Erfahrungsbericht SsangYong Musso 2.9 TD (120 PS) von Anonymous, Mai 2008
Ein Musso ist anders und er ist sehr selten geworden. Der erste Versuch des koreanischen Herstellers mit einem eigentlich typisch englisch gestyltem Geländewagen in Deutschland richtig Fuß zu fassen hätte durchaus besser gelingen können. Am Auto selbst lag es mit Sicherheit nicht!
Aufgrund der Verwendung europäischer Technologie, ob nun als Lizenzbau oder als eingesetzte OEM-Variante, kann man über die Technik von vor 10 Jahren nun wirklich nicht meckern. Der 5-Zylinder-"Taxi"-Diesel von Mercedes hat allerdings deutlich Mühe, dem Musso gerecht zu werden, dies kann der 6-Zylinder-Benziner wahrscheinlich deutlich besser, allerdings mit entsprechendem Express-Zuschlag an der Tankstelle.
Schön an diesem Auto war immer das Gefühl von Platz im Innenraum. Normal auf dem Fahrersitz sitzend, erreicht man nur mit Mühe die Beifahrertür. Hinter dem Fahrer breitet sich eine gewisse gefühlte "Endlosigkeit" aus, was allerdings relativ zu sehen ist und wohl auch der gehörigen Fahrzeughöhe zuzuschreiben ist. In Punkto Übersichtlichkeit gab es nie etwas zu bemängeln, weder beim Einparken oder bei Einfahren in die Garage. Die Karosserie ist sehr robust und steif, dafür sorgt der Leiterrahmen.
Motor und Getriebe sind eine ganz harmonische Einheit, mit einer typischen Anfahrschwäche. Diese ist allerdings bei weitem nicht so stark ausgeprägt, was wohl dem eher als groß zu bezeichnenden Hubraum des Motors zuzuschreiben ist, der seiner Leistung nach eigentlich nur halb so groß sein dürfte. Der Fünfzylinder arbeitet sehr zuverlässig und berechenbar, ein Spurtkünstler ist er keineswegs, aber er sorgt für ausreichend Vortrieb und Leistung im normalen Alltagsbetrieb. Es gilt die alte Regel, Hubraum ist durch nichts zu überbieten, egal ob der Wagen voll beladen ist oder nur mit dem Fahrer besetzt ist, die Fahrleistungen sind eigentlich immer die Gleichen. Wie auch der Verbrauch. 10 Liter im Durchschnitt sollte man dem Diesel gönnen, viel mehr wird es auch nicht, aber auch nicht weniger. Mit diesem Motor wird man das Auto nicht im Bereich der Höchstgeschwindigkeit fahren, es wird verhältnismäßig laut.
Der Musso war immer ein sehr komfortabler und verlässlicher Gefährte, wenn er nicht an der Leistungsgrenze betrieben wird. Er gibt das Gefühl von Sicherheit wie in einer Burg, dieses Gefühl gab mir nie wieder ein Geländewagen. Dazu gehört zum Beispiel ein leicht majestätisches Nachwippen beim Anhalten an der Ampel. Wer französisch weich gefederte Autos liebt, der sollte den Musso mal probieren. Das hat natürlich auch Nachteile. Den Kontakt zur Fahrbahn hat man nicht jederzeit, vor allem bei Schnee und Eis.
Der Antrieb ist ganz ok. Bis etwa 80km/h kann man Allrad dazuschalten, sonst fährt man den Wagen besser nur mit Hinterradantrieb. Das ist der Technik geschuldet, im Allradbetrieb verspannt der Wagen sehr stark wegen des dann starren Antriebsstrangs und bäumt sich förmlich auf. Zuschaltbarer Allradantrieb ist nun mal keine vollwertige Alternative, gibt aber auf witterungsbedingt schlechten Straßen, vor allem bei Schnee nicht nur das Gefühl von mehr Traktion und Sicherheit. Man darf es aber auch nicht übertreiben. Bei extremen Matsch und sehr schlüpfrigem Untergrund beginnt der Wagen irgendwann aus der Spur zu laufen oder sich zu drehen, bleibt aber jederzeit kontrollierbar. Auch Allrad kann nicht gegen physikalische Gesetze ankämpfen. Das kann auch zu brenzlichen Situationen führen. Mein Musso brach einmal bei Tempo 25 und neuen Allwetterreifen in einer 90Grad-Rechtskurve aus und war eigentlich durch nix mehr zu halten. Ich stand auf der Bremse und lenkte, das ABS ratterte, aber der Wagen rutschte einfach weiter geradeaus in eine Schneewehe. 500 kg mehr Leergewicht machen eine ganze Menge aus...
Das Wageninnere ist im typischen 80er-Jahre-Stil verarbeitet. Alles ist an seinem Platz und ist das sehr bequeme Gestühl entsprechend richtig eingestellt, lassen sich alle Schalter und Tasten problemlos erreichen. ESP gibts nicht, aber ABS ist Standard ebenso wie allerlei elektrische Helferlein. Platz hat der Wagen in Hülle und Fülle, auch auf den hinteren Plätzen und vor allem wenn man mal etwas mehr transportieren möchte. Es war nie ein Problem mit dem Musso.
Als genial empfand ich die geschwindigkeitsabhängige Intervallautomatik der Frontscheibenwischer. Absolut erschreckend war für mich nach dem Umstieg auf den Musso das mickrige Abblendlicht. Die Frontscheinwerfer benutzen nur 2 Glühlampen der Hauptscheinwerfer für das Abblendlicht, hingegen aber 4 Glühlampen für ein königliches Fernlicht. Aber wann braucht man dies mal? Ich rüstete meinen Wagen dann um auf 4-Lampen-Abblendlicht, was die Situation deutlich verbesserte. Die Bremsen sind ebenfalls unterdimensioniert, man gewöhnt sich aber daran. Absolut unzureichend sind die Hilfstrommeln der Hinterräder für die Handbremse (der Wagen hat an allen vier Rädern Scheibenbremsen). Bei mehr als 10 Grad Neigung wird der Wagen nicht stabil stehen, da kann man die Handbremse noch so sehr anziehen. Es wird sich nur der Bowdenzug immer mehr längen. Vorlegekeile sind zwar nicht üblich, aber helfen dagegen...
Sämtliche Bedienelemente sind logisch angeordnet, bis auf den Drehschalter für das Umschalten der Antriebsart, der sitzt etwas versteckt. Die Verarbeitung des Wagens ist gut, ich kaufte den Wagen gebraucht mit 20 tkm, nach 4 Jahren waren bis auf leichte Kratzspuren an den grauen Plastikabdeckungen im Hinterraum durch meinen Hund und kleinere Steinschlagschäden kein Rost oder ähnliche Zeichen der Zeit zu entdecken. Auch keinerlei Ölverlust oder Undichtigkeiten. Kaputt ging eigentlich nie etwas, bis auf einen kapitalen selbst verschuldeten Schaden. Nach dreistündiger Autobahnfahrt mit Höchstgeschwindigkeit hißte das Verteilergetriebe die weiße Flagge. Der Wagen rollte aus. Aber im 4WD-Modus wurden dann wenigstens noch die Vorderräder angetrieben, allerdings ging es auch nicht mehr rückwärts. Aufgrund des Restwertes des Wagens war eine Reparatur eigentlich zu teuer und ich trennte mich eigentlich sehr wegmütig von einem schönen, fast perfekten Auto. Wenn man nicht verwöhnt ist und Freund robuster Allradler ist, dann ist dieser Wagen eine perfekte Alternative zu einem Pajero oder Frontera. Der Musso ist ein Auto für den Individualisten, nicht für den Perfektionisten. Musso heißt Büffel, und genauso hartnäckig ist dieser Wagen. Bekommt er Pflege und Zuwendung, wird er seinen Halter lange begleiten.
Als Käufer sollte man sich auf keinen Fall abschrecken lassen. Wenn man für diesen Wagen Sympathie empfindet, sollte man ihn ausgiebig testen. Er ist zuverlässig und verhältnismäßig sparsam, allerdings umwelttechnisch nun nicht mehr ganz zeitgemäß und teuer in der Steuer. Eine faire Werkstatt sollte man zur Sicherheit aber in der Nähe haben. Wenn er fachmännisch gepflegt und nicht am Limit betrieben wird, hat man mit Sicherheit sehr viel Freude an ihm. Für Anhängerfreaks ist dieser Wagen aufgrund seiner hohen Anhängelast ein Geheimtipp.