Erfahrungsbericht Mitsubishi Carisma 1.8 GDI (125 PS) von Anonymous, August 2019
Hatte einen der allerersten GDIs - einen LX vom November 1997 - mit dem schnittigen Fließheck und der großen Heckklappe.
Raummäßig war das Ding echt BOMBE! Einen Wagen mit einer ebenso großzügigen Raumausnutzung bei gleicher Größe war damals einfach nicht drin. Allerdings empfand ich die Innenraumanmutung leider etwas billig und überhaupt nicht schön eingepasst und auch eine Rippe der Belüftung brach eines Tages einfach weg (bin anscheinend nicht der einzige, dem das so geht), was auch für die Verschlussnase der Klappe des Staufaches oberhalb des Radios gilt. Allerdings hatte ich nie ein störendes Klappern oder Knarzen.
Die Schalter gaben allerdings eine gute Rückmeldung und machten haptisch einen guten Eindruck. Die Verstellung der Umluftklappe war zwar etwas schwer, allerdings schloss diese immer mit einem sanften, dumpfen und genugtuenden "wump".
Die Klima war allerdings - trotz Pflege - nicht von der haltbaren Sorte, weshalb diese bei rund 220.000 mit allem drum und dran rausflog.
Der Stickoxydspeicherkatalysator (versucht das mal bei Scrable) war bei 270.000 fällig, mitsamt dem Auspuff und Flexrohr. Ja, richtig gelesen, erst bei 270k war der Auspuff fällig, welcher noch der originale war - ich schwör's! Ich weiß gar nicht, wieso sich so viele über den Auspuff aufregen, aber ich kann mir vorstellen, dass viel Kurzstrecke daran einen nicht ganz so kleinen Anteil daran hat. Autos halten halt länger, wenn man nicht andauernd nur 2-3 km zum Supermarkt damit fährt. Der Kat wurde allerdings schon vom Vorbesitzer gewechselt und verwies auf das Jahr 2000.
Überrascht hat mich allerdings die Verarbeitung der Karosserie, was für Mitsubishis relativ ungewohnt ist. Das Blech ist ordentlich verarbeitet, die Spaltmaße sind nicht groß und gleichmäßig und wirkt fast so solide, wie ein Volvo (was auch sonst), auch wenn man nicht ganz einen Vergleich zu Mercedes oder Audi ziehen kann.
Die Türen öffnen sich leicht und das Schließen erfolgte mit nur einem Finger. Allerdings merkt man bei Steigungen schnell, dass die Türen alles andere als leicht sind, was für eine gute Kinematik spricht. Sie hingen niemals durch und waren komplett unproblematisch, auch wenn sich das Schloss beim Zumachen qualitativ etwas hochwertiger hätte anhören können.
Eine böse Überraschung erlebte ich beim TÜV. Die erste Baureihe mit dem GDI-Motor ist - laut Fahrzeugschein - NICHT mit 195er Reifen betreibbar, OBWOHL der 1,6, 1,8 SOHC und 1,8 DOHC ebenfalls einen Eintrag für diese Große besitzen. Warum es allerdings der GDI nicht hat, bleibt mir auf ewig schleierhaft.
Aber jetzt mal zu den negativen Sachen und das Schlimmste zuerst: die Bremsen! Ich kann gar nicht sagen, wie sehr die mich genervt haben. Sie sind - meiner Meinung nach - KOMPLETT unterdimensioniert und die Trommelbremse hinten ist ein Albtraum zum Tauschen. Beim Ritt durch kurviges Bergabgefielde hat bereits nach der vierten scharfen Kurve die Bremse geglüht und auch auf der Autobahn können 160 und schneller brenzlig werden.
Mein Rat an alle mit dem Vorfacelift: rüstet vorne auf die größere Scheibe des Facelifts um und hinten auf die Scheibe des allerersten Modells - und vergesst nicht, bessere Beläge zu besorgen, die sind Gold wert.
Die serienmäßige Fahrwerksabstimmung ist leider auch nicht die beste, da sie etwas unausgewogen ist.
Und haltet euch fern vom Gewinde-Sportfahrwerk von Eibach! Auf der einen Seite ist es auf langsamen Wellen etwas teigig, bei schnellen und tiefen Unebenheiten vermittelt es allerdings das Gefühl übertriebener Härte.
K&W hat hier das Bessere: wesentlich ausgewogener und komfortabler, ohne die Sportlichkeit vermissen zu lassen.
Allerdings scheint Mitsubishi bei der Entwicklung der Fahrwerksgeometrie in Kombination des Differentials etwas geschlafen zu haben. Vor allem auf Nässe und mit Sportfahrwerk besitzt der Carisma einen Hang zum Extremen. Während er bei Gaswegnahme in Kurven zum starken Untersteuern neigt, kann sich das beim Gasgeben in ein unvorhergesehenes Reinziehen in die Spur umkehren, was sich zu einem unvorhergesehenen Dreher entwickeln kann. Auch bei schnellen Lastwechseln kann sich der Wagen unvorhersehbar verhalten.
So sicher er auch im Alltagsverkehr ist, so gefährlich ist er, wenn man auch nur um Haaresbreite die sichere Zone verlässt.
Auch die Karosserie, oder vielmehr die Form lässt zu Wünschen übrig. Ich meinte allerdings nicht das Aussehen - was sicherlich aufregender gestaltet hätte sein können - ich meinte die Übersichtlichkeit. Vor allem der Fließheck ist nur schwer einzuschätzen und vor allem nach hinten ....... ich will gar nicht darüber schreiben. Die übermäßg breiten C-Säulen und das hohe Heck machen es einem hammerhart schwer, was es mit dem nicht ganz so tollen Wendekreis nicht viel besser macht.
Bleibt noch der Motor. Ich habe noch nie eine Maschine gesehen, deren Minimal- und Maximalverbrauch SO WEIT auseinander lagen. Wenn man weiß, was man tut, bewegt sich der Wagen auf flacher Bundesstraße bei unter 5 Liter (ungelogen), aber WEHE(!), wenn er losgelassen! Leere Autobahn, immerzu volle Möhre, über 30 Liter - kein Scheiß!
Wo der Motor ebenfalls etwas mehr Entwicklung benötigt hätte, wäre der Drehmomentverlauf. Von GANZ unten rauf, fehlt es dem 4G93GDI leider an Durchzug, wird allerdings ab 2.000/min schnell besser. Bei rund 3.500/min allerdings wird der Motor RICHTIG munter. Die Maschine macht bei dieser Drehzahl einen Satz nach vorne, dass man meinen könnte, VTEC setzt ein und man ist in der Lage, sogar einen BMW 320i zu versägen. Allerdings wird der Vortrieb oberhalb von 5.500 jäh gebremst, da dann sein langhubiges Wesen zum Vorschein kommt und er ziemlich schnell ziemlich zäh wird.
Auf die Hydros, die Drosselklappe und den Ansaugtrakt sollten am besten gleich zwei Augen geworfen werden, denn da liegen nicht nur ein paar Probleme. Die voll elektronisch gesteuerte Drosselklappe neigt oft zu Fehlern und die Hydros können schnell klackern. All das ist allerdings beherrschbar. Was man allerdings NICHT so leicht in den Griff bekommt, ist das Verkoken der Einlassventile. Durch die fehlende Saugrohreinspritzung bleiben Rußpartikel an den Einlasstorverwaltern kleben, was sich zu einem ernsthaften Problem auswirken kann (besser, man klemmt das EGR einfach ab - illegal, aber man erspart sich einiges).
FAZIT:
Alles in allem ist es ein relativ guter Wagen. Der mehr als gute Verbrauch, das gute Raumangebot und vor allem die gute Rostvorsorge und gute Verarbeitung der Karosserie heben den Carisma unter all den Mitsubishis mehr als hervor. Allerdings hinterlassen die (im Fließheck) mehr als schlechte Übersichtlichkeit, der unharmonische Drehmomentverlauf, das gefährliche Fahrverhalten im Grenzbereich, die (beim Vorfacelift) miserablen Bremsen und die Tücken mit dem GDI einen etwas faden Eindruck.
Wer allerdings kein Statusobjekt braucht, das einen lediglich von A nach B bringt, ist hier richtig. Er ist echt günstig zu haben und auch die Preise der Teile sind noch human (sofern man einen gut sortierten Schrottverwerter zur Hand hat). Die Versicherung kann etwas hoch ausfallen, allerdings holt man das schnell durch den günstigen Verbrauch wieder etwas rein. Wer also wenig verbrauchen will, allerdings keinen Diesel sich zulegen will oder kann und wenig rückwärts einparken muss, ist hier genau richtig. Und das beste: er läuft und läuft und läuft und läuft und läuft ... zwar nicht ganz so problemlos, wie ein Toyota, aber immerhin wesentlich besser als die allermeisten modernen Benzindirekteinspritzer. Und mal ehrlich: wäre nicht bei knapp 360.000 km der Vorfahrtsverächter gewesen, ich würde diesen Bock IMMER noch haben.
Es gibt bessere Autos, aber auch viel mehr wesentlich schlechtere.