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Testbericht

27. September 2011
Haar, 27. September 2011 - Irgendwo in uns muss er erhalten geblieben sein, der Landy. Irgendwo in unserem Hinterkopf, verschüttet vom Geröll vieler Jahre Schule, Studium und Berufsleben. Als Kind schon bewegten wir das Auto gerne, wenn auch nur als Matchbox-Modell. Irgendwie war der Landy deshalb immer eine Hausnummer in unserem Kopf, und so zögern wir nicht lange, als die Frage aufkommt, wer den neuen Testwagen übernimmt, einen Landy One-Ten oder offiziell Land Rover Defender 110 Station Wagon Td4 Rough. Gleich nach Feierabend stürzen wir uns damit ins Abenteuer. Hinauf per Klimmzug Aber zuerst müssen wir rauf, auf den Fahrersitz. Schon das Trittbrett liegt in einem halben Meter Höhe. Wir setzen unseren rechten Fuß darauf, klammern uns irgendwo fest und merken: So geht es nicht. Also zurück, und das Gleiche mit dem linken Fuß versucht. Jetzt klappt der Klimmzug, wir setzen den rechten Fuß ins Innere, landen im Sitz und schließen die Tür. Eine schmerzhafte Erfahrung, denn wir stoßen uns dabei den Ellenbogen: Der Abstand zur Tür ist so gering, dass man aufpassen muss. Auch sonst ist die Sitzposition bemerkenswert: Der Sitz ist in der hintersten Raste, und doch sind unsere Arme leicht gewinkelt, wenn wir ins Steuer greifen. Und dann die Pedale: Unser linker Fuß landet beim ersten Mal fälschlich auf der Bremse, denn die Kupplung ist nur zwei Finger breit von der Außentür entfernt. Später werden wir feststellen, dass die einzig mögliche Entspannungsposition für das linke Bein die ist, in der sich der Fuß unter den Pedalen befindet. Erstaunlich weit links Die Sitzposition des Landy-Fahrers ist erstaunlich weit links außen. Vorteil: Wir können die Scheibe herunterlassen - das geht sogar elektrisch - und unseren leicht lädierten Ellenbogen in die kühlende Luft hinausschieben. Und wir können uns aus dem Fenster lehnen, um das linke Vorderrad zu sehen - ein Vorteil im Gelände.
Viel Hartplastik Drinnen gucken wir auf stabiles, schwarzes Hartplastik. Eine Ausnahme ist nur die Mittelkonsole, wo die bronzefarbene Metallic-Lackierung unseres Modells zum Vorschein kommt. Dort heben sich auch große dunkelgraue Drucktasten vom schwarzen Cockpitmaterial ab, die wie für die Ewigkeit gemacht scheinen. Über die fast senkrecht stehende Windschutzscheibe schrubben bei Bedarf zwei schmale Scheibenwischer, die direkt aus den 70er-Jahren zu stammen scheinen. Heulende Reifen Die Handbremse, ein senkrechter Hebel neben unserem rechten Fuß, lässt sich leicht lösen. Wir stecken den Schlüssel links neben dem Lenkrad - ja, links, rechts kann ja jeder - ins Zündschloss und drehen ihn. Rau und laut, fast wie ein Traktormotor, meldet sich der 2,4-Liter-Diesel. Weder Lautstärke noch Tonlage des Aggregats ändern sich beim Fahren wesentlich. Ab etwa 50 km/h kommt noch ein eigenartiges Heulen hinzu, das Laufgeräusch der grobstolligen Goodyear Wrangler, die unser Sondermodell namens Rough besitzt. Die Reifen sollen gut fürs Gelände sein. Motor aus dem Transit Aber zurück zum Antrieb. Der Motor stammt aus dem Ford Transit. Was zuerst verwundern mag, ist gar nicht so seltsam, denn der Landy gilt als LKW, wie uns die Land-Rover-Presseabteilung später erklärt. Und so fährt er sich auch. Der erste Gang lässt sich ohne Probleme einlegen, auch wenn der Schaltweg dafür recht lang ist. Und dann geht es los. Rappelnd und zockelnd, macht sich unser 4,64 Meter langes Ungetüm auf den Weg. Wir fahren die mittelgroße Variante des Defender, wie Kenner aus der Zahl im Modellnamen des "One-Ten" ersehen. Die 110 steht für den Radstand in Zoll.
"Äußerst leichte Gangwechsel" Schon kurz nach dem Anfahren ist der zweite Gang fällig, der erste ist zugunsten des leichten Anfahrens im Schlamm oder Sand recht kurz ausgelegt. Beim Gangwechsel tut es, als wir wieder einkuppeln, einen richtigen Schlag unten in den Tiefen des Landy, quasi im Maschinenraum. "Eine optimierte Synchronisation bürgt für äußerst exakte und leichte Gangwechsel", sagt die Pressemappe. Nun ja. Wir würden sagen: Jeder Gang lässt sich einlegen. Aber es fühlt sich jedes Mal an wie richtige Arbeit. Auch mit der Lenkung ist es so eine Sache: Nennen wir sie fehlerverzeihend. Man kann problemlos mal zwei Zentimeter am Steuer drehen, ohne dass sich etwas Entscheidendes am Kurs ändert. Es geht auch nicht gerade flott vorwärts, wie wir an der ersten Ampel merken, als alle anderen Autos an uns vorbeifahren. 17 Sekunden braucht der Landy, um Tempo 100 zu erreichen. 122 PS sind für einen Zweitonner eben nicht viel. Selten so gelassen gefahren Aber dass die anderen Autofahrer an uns vorbeiziehen, macht uns im Landy nichts aus. Wenn hinten ein nervöser Berufspendler drängelt, bekommen wir das meist nicht mit. Das liegt nur zum Teil an den Visionen von Freiheit und Abenteuer, die uns beschäftigen. Nein, wir sehen den Drängler gar nicht. Je dichter ein Pkw hinten auffährt, desto mehr verschwindet er aus dem Sichtfeld, irgendwo unter dem hinten hängenden Reserverad. Selten sind wir so gelassen gefahren, selten so wenig gehetzt. Die hohe Sitzposition, die einen weit vorausschauen lässt, trägt dazu bei. Auch große Autos vor uns, wie eine Mercedes M-Klasse, wirken wie Spielzeug, wir gucken drüber hinweg. Ebenfalls ein positiver Aspekt: Das Drehmoment von üppigen 360 Newtonmeter, das von 1.500 bis 2.700 U/min zur Verfügung steht, macht hektisches Hin- und Herschalten überflüssig. Schon bei wenig mehr als 1.000 Touren kann man sacht beschleunigen. Bremsen? Besser vorausschauend fahren Mit dem Bremsen aber ist es so eine Sache. Wie beim Beschleunigen dauert das beim Landy etwas. Die vier Scheibenbremsen erwecken nicht den Eindruck, für unser Fahrzeug ausgelegt zu sein. Man kann auch sagen, sie passen zur Fahrzeugcharakteristik, denn im Landy fährt man vorausschauend. Das empfiehlt sich auch, denn Sicherheitstechnik wie ESP oder Airbags gibt es für den Landy nicht, und die Crasheigenschaften dürften heutigen Ansprüchen kaum mehr genügen: Der Leiterrahmen unseres Landy ist zwar stabil, aber Knautschzonen, die Energie beim Aufprall abbauen, gibt es bei solchen Konstruktionen kaum. Auch der Verbrauch ist nicht gerade niedrig: 11,0 Liter Diesel sind es laut Land Rover, und exakt derselbe Wert kam bei unseren Ausfahrten heraus. Ein BMW X5 mit einem doppelt so starken Diesel braucht nur 7,4 Liter. Die Euro-5-Abgasnorm erfüllt der Motor auch noch nicht. Das schafft erst der für 2012 angekündigte 2,2-Liter-Diesel mit wiederum 122 PS.
Ein Wendekreis wie ein LKW Auch die Höchstgeschwindigkeit ist wenig berauschend: Unser runde 40.000 Euro teures Gefährt fährt gerade mal 132 km/h Spitze. Aber lassen wir das. Der Landy ist eben fürs Gelände gemacht. Und da sind andere Tugenden wichtig, die Bodenfreiheit von über 31 Zentimeter zum Beispiel oder die Wat-Tiefe von 50 Zentimeter, die Steigfähigkeit von 45 Grad und natürlich der permanente Allradantrieb. Der Wendekreis wäre allerdings auch wichtig, wenn man eine enge Kurve zwischen Fels und Abgrund nehmen will. Doch hier benimmt sich unser Landy wieder wie ein LKW: Man muss zuweilen zurücksetzen. Viel Platz im Kofferraum Beim Blick nach hinten entdeckt man: Unser Landy hat wie ein ganz normaler Pkw zwei Sitzreihen, gefolgt von einem Kofferraum. In der zweiten Reihe sitzt man sehr hoch und unbehaglich. Die parallel zur Fahrtrichtung liegenden Bänke ganz hinten, die unser Matchboxmodell noch hatte, gibt es nicht mehr. Es blieben nur Stufen links und rechts, unter denen sich die Radhäuser befinden. Dazwischen bleibt viel Platz. Land Rover kann die Literzahlen für den Kofferraum nicht nennen, nur die Abmessungen: In Normalkonfiguration misst das Gepäckabteil 110 mal 66 mal 105 Zentimeter. Wickelt man die Sitze nach vorn, wächst der Stauraum um 80 Zentimeter auf 190 Zentimeter Länge. Als Serienmodell ab 31.200 Euro Den One-Ten gibt es ab 31.200 Euro, doch in der gefahrenen Rough-Version kostet er 40.500 Euro. Das Sondermodell hat einiges an Zusatzausstattung an Bord. Es wird nur in Silber-Metallic oder Bronze-Metallic angeboten, und mit 16-Zoll-Alufelgen. Radläufe und Dach sind beim Rough stets schwarz, der Grill ist dagegen in Wagenfarbe gehalten, weitere optische Feinheiten kommen hinzu. Außerdem gibt es am Heck eine Trittstufe und LED-Leuchten. Innen hat der Rough eine Teillederausstattung. Auch ABS, eine Traktionskontrolle, eine Klimaanlage, ein CD-Radio, eine beheizbare Frontscheibe und eine Sitzheizung vorn sind Serie. Konkurrenz? Allenfalls Wrangler und Land Cruiser Auch wenn der Landy ein Solitär in der Autolandschaft ist, einen Konkurrenzvergleich können wir ihm nicht ganz ersparen. Die Mercedes G-Klasse scheidet aus Preisgründen aus - es gibt sie erst ab über 75.000 Euro. Ähnlich geländegängige Urviecher sind der Jeep Wrangler Unlimited und der Toyota Land Cruiser. Doch beide haben deutlich mehr Leistung. Den Wrangler Unlimited 2.8 CRD mit 200 PS gibt es für 32.750 Euro, den fünftürigen Land Cruiser 3.0 D-4D mit 190 PS für 40.800. Überteuert ist der Landy in der Normalversion also nicht.
Technische Daten
Antrieb:permanenter Allradantrieb, Mittendifferenzial-Sperre, mit Geländeuntersetzung
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Schaltung
Motor Bauart:Turbodiesel, Common-Rail-Direkteinspritzung
Hubraum:2.402
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:90 kW (122 PS) bei UPM
Drehmoment:360 Nm bei 2.000 UPM
Preis
Neupreis: 40.500 € (Stand: August 2011)
Fazit
"Das Unbehagen in der Kultur": Der Titel des Buchs von Sigmund Freud beschreibt den Reiz des Landy haargenau: endlich raus aus dem Alltag, weg von der Zivilisation, in irgendeinen Urwald, eine Wüste, ein Abenteuer. Das Fahren dieser Legende ist aufregend, und zwar sogar auf der ganz normalen Teerstraße. Ein modernes Auto mit zeitgemäßen Sicherheitseinrichtungen und angemessenem Komfort darf man jedoch nicht erwarten. Auch Spritkonsum, Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit sind je nach Temperament Anlass zum Schmunzeln oder zum Kopfschütteln. Der One-Ten hat außerdem einen Wendekreis wie ein LKW und bietet trotz stattlicher Länge wenig Sitzkomfort im Fond. Objektiv ist der Landy nicht empfehlenswert, aber ihn zu fahren macht einen Riesenspaß. Probieren Sie es aus, bevor es zu spät ist. Der für 2014 angekündigte Nachfolger hat lang nicht mehr so viel Charakter wie der gute alte Landy.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2011-09-27

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