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Testbericht

Sebastian Viehmann, 2. Februar 2011
Die Mutter aller Rallyes wird 100. Zum Jubiläum drehten die Boliden von einst bei der historischen Rallye Monte Carlo noch einmal richtig auf. Bei Mini saß genau wie 1967 der „fliegende Finne“ am Steuer und kämpfte sich durch den Schnee.

Zehn Zentimeter Schnee liegen auf der Straße, dicke Flocken tanzen im Scheinwerferlicht. Rechts erhebt sich drohend die Felswand, und links sieht es nicht besser aus: „Wir haben null Traktion und mehrere hundert Meter Abhang neben uns“, ruft Rauno Aaltonen. Der „fliegende Finne“ sitzt wieder hinter dem Steuer eines Mini Cooper S und prügelt den Wagen mit höchsten Drehzahlen durch die Berge – genau wie 1967, als Aaltonen die Rallye Monte Carlo gewann. Im Schnee schaltet er dann doch ein paar Gänge zurück, denn das Team hat heute nicht die passenden Reifen dabei.

Nach tausenden Kilometern und tagelangen Strapazen – gestartet war der historische Mini in Marrakesch – fahren Aaltonen und sein Copilot ins Ziel. Der Finne sieht erschöpft aus, aber auch hochzufrieden. „Wir mussten schon richtig kämpfen, es war genau wie damals“, sagt die Rallye-Legende. Manches hat sich natürlich schon geändert: „Damals war der Mini extrem unkomfortabel, heute hat der Wagen moderne Stoßdämpfer. Deshalb habe ich jetzt auch keine Kopfschmerzen“, grinst Rauno Aaltonen.

Die Rallye Monte Carlo Historique ist ein Tummelplatz für Klassiker. Für all die Minis, Renault Alpines, 02er BMWs und Lancia Fulvias, die schon vor Jahrzehnten die Menschen am Streckenrand begeisterten. 328 Teams hatten am 26. Januar ihre Boliden geentert, eine Woche nach der normalen Rallye Monte Carlo. Der Startschuss fiel an fünf verschiedenen Orten von Glasgow über Reims bis Marrakesch. Während der Rallye gab es zahlreiche Ausfälle und Pannen, was für die „Monte“ freilich total normal ist. „In den 60ern hatten wir für drei Fahrzeuge 1200 Reifen auf Felgen dabei“, erinnert sich Rauno Aaltonen.

Die „Monte“ ist zwar nicht die älteste Wettfahrt der Automobilgeschichte, aber sie gilt als Mutter aller Rallyes. Es beginnt ganz bescheiden im Jahr 1911, als Fürst Albert I. eine Sternfahrt in sein Mini-Reich am Meer ins Leben ruft. Der Franzose Henri Louis Rougier wird erster Sieger. Die wilde Fahrt mit ihren haarigen Gebirgsstrecken sowie den unberechenbaren Straßen- und Witterungsverhältnissen wird zum Publikumsrenner. Sie findet sich in Hollywood-Filmen wieder und ist für ehrgeizige Piloten Prestige pur. Wer bei der Monte triumphiert, der wird weltweit wahrgenommen. Ob Audi oder Mini, Lancia oder Peugeot, Porsche, Subaru oder Wartburg: Fast jede Automarke lässt sich irgendwann auf das Abenteuer ein.

Bei der Hatz durch die Seealpen haben viele Piloten ihre eigene Technik entwickelt. Manche katapultieren ihre Autos regelrecht um die Kurven und nutzen dabei Schneewehen als Bande. Ein Stil, den Rallye-Legende Walter Röhrl immer gehasst hat: Er zirkelte stattdessen 1984 seinen 360 PS starken Audi Quattro mit rasanten, aber flüssigen und minutiös dosierten Lenkbewegungen um die Kurven. „Bei der Monte darfst du keine Schneemauern mitnehmen, da können Felswände dahinter sein. Das waren die Skandinavier nicht gewohnt, deshalb konnte man sie mit präzisem Fahren so leicht schlagen“, erinnert sich der zweifache Rallye-Weltmeister. Röhrl und sein Copilot Christian Geistdörfer siegten gleich viermal bei der Monte: 1980 mit einem Fiat 131, 1982 mit einem Opel Ascona 400, 1983 mit einem Lancia Rallye 037 und schließlich 1984 mit dem Audi Rallye Quattro A2.

Aber auch die Skandinavier hatten ihre großen Momente bei der Monte. Der Schwede Erik Carlsson - bekannt als „Carlsson auf dem Dach“ – gewann die anspruchsvolle Rallye 1962 und 1963 mit einem Saab 96. Die ersten Saab-Renner hatten lediglich kleine Zweitaktmotoren. Carlsson glich den PS-Nachteil mit einer speziellen Fahrtechnik aus. Da der Motor permanent auf Drehzahl gehalten werden musste, bremste Carlsson mit dem linken Fuß, der rechte blieb auf dem Gas. Auf diese Weise konnte er das geringe Gewicht und die Wendigkeit des Saab optimal ausnutzen.

So waren es gerade die vermeintlichen Underdogs, die bei der Rallye Monte Carlo die Menschen am Streckenrand besonders begeistert haben. „Man brauchte auf der Strecke ungefähr anderthalb mal soviel Platz, wie das Auto breit war“, erinnert sich Rauno Aaltonen. Da hatte ein Wagen wie der Ur-Mini natürlich entscheidende Vorteile, selbst wenn er durch die gewaltige Zusatzscheinwerfer-Batterie an der Haube etwas kopflastig wurde.

Auch Aaltonens damaliger Mini-Kollege Paddy Hopkirk, der schon 1964 im Cooper S die Rallye gewann, erinnert sich mit leuchtenden Augen an die Monte. Als der Ire den Sieg holte, trudelten Gückwunsch-Telegramme vom britischen Premierminister und sogar von den Beatles ein. „Eigentlich hat sich seit damals ja nicht viel verändert“, meint Hopkirk: „Immer noch geben 300 Verrückte Vollgas, um ins Ziel zu kommen.“

Quelle: Autoplenum, 2011-02-02

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