Da das hier noch keiner gemacht hat, wollte ich Mal einen Erfahrungsbericht über die erste Marbellaserie schreiben.
Ich fahre solch` ein Fahrzeug nun schon seit 3 Jahren, weswegen ich euch ein bisschen Hintergrundwissen geben kann.
Mein Fahrzeug ist ein Seat Marbella Black, mit 843ccm Hubraum und nicht ganz 40 PS.
Dann gleich mal vorweg: Wer Fahranfänger ist oder nicht selber schrauben kann oder will, sollte grundsätzlich seine Finger von der ersten Serie lassen!
Technik:
Beim ersten Modell mit der 843er Maschine haben wir es mit absoluter Oldtimertechnik zu tun, weshalb ich schon erwähnte, dass dieses Auto nichts für Nicht-Hobbyschrauber ist. Der Motor verlangt nach Superbenzin, aber dafür kann man noch verbleites(!) Benzin tanken.
Wir haben bei diesem Fahrzeug 8 Ventile, die regelmäßig eingestellt werden wollen und eine verschleißfreudige Kontaktzündung die oft nach Aufmerksamkeit verlangt. Übrigens: Der Grund, warum viele Marbellas nicht vernünftig laufen, ist eine falsch eingestellte/verschlissene Zündung (komplette Zündverteiler gibt es nicht mehr neu).
Dann muss je nach Temperatur der Luftfilterkastendeckel abgenommen und um 180° gedreht wieder angebaut werden, weil dieser Motor keine Steuergeräte besitzt und deshalb nicht selbstständig Warmluft zuführen kann. Das ist der Grund, warum viele im Winter Probleme mit Ihrer Bella haben (Vergaservereisung etc.).
Dann kommen wir gleich zur Gemischaufbereitung: Der Weber-Vergaser ist sehr zuverlässig, es gibt aber nur noch auf Schrottplätzen Ersatzteile. Übrigens: wenn jemand den Luftfilterkasten zu fest angeschraubt hat, frisst sich das Gewinde am Vergaser raus, weswegen der Luftfilterkasten hängt. Wie gesagt, neue Vergaserteile gibt es nicht mehr!
Dann wurden viele Bellas gern "getreten" weswegen meistens die Kopfdichtung kaputt ist (ja, der 843er schafft, wenn er gut gewartet ist, kurzzeitig 150 Km/H auf der Bahn). Das erkennt man an viel gelblichen Schleim im Öleinfüllstutzen und und daran, das die Heizung unter wenig Motorbelastung ausfällt. By the way: Der Motor hat noch einen Choke, der im kalten Zustand zum Starten betätigt werden muss! Deswegen kann man sich nicht auf weißen Qualm verlassen, um feststellen zu wollen, ob die Kopfdichtung kaputt ist. Wer mehr wissen möchte, kann sich noch einige Sachen in speziellen Marbella/Seatforen erfragen.
Karosserie:
Über das Design wollen wir uns hier Mal nicht streiten. Das ist sowieso alles Geschmackssache und ich glaube die Schwachstellen sind eher die Sachen, die man wissen sollte. Übrigens finde ich das Styling des Marbella sehr gelungen und schöner als das des Panda!
Ob man es glaubt oder nicht, aber bei den ältesten Marbellas rostet die Karosserie am geringsten. Aber natürlich machen sie und ihre Anbauteile das. Am gefährdetsten sind die sogenannten "Dreiecke". Das ist die Klebeverbindung zwischen Kotflügel und A-Säule. Der Kleber wird über die Jahre rissig, und der Wagen fängt dort an, kräftig zu "blühen". Das kann man aber noch sehr gut erkennen. Viel wichtiger sind die Stoßstangenhalter. Bei den meisten alten Bellas sind die Halterungen besonders vorn nur noch so stabil wie Lehm, wegen des Gammels. Ansonsten rostet der Tank gerne noch durch. Das erkennt man leicht daran, das der Wagen stark nach Sprit stinkt. Bei wenig gepflegten Wagen rosten die Türunterkanten und die Schweller gern. Das gilt wie gesagt nur für die erste Serie! Beim SPI wurde stark an der Karosserie gespart, weswegen diese Fahrzeuge oft verrosteter sind, als ihre 10 Jahre älteren Artgenossen. Weiteres kann man sich in Foren erfragen.
Sicherheit:
Das dieses Fahrzeug nicht gerade das Sicherste ist, muss ich glaube ich nicht groß sagen. Aber was will man schon von einem 20 Jahre alten Billig-Kleinwagen erwarten? Außer Sicherheitsgurten, ist eigentlich nichts weiter an Sicherheitskomponenten vorhanden. Man hat wenigsten vorne eine Knautschzone, in der Größe wie beim Polo I und II. Der Plastikrammschutz an der Seite hält höchstwahrscheinlich nur Fußgänger ab und die Knautschzone ist hinten auch sehr dürftig.
Fahrleistung:
Die Höchstgeschwindigkeit beträgt, je nach Einstellungs/Pflegezustand der Maschine 150 bis 160 Km/H, dies aber nur kurz (Kopfdichtung!). Der Motor hat keinen Drehzahlbegrenzer, weswegen man ihn im Stand hochjagen könnte. Empfohlene Höchstgeschwindigkeit: 120 bis 130 Km/H. Deshalb sollte man die Schaltvorgaben auf dem Tacho (kleine orangene Kreise) unbedingt beachten (Kreis=maximale Drehzahl vor Motorschaden).
Der Wagen neigt eher zum Unter, als zum Übersteuern. Die Lenkung ist sehr direkt und insgesamt kann man sagen, das das Fahrzeug sehr ehrlich ist. Will heißen: man bekommt sofort mit, wenn der Wagen ausbrechen will usw. Der Wagen schafft den Sprint von 0 auf 100 in ca. 20 Sekunden.
Was man noch unbedingt erwähnen sollte: Das 4 Gang Getriebe ist sehr Haltbar, mit dem muss man aber erst umgehen können. Es befinden sich keine Gangangaben auf dem Schaltknauf. Die 4 Vorwärtsgänge sind für Laien sehr schwer zu treffen und müssen mit Gefühl eingelegt werden. Der Rückwärtsgang ist zualledem noch unsynchronisiert! Deswegen ist der Wagen nichts für Fahranfänger!
Die Bremsen packen, insofern sie in Ordnung sind hervorragend, dafür das man keinen Bremskraftverstärker an Bord hat. Bei guten Bremsen sollte bei etwas mehr als dem halben Bremspedalweg eine Vollbremsung mit blockierenden (da kein ABS) Rädern zustande kommen.
Ausstattung:
Die Ausstattung besteht aus 2 Campingstühlen vorn, und einer Hängematte als Rücksitzbank, die alle gern durchgesessen sind. Ein Radio gab es nicht Serienmäßig, und die Nachrüstanlagen sehen immer etwas improvisiert aus, bzw. sind dies auch. Man hat noch 2 Schlüssel. Einen für den Tankdeckel und das Zündschloß und einen für die Türen. Teppich gab es nur in der "Luxus" GLX/CLX-Version. Die anderen Modellreihen müssen sich mit Lenoleum begnügen. Das Fahrzeug hat Standardmäßig keine Kippschalterbeleuchtung und ein Handschuhfach, das einer Regenrinne gleicht. Das Standardlenkrad ist sehr hart und bleibt im Winter immer kalt. Nur das Lenkrad der Luxusversionen ist immer angenehm anzufassen (Billiglenkrad: nur das Seatemblem auf dem Hupknopf, Luxuslenkrad: Seat voll ausgeschrieben auf dem Hupknopf). Die Heckscheibenheizung ist zum Glück Standard, nicht wie die Heck Wisch-Waschanlage, die wieder nur der Luxusvariante vorbehalten blieb. Vorn hat man einen Einarmwischer, der die Sichtfläche gut freihält. Die Heizung heizt, sofern die Kopfdichtung heile, der Heizungkasten nicht verstopft und der Kühlkreislauf richtig entlüftet ist, hervorragend. kurz nach dem Start des kalten Motors kommt schon heiße Luft. Mehr Ausstattung hat der Wagen eigentlich auch nicht. Btw.: Wer einen richtigen Luxusmarbella sehen will, sollte im Internet nach dem Seat Marbella "Playa" suchen (der nie in Deutschland verkauft wurde).
Alltagstauglichkeit:
Wenn die Wartungsintervalle eingehalten werden, kann man mit diesem Fahrzeug bedenkenlos weite Strecken zurücklegen. Bei korrekter Bedienung und guter Technik springt der Wagen auch im Winter auf Schlag an. Der Kofferraum wird für die Kleinstwagenklasse Gigantisch, wenn man die Rücksitzhängematte aushängt. Also kann man durchaus auch den Großeinkauf einer größeren Familie befördern. Da die Heizung gut ist, ist ein Winterbetrieb auch unproblematisch. Insgesamt lässt sich sagen, das ein guter Marbella der ersten Serie, ein hervorragender Weggefährte des Alltags ist, es sei denn, man wohnt in einer Umweltzone, weil das Fahrzeug keinen Kat besitzt.
Kosten:
Die Kfz-steuer für dieses Fahrzeug ist, da es keinen Kat besitzt (nur erste Serie) extrem happig (knapp 220). Dafür ist die Versicherung etwas günstiger (ca.35/Monat) und der Wagen hat einen Verbrauch von ca. 4 bis 5 Litern auf Hundert Kilometern, wenn alles richtig eingestellt ist.
Fazit:
Für Hobbyschrauber, die einen alltagstauglichen Youngtimer suchen, der nicht allzuviel kostet, ist die erste Serie auch erste Wahl. Die Karosse rostet nicht allzustark und der Wagen besitzt die sogenannte "Bauerntechnik", d.H. man kann mit Ahnung viel und sehr günstig selber machen. Für Fahranfänger und welche, die nicht gern Schrauben, lässt sich nur sagen: "Finger weg!".
Man bekommt bei Marbellas das, wofür man zahlt. Man kann sich denken, wie gut in Schuss ein Marbella ist, der mit 4 neuen Reifen 200 kostet ;-P. Übrigens sollte man zur Zeit nicht mehr als 800 bis 1000 für einen Marbella ausgeben. Und 1000 nur dann, wenn es ein absolutes Topexemplar mit 2 Jahren TÜV und ASU ist, welches überhaupt keine Mängel besitzt! Alles über 1000 ist zur Zeit abzocke!
P.S.: Genaueres kann sich in den vielen spezialisierten Foren für dieses Fahrzeug erfragt werden.