen. Die Volvo-Innenraumdesigner haben dafür gesorgt, dass Leder, Holz und hochwertiger Kunststoff eine gelungene Symbiose eingehen. Da sieht man über die eine oder andere unlogische Bedienführung auf dem über 9 Zoll großen, hochkant stehenden Bildschirm gerne hinweg; wer den S90 länger fährt, wird nach einigen Tagen sowieso keine Probleme mehr damit haben. 
 
Apropos sehen: Auch von außen wirkt der Volvo modern, solide und stattlich. Wie gesagt: Knapp fünf Meter in der Länge, ein Plus von 15 Zentimetern zum alten S80, 1,90 Meter breit (ohne Außenspiegel) aber mit 1,44 Meter gar nicht mal so hoch. Hinzu kommt ein klassenübliches, aber nicht herausragendes Kofferraumvolumen von 500 Litern. Auffällig ist der große Kühlergrill mit seinen vertikalen Streben. Er demonstriert jene Art von Selbstbewusstsein, ohne die es bei fast keinem neuen Auto, aber vor allem bei keinem in dieser Klasse mehr geht. Die Seitenansicht ist aber das Zuckerstückchen im Schwedenkaffee, hier stimmen die häufig strapazierten Attribute „sportlich und elegant“ mal wirklich. Weniger überzeugen konnte uns dagegen das Heck mit seinem grobschlächtigen Kofferraumdeckelt und den (zu) vielen Falzen. Diese sehr konservative Lösung passt irgendwie nicht zum Rest des elegant-modernen Fahrzeugs.    
 
Selbstverständlich in dieser Klasse und für diese Marke ist das hohe Sicherheitsniveau mit vielen Assistenzsystemen, von denen einige im Basispreis von 49.950 Euro sogar enthalten sind. So etwa der weiterentwickelte „Pilot Assist“, der das Fahrzeug bis 130 km/h in der Spur hält, ohne sich dabei an einem vorausfahrenden Auto orientieren zu müssen. Zudem haben die Schweden ihr City-Safety-System um eine neue Funktion erweitert: Der S90 erkennt bei Tag und Nacht große Tiere wie Elche, Rentiere, Pferde oder Kühe und warnt bzw. bremst im Notfall selbsttätig. Eine Weltpremiere ist das sogenannte Road Edge Detection, es hält Fahrzeuge in der Spur, ohne dass es auf eine Fahrbahnmarkierung am rechten Straßenrand angewiesen ist.
 
Wer in dieser Klasse mal etwas anderes als ein Fahrzeug der drei großen deutschen Edelmarken fahren will, wem aber eine exotischere Lösung wie etwa ein Lexus zu gewagt ist, der dürfte mit dem Volvo S90 glücklich werden, vorausgesetzt man rechnet nicht damit, im Vergleich etwa zu einem Audi A6 viel günstiger wegzukommen. Wer aber gar keine Business-Limousine sucht, sondern nur einen großen neuen Volvo, der kann auch auf den für Ende Oktober angekündigten V90 warten. Denn der wird natürlich deutlich mehr Platz bieten - und ein schönere Heck obendrein.

Volvo S90 – Technische Daten:

Viertürige, fünfsitzige Limousine, Länge: 4,96 Meter, Breite: 1,90 Meter (mit Außenspiegeln: 2,02 Meter), Höhe: 1,44 Meter, Radstand: 2,94 Meter, Kofferraumvolumen: 500 Liter
2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner, 187 kW/254 PS, maximales Drehmoment: 350 Nm bei 1.500 – 4.800 U/min, Achtgang-Automatik, 0-100 km/h: 6,8 s, Vmax: 230 km/h, Verbrauch: 6,5 l/100 km, CO2-Ausstoß: 149 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: B, Testverbrauch: 8,7 Liter
Preis: ab 49.950 Euro

Kurzcharakteristik:

Warum: weil der S90 eine andere Art Business-Limousine ist
Warum nicht: weil anders nicht in allen Bereichen besser heißen muss
Was sonst: Mercedes E-Klasse, Audi A6, BMW 5er, Lexus GS

Volvo treibt die Erneuerung seiner Modellpalette mit Hochdruck voran. Das große SUV XC90 machte letztes Jahr den Anfang, im Oktober kommt der Kombi V90. Zeitlich dazwischen platziert haben die Schweden mit dem S90 seit Sommer eine stattliche Limousine. Und die macht bei Antrieb und Bedienung einiges anders als die deutsche Konkurrenz. Auch besser?

Fazit
Volvo treibt die Erneuerung seiner Modellpalette mit Hochdruck voran. Das große SUV XC90 machte letztes Jahr den Anfang, im Oktober kommt der Kombi V90. Zeitlich dazwischen platziert haben die Schweden mit dem S90 seit Sommer eine stattliche Limousine. Und die macht bei Antrieb und Bedienung einiges anders als die deutsche Konkurrenz. Auch besser?
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-09-28

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