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Testbericht

Benjamin Bessinger/SP-X, 7. Januar 2022
SP-X/Bad Beverungen. Mit auffälligen Autos kennt Florian Schade sich aus. Nicht umsonst verdient der PS-Fetischist aus dem Weserbergland sein Geld als Folierer und hat es damit wiederholt zum Beispiel auf die Motorshow in Essen gebracht. Doch was er heute aus der Garage in Beverungen holt, das sticht auch seinen kunterbunten beklebten VW Arteon aus, und sollte sich mal ein Lamborghini, Ferrari oder McLaren hier in die Provinz verirren, werden auch die Supersportwagen zu Schattenspielern. Schade hat für den amerikanischen Kleinserienhersteller Vanderhall den Deutschlandvertrieb übernommen und bittet jetzt zur ersten Ausfahrt mit dem mindestens 32.490 Euro teuren Venice.Auf den ersten Blick erinnert der offene Zweisitzer ein wenig an den Morgan Threewheeler. Wie das skurrile Relikt aus England ist der Venice ein Dreirad mit zwei Rädern vorne und einem hinten und dazwischen einem Einbaum für zwei Personen, die tief unten auf dem Asphalt kauern und sich nur mühsam hinter einen gläsernen Windabweiser ducken können.Doch erstens gibt’s im Venice bei 3,65 Metern Länge und 1,75 Metern Breite auch ohne Trauschein genug Platz für ein sittlich-moralisch unbedenkliches Nebeneinander, und zweitens – und das ist viel wichtiger als das bisschen mehr Komfort, die Sitzheizung, der Bluetooth-Sound, Tempomat oder die grimmigen LED-Brenner hinter dem Kühler – hat der Venice anders als der Morgan Frontantrieb und die wuchtige Walze an der breiten Schwinge im Heck läuft nur hinterher. Zwar ist er damit nicht ganz so agil und es fehlt ein wenig am Nervenkitzel, doch ist der Tanz mit dem umgekehrten Trike so auch nicht ganz so riskant: Statt auf Messers Schneide zu reiten, surft man mit dem Venice deshalb ganz easy dahin und schon nach wenigen Metern fühlt sich selbst die Weser-Uferstraße ein bisschen an wie der Pacific Coast Highway.Den Soundtrack dazu spielt ein 1,5 Liter großer Turbo, den wir als kreuzbraven Vierzylinder aus dem Opel Insigna kennen. Doch Vanderhall kitzelt ein bisschen mehr Leben aus dem ansonsten eher müden GM-Triebwerk. Nicht nur, dass schon das Basismodell 185 PS bietet und mit neuen Chips auch Upgrades auf 220 oder 250 PS drin sind. Zudem faucht und schnauft der Turbo jetzt bei jedem Gasstoß wie eine Natter vor dem Angriff und bläst den Druck danach genauso spektakulär wieder ab.Allerdings passt das Fahrverhalten nur bedingt zu dem Krawall: Denn auch wenn der 1,5 Liter bei 280 Nm mit den gerade mal 640 Kilo des Venice leichtes Spiel haben sollte, geht viel vom Elan in den Untiefen der sechsstufigen GM-Automatik verloren und es dauert ein bisschen, bis das Dreirad auf Touren kommt. Giftig jedenfalls ist anders. Aber mit etwas Geduld geht es dann doch ordentlich zur Sache. Der Wind pfeift einem um die Ohren, die Hand legt sich automatisch über die silberne Billardkugel neben dem Knie, mit der man –klack, klack eins rauf, klack, klack eines runter – dem Getriebe den Takt vorgibt. Und mit jeder Minute gehen die Mundwinkel weiter nach oben. Wer da sein Grinsen nicht im Griff hat, wird bei 240 km/h Top-Speed schnell zum Fliegenfänger und muss sich später die Kadaver aus den Zahnlücken puhlen.Auch wenn der Venice für Morgan-Fans schon so etwas ist wie der Maybach unter den Threewheelern, haben die Amis ein Herz für Herren im höheren Alter, mit steifen Knochen und breiten Hüften. Wem auch der Venice zu eng ist, dem verkaufen sie deshalb für gute 10.000 Euro mehr auch den Carmel. Der ist ein paar Zentimeter weiter geschnitten, statt über die Brüstung zu klettern, steigt man durch hinten angeschlagene Türen. Und weil das Wetter an der Weser nicht ganz so zuverlässig ist wie am Pazifik, gibt es für den Carmel sogar eine Art Hardtop, das über die beiden Sitze gesteckt wird.Zwar ist die Idee vom Dreirad ziemlich alt, lassen sich die Wurzeln des Vanderhall doch zurückverfolgen bis zum ersten Morgan Threewheeler vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Doch haben die Amerikaner daraus nicht nur ein bequemeres Auto mit etwas – nun ja – berechenbareren Fahreigenschaften gemacht. Sie gehen auch mit der Zeit und haben deshalb eine mittlerweile offenbar unvermeidliche Elektroversion am Start. Die wird zwar gerade noch einmal komplett umgekrempelt und dabei mit eigenen Motoren bestückt, verspricht dann aber für knapp 47.000 Euro mit zwei Mal 52 kW/70 PS, bis zu 170 km/h und rund 300 Kilometer Reichweite.Aber das ist nicht die einzige große Neuerung, an der sie drüben in Provo im US-Staat Utah tüfteln. Parallel dazu arbeiten die Amerikaner auch an einem urtümlichen Offroader, der – natürlich ebenfalls elektrisch – als Brawley im nächsten Jahr als Mischung aus Jeep Wrangler und Toyota Land Cruiser zu Preisen ab 35.000 Dollar mit über 400 PS und ebenfalls mehr als 300 Kilometern Reichweite an den Start gehen soll. Dann heißt es in Provo allerdings nicht mehr, aller guten Dinge sind drei. Sondern dann lautet die Botschaft plötzlich: Vier gewinnt.Eigentlich sind Dreiräder nur was für kleine Kinder. Es sei denn, sie kommen zum Beispiel vom US-Hersteller Vanderhall. Denn groß wie ein Auto und bis zu 250 PS stark, sind sie das perfekte Spielzeug für große Jungs.
Fazit
Eigentlich sind Dreiräder nur was für kleine Kinder. Es sei denn, sie kommen zum Beispiel vom US-Hersteller Vanderhall. Denn groß wie ein Auto und bis zu 250 PS stark, sind sie das perfekte Spielzeug für große Jungs.

Quelle: Autoplenum, 2022-01-07

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