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Testbericht

Peter Weißenberg/SP-X, 29. Juni 2021
SP-X/Wien. In der neuen Welt der Elektroautoindustrie liegen drei Kraftzentren auf drei verschiedenen Kontinenten: In Fernost liegt das Mekka der Batteriezellen, in Kalifornien arbeiten die IT-Nerds an coolen Apps und heißer Software – und vor allem das gute alte Deutschland fährt bei Produktion und Verarbeitung voran.So richtig hat noch kein Produkt aus einer der drei Regionen rundherum die ganze Welt begeistert. Beim einen hakt die Software, beim anderen machen Akkus allzu schnell schlapp, beim dritten halten Spaltmaße oder Kunststofffarben keinen höheren Ansprüchen stand. Matt Lei möchte das gern ändern: „Bei Elektroautos hat kein Hersteller gerade antriebsseitig einen großen Vorsprung vor dem anderen; wir können aber manches schon besser als andere.” Und bei diesen Worten tätscheln die Finger des Chefs von MG Motors Europe die Motorhaube seines neuesten Produktes: Der Marvel R soll den Durchbruch auf dem Weltmarkt sichern.Schon mit seinem ersten reinen E-Auto für den kontinentaleuropäischen Markt hat die Tochtermarke des chinesischen Autoriesen SAIC vor wenigen Monaten einen guten Einstand gefeiert: Der unspektakulär gestaltete ZS hat mit soliden Leistungen, guter Crashtest-Wertung und ordentlicher Verarbeitung wohlwollende Kritiken erhalten. Und mit rund 30.000 Euro Einstiegspreis kann das ordentlich ausgestattete Kompakt-SUV auf kostenbewusste Kunden hoffen. Auf die klassischen Premium-Anhänger oder Tesla-Fans eher nicht.Da sieht der 4,67 Meter langen Marvel schon deutlich attraktiver aus für die Kunden aus diesen Kreisen. Das fängt schon an mit den ausfahrbaren bündig in die Karosse eingelassenen Türgriffen. Hat schon mal einen Coolness-Faktor – der sich beim Eintritt in den geräumigen Innenraum fortsetzt. Das griffige Lenkrad ist die einzige Reminiszenz an selige Zeiten der klassisch-britischen Roadstermarke. Das ganze übrige Interieur zeigt, dass hier kein Copy-Shop etablierter Hersteller am Werk war.Die belüfteten und heizbaren Sitze – MG verweist gern auf italienisches Alcantara und deutsches Nappaleder – scheinen langstreckentauglich; alle Schalter, Kunststoffoberflächen und Hebel fassen sich so an, wie man das von den Produkten aus dem Premium-Regal des Volkswagen-Konzerns gewohnt ist. Mit denen gemeinsam fertigt SAIC „ja auch in China schon seit langem Fahrzeuge“, wie Lei betont. Abgekupfert wirkt aber rein gar nichts, auch wenn MG den chinesischen Marvel-Käufer gern darauf hinweist, dass das Vollaluminium-Chassis „gemeinsam mit einer deutschen Luxusautomobilmarke“ entwickelt und abgestimmt sei.Da mutet der gewaltige, leicht abgeschrägt unter der Mittelkonsole sitzende 19,4-Zollmonitor schon eher wie eine Interpretation des Tesla-Stils an. Ein echter Hingucker, der anders als im ZS auch nicht mit Einfachgrafiken bestückt ist. Der Touchscreen ist schick animiert und reagiert flott auf jeden Druck.Zum Test auf der Straße steht der Marvel R noch nicht bereit. In der Topversion für rund 50.000 Euro wird der Marvel beim Marktstart im Herbst von drei Elektromotoren angetrieben. Mit permanentem Allradantrieb und einer Maximalleistung von 288 PS ist in 4,9 Sekunden aus dem Stand die 100 km/h-Marke erreicht. Abgeriegelt wird erst bei Tempo 200. Die erreicht auch der heckgetriebene Version mit zwei Elektromotoren und 180 PS. Beide Marvel Varianten haben eine 70-kWh-Lithium-Ionen-Batterie mit Schnellladefähigkeit, ihren Saft können die MG auch an externe Geräte wieder abgeben.Keine Spitzenwerte erreichen die Chinesen bei der Reichweite. Maximale 402 Kilometer sind aber auch ganz ordentlich, zumal sich in einer Dreiviertelstunde der Akku wieder weitestgehend aufladen lässt. Und mit einer maximalen Anhängelast von 750 Kilogramm und 357 bis maximal rund 1.400 Liter Kofferraum spielt der Marvel auf Augenhöhe des ähnlich langen Jaguar iPace. Allerdings in einer deutlich anderen Preisklasse: Die Listenpreise des MG zwischen 40.000 und 50.000 Euro liegen mehrere 10.000 Euro unter denen des Jaguar, auch die ähnlich großen VW ID.4 und Hyundai Ioniq 5 sind mehr als 10.000 Euro entfernt, weil der Chinese schon in der Basis mit Panoramadach, elektrischer Heckklappe oder Wärmepumpe vorfährt.Die ganz coolen Argumente der schönen neuen Autowelt darf Matt Lei den europäischen Marvel-Interessenten allerdings noch gar nicht anbieten: In China, wo das Auto unter der Marke „Roewe“ angeboten wird, ist der Marvel auch schon autonom auf Level 3 unterwegs – also, ohne dass der Fahrer seine Hände am Lenkrad haben muss. Das ist bei uns noch nicht erlaubt. Und dort lernt der Marvel zudem mittels künstlicher Intelligenz, wo der Fahrer seinen Parkplatz hat. Der kann dann vor der Haustür aussteigen – und sein Auto per App selbstständig in die Garage um die nächste Ecke fahren lassen.MG Marvel R – Technische Daten: Fünftüriges, fünfsitziges SUV; Länge: 4,67 Meter, Breite: 1,92 Meter, Höhe: 1,62 Meter, Radstand: 2,80 Meter, Kofferraumvolumen: 357 bis maximal rund 1.639 Liter, Bis zu drei Elektromotoren, Zweigang-Automatik, Lithium-Ionen-Batterie mit 70 kWh, Gesamtleistung 132 kW/180 PS(Allrad: 212 kW/288 PS), maximales Drehmoment: 410 (665) Nm bei 0 U/min, 0-100 km/h: 7,9 (4,9) s, Vmax: 200 km/h (abgeregelt), Reichweite: 402 (370) km, Normverbrauch: k.A., DC-Schnellladen 5-80 %: 43 Min., CO2-Ausstoß: 0 g/km, Effizienzklasse: A+Preis: ab ca. 40.000 EuroMit dem Marvel R bringen die Chinesen ein Elektro-SUV auf den Markt, das ein echter Wettbewerber zu etablierten Qualitäts-Marken ist. Die Marvel-Macher wollen dabei nicht die deutschen Partner kopieren – freuen sich aber über manches „Made in Germany“.
Fazit
Mit dem Marvel R bringen die Chinesen ein Elektro-SUV auf den Markt, das ein echter Wettbewerber zu etablierten Qualitäts-Marken ist. Die Marvel-Macher wollen dabei nicht die deutschen Partner kopieren – freuen sich aber über manches „Made in Germany“.

Quelle: Autoplenum, 2021-06-29

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