Prototypenfahrt: BMW X7 - Dickschiff und Dampfhammer
Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus in Spartanburg. Und das kann man diesmal wörtlich nehmen. Denn vor den Toren des BMW-Werks in South Carolina steht ein Koloss von einem Auto, in dessen Schlagschatten sich die gesamte Entwicklungsmannschaft mühelos vor der schwülen Mittagshitze verstecken kann. Noch trägt er das Tarnkleid eines Prototypen und ist eine Seltenheit unter den 450.000 Geländewagen, die hier im Jahr produziert werden können. Doch schon bald soll er als X7 zur festen Größe werden, die X-Familie nach oben abrunden und von Spartanburg aus die SUV-Welt erobern.
Mit dem Kaventsmann von 5,10 Metern Länge und runden drei Metern Radstand ist BMW spät dran. Zwar hat unter den deutschen Herstellern keiner so eine weit auffächerte Palette mit Geländewagen, doch ausgerechnet im prestige- und umsatzträchtigstem Segment mussten die Bayern bislang passen und das Geschäft dem Mercedes GLS und dem Audi Q7 überlassen. „Ja, wir sind nicht die ersten“, räumt Sebastian Sauerbrei aus der Entwicklung ein. „Aber dafür können wir jetzt mit einem Auto, das wir mit Fug und Recht als echten BMW bezeichnen können und das keine Kompromisse macht.“
Das gilt für die Konstruktion, die zwar die Architektur des neuen X5, aber kein einziges Karosserieteil des kleinen Bruders nutzt. Es gilt für das Design mit der größten Niere, die es je an einem BMW der Neuzeit gegeben hat. Und das gilt erst recht für die Abstimmung. Dabei war das nicht gerade einfach, räumt Sauerbier ein. Auf der einen Seite sollte sich selbst dieser Koloss halbwegs sportlich bewegen lassen und der schwerfälligen Konkurrenz zumindest auf einer kurvigen Straße davon fahren. Zum anderen aber sollte der X7 mit Blick auf die Vielfahrer im Hauptmarkt USA auch zum extrem komfortablen und entspannten Langstreckenauto werden. „Die Sieben im Namen ist für uns auch eine Verpflichtung“, sagt Sauerbrei und beschreibt den X7 als eine Art Luxuslimousine auf Stelzen – zumindest im Geiste eng verwandt mit dem BMW-Topmodell.
Während die Designer die Brücke zum Siebener mit einem betont noblen Ambiente schlagen, steht Fahrwerksexperte Sauerbrei den Spagat zwischen Kurvenfeger und Kilometerfresser mit ein paar technischen Kniffen: die Hinterradlenkung lässt dem Wagen handlicher und agiler wirken und verhindert bei schnellen Spurwechseln auf der Autobahn, dass den Hinterbänklern schlecht wird. Die aktive Wankstabilisierung hält den Aufbau im Lot und die erstmals an beiden Achsen montierte, adaptive Luftfederung ist mal wolkenweich und mal beinhart - je nachdem, wie es der Kunde gerne hätte. Zugleich bietet sie in fünf Niveaus mit zusammen acht Zentimetern Verstellweg und kann so einen Kniefall zum Aussteigen machen oder den Wagen im Gelände aufbocken. „Damit können wir abseits der Straße weiter als mit jedem anderen X-Modell“, sagt Sauerbrei stolz.
Die Sieben steht aber nicht nur für Prestige und Komfort wir in der Luxuslimousine, sondern ganz trivial auch für die Zahl der Sitzplätze. Schließlich wird der X7 das erste BMW-SUV mit dritter Reihe, die ihren Namen verdient. Während die immer an Bord ist und nach dem etwas mühsamen Zustieg überraschend viel Platz bietet, kann man in der Mitte zwischen zwei Einzelsitzen oder einer durchgehenden Bank wählen. Egal wie man sich entscheidet, bekommt man immer eine voll elektrische Verstellung, wahlweise am Sitz oder an einen Bedienfeld hinter der wie beim X5 zweigeteilten und natürlich ebenfalls voll elektrischen Heckklappen.
Bei den Motoren bedient sich der X7 aus den aktuellen Oberklasse-Baukasten von BMW und setzt deshalb ausschließlich auf Sechs- und Achtzylinder. Genau spezifizieren will BMW die Motoren noch nicht, doch dürfte es bei den Benzinern bis deutlich über 450 und bei den Dieseln an die 400 PS gehen. Und wenn man mit einem der stärkeren Prototypen unterwegs ist, hat man an deren Potenzial keine Zweifel mehr. Ja, der X7 wiegt 2,3 Tonnen und ist alles andere als handlich. Doch mit einem im Sportmodus vernehmlichen Knurren gibt der Koloss den Dampfhammer und stürmte auf dem Highway davon wie ein Elefant in Eile. 220 km/h Spitze jedenfalls sollten kein Problem sein und 250 Km/h zumindest für die starken Varianten wahrscheinlich auch nicht.
Trotzdem klaffen in der Motorpalette noch ein paar Lücken: Ein Plug-in-Hybrid wäre gut fürs Gewissen und die Restriktionen in USA oder China. Und der V12 wäre eine Chance, sich deutlich von Audi und Mercedes abzuheben. Zwar haben die Bayern schon eine Power-Version in Aussicht gestellt, dem Zwölfzylinder aber eine kategorische Absage erteilt: Der bleibt dem technisch völlig eigenständigen Luxus-Onkel Rolls-Royce Cullinan vorbehalten, lautet die Begründung.
Zwar sind die Entwickler so langsam auf der Zielgerade und man kann zumindest in Gedanken schon mal die ersten Vergleiche mit Q7 und GLS anstellen. Doch so ganz ist Geduldsprobe noch nicht vorbei: Denn in den Handel kommt der X7 zu Schätzpreisen an 80.000 Euro erst Anfang nächsten Jahres.
Es hat zwar etwas länger gedauert, doch jetzt steigt auch BMW ins Geschäft mit den großen Geländewagen ein und bringt den X7 an den Start. Rund ein Jahr vor Verkaufsbeginn saßen wir schon am Steuer.
Quelle: Autoplenum, 2018-06-11
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