Erfahrungsbericht SEAT Leon Cupra (300 PS) von SteinerSP, August 2022
Ich habe meinen Cupra heute, nach 2 Jahren intensiver Nutzung, wieder abgegeben. Der Leasingvertrag lief aus und der Abschied ist mir nicht leichtgefallen, denn ich habe den Wagen ins Herz geschlossen, wie kaum Einen zuvor. Nach diesen Erfahrungen traue ich mir eine Beurteilung zu.
Pros:
Fahrdynamik!
- Die Beschleunigung ist für einen Wagen dieses Preissegmentes brachial. Keinerlei Schlupf beim Anfahren, selbst bei moderat nasser Straße, dank Allrad. Ähnlich motorisierte Fahrzeuge mit Frontantrieb haben im Vergleich auf den ersten Metern keine Chance.
- Selbst bei Tempo 200 herrscht noch ordentlich Vortrieb; man merkt, dass der Wagen es auch will. Erst ab ca. 230 wird es etwas weniger wild.
- Die Straßenlage erlaubt ordentliche Querbeschleunigung, die eher zu einem Sportwagen, als zu einem Kombi passt. Hat man mal ein wenig übers Limit gepusht, dann geht er nur geringfügig quer und bleibt beherrschbar. Bei den Kollegen aus München und Stuttgart habe ich da schon ganz andere Sachen erlebt, allerdings hatten die auch Heckantrieb.
Sicherheit
- Die Assistenzsysteme liefern erstklassige Arbeit. Lediglich die Warnung vor einem Auffahrunfall ist gelegentlich etwas nervös und piepst schon mal vor einer im Grunde harmlosen Situation. Kommt aber selten vor.
- Der Wagen hat ein angenehm neutrales Fahrverhalten, neigt im Grenzbereich aber ein klein wenig zum Untersteuern. Bleibt dadurch aber stets beherrschbar.
Komfort
- Meine Ausführung hatte Alcantara-Sitze mit ausreichend Seitenhalt. Erst auf längeren Fahrten habe ich die Qualität und Verarbeitung der vorderen Sitze so richtig schätzen gelernt. Super bequem und ergonomisch, so dass ich auch nach 5-6 Stunden Autobahn keinerlei Probleme bekommen hatte. Das kenne ich sonst nur aus dem Premium-Segment.
Emotion
- Christian Menzel hat den Cupra mal für AM&S getestet und kam zu einem sehr positiven Fazit. Allerdings schob er noch nach, dass dem Wagen etwas mehr „emoción“ gut tun würde. Wenn man kurz vorher einen 911er gefahren ist, dann ist das sicherlich nachvollziehbar. Natürlich ist der Seat kein Supersportler und sieht auch nicht aus, wie ein Sternenzerstörer. Bei den Ansprüchen ist man in dieser Preisklasse vermutlich besser mit einem Honda Civic Type R bedient. Allerdings erwarten Passanten dann auch stets, dass der Fahrer das Cappie quer trägt und die rutschende Trainingshose hochzieht, wenn er aussteigt. Für mich (Generation ü40) wäre das eher peinlich, weshalb ich mich damals gegen den Civic entschieden hatte; und habe es nie bereut. Der Leon ist eher ein Wolf im Schafspelz und versprüht trotzdem emoción satt, jedenfalls in meiner kleinen Welt. Es gab so manchen Tag, wo er mir nach einem anstrengenden Arbeitstag instant ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat.
Cons:
Verbrauch
- Seien wir ehrlich: wer sich bewusst für ein Fahrzeug mit 300 PS entscheidet, der wird den Wagen nicht bewegen, wie Opa mit Hut. Dementsprechend wird der Verbrauch meistens etwas höher ausfallen, als in den Werksangaben. Allerdings klaffte bei mir schon eine erhebliche Lücke. Die von SEAT suggerierten 7,1l gemittelten Verbrauch auf 100 Km habe ich nie erreicht. Selbst mit Tempomat auf 120 durch Belgien bin ich nicht unter 8l gekommen. Im Mittel waren es eher 11-12l, allerdings mit einem ordentlichen Anteil Stadtverkehr. Gibt man ihm die Sporen, dann kann der Verbrauch auch schon mal über 15l klettern.
Fahrkomfort
- Die Federung ist schon ziemlich hart. Wer die Fahrbahn spüren will, dem gefällt es. Meinen Eltern gefiel es z.B. nicht. Die sind allerdings auch Daimler Limousinen mit Komfort-Dämpfern gewöhnt.
Navigation
- Das Navi ist .... an einem guten Tag gerade noch brauchbar. Aber ich erinnere mich an viele Gelegenheiten, wo uns das Navi sprachlos zurückgelassen hat. Zwischen genervtem Stöhnen und ungläubigem Lachen hatten wir das ganze Spektrum an Reaktionen. Ernsthaft: mein Tom-Tom Navi von 2008 war deutlich besser.
Kofferraum
- Die vorderen 2/3 des Wagens habe ich als sehr wertig und gut verarbeitet empfunden. Im Kofferraum endet dieser Eindruck allerdings. Der Teppich wirkt billig und angreifbar. Bereits nach wenigen Wochen sah meiner aus, als wäre er jahrelang in Benutzung gewesen. Heckklappe (innen) und äußere Verkleidung sind aus Hartplastik und wirken etwas billig, als wäre an der Stelle das Budget erschöpft gewesen. Ein kleines, abnehmbares Seitenelement war bereits nach wenigen Monaten locker und fiel dann gelegentlich ab. Leider gibt es nur ein einsames schummriges Licht. Stellt man dort eine Tasche o.ä. davor, so geht die Beleuchtung im Kofferraum hart gegen null. Das geht deutlich besser, z.B. mit einer zweiten Lampe.
Bremsen
- Vorsicht, jetzt kommt Jammern auf ganz hohem Niveau! Obwohl die Bremsen 99% der Zeit einen mehr als ordentlichen Job machen, haben sie mich an einer Stelle enttäuscht. Bereits nach einer Runde auf der Nordschleife stellte sich Fading ein. Nach zwei Runden Attacke wurden die Bremsen so heiß, dass sie qualmten und das Bremspedal immer länger wurde (und damit auch die Bremswege). Insbesondere im Heckbereich waren die Scheiben dann massiv überfordert und der Aufgabe nicht mehr gewachsen. Ich muss dazu sagen, dass in meinem Cupra keine Brembo-Bremsen verbaut wurden. Deshalb kann ich zu diesen Ausführungen nichts sagen.
Ein Kollege, der zeitgleich mit einer Alpine A310 unterwegs war, sagte mir hinterher, dass seine Bremsen nach 1-2 Runden erst warm waren und dann so richtig giftig wurden. :-)
Fazit:
Ich hatte ein günstiges Leasingmodell und durch die relativ kurze Laufzeit (2 Jahre) keine Kosten durch Verschleißteile (Bremsen, Reifen, etc.). Die Wartungskosten waren bei einer Laufleistung von ca. 9.000 Km p.a. ebenfalls überschaubar. Zwei Inspektionen zu jeweils ca. 300€ habe ich als sehr fair empfunden. Fährt man den Wagen länger als 2 Jahre, so sollte man sich vorher über die zu erwartenden Zusatz-Kosten informieren! Auch über das Thema Gewährleistung sollte man sich dann Gedanken machen.
Würde ich wieder einen Seat Leon Cupra ST fahren wollen?
Die Antwort ist ein klares ‚JA‘! Allerdings ist das, wie so vieles im Leben, vom Preis abhängig. Die Kosten für Privatleasing sind seit 2020 massiv gestiegen. Habe ich den Cupra noch für 299 € monatlich geschossen, so wären - Stand heute - eher 450-600 € zu veranschlagen. Tendenz: steigend!