Ein treuer Opel-Fahrer fährt plötzlich Mercedes-Benz? Nun, die Erklärung ist ganz einfach. Als mein Vater starb erbte ich dieses Auto und fuhr ihn knappe zwei Jahre lang. Das schlechte vorweg: Dieses Auto fraß mir die Haare vom Kopf. Der Unterhalt ist wirklich eine Klasse für sich, seien es Reparaturen, Wartung (Inspektion) oder die Kfz.-Steuer bzw. -Versicherung. Alles ist exorbitant. So kam es dann, dass ich ihn verkaufen mußte - ob ich es auch wollte, weiß ich bis heute nicht so wirklich.
Zum Fahrzeug:
Eine Trutzburg von einem Wagen. Groß, schwer, sicher und von einer gewissen Eleganz. Allerdings haftete ihm das "Opa-mit-Hut-Auto"-Image an und das -glaube ich- hat sich bei diesen Mercedes-Fahrzeugen bis heute nicht geändert. 90 PS waren für 1,5 Tonnen Leergewicht ein Witz. Der große Hubraum sorgte zwar für ein hohes Drehmoment, dieses wurde aber sofort wieder durch das lang übersetzte Getriebe zunichte gemacht. Zudem hatte auch dieser Wagen den für die W124-Baureihe typischen "Bonanza-Effekt", also das Aufschaukeln beim Anfahren.
Verarbeitungstechnisch gab es nichts zu meckern. Im Gegensatz zu Opel, VW usw. sind das Welten gewesen. Alles passte, nichts klapperte oder war schief. Dazu tolle Materialien im Innenraum, ein erstklassiges Gestühl sowie eine sehr gute Geräuschdämmung. Das Nageln des 2,5l Saug-Diesels drang zwar dennoch in den Innenraum, aber niemals aufdringlich. Nebenbei war der Motor offenbar auch unzerstörbar. Es gab keine Ausfälle, keine technischen Defekte in der gesamten Zeit, weder bei meinem Vater noch als der Wagen in meinen Diensten stand. Besonders familientauglich ist er aber nicht gewesen, dafür war der Kofferraum zu klein. Er eignete sich als Zugwagen für mein Boot, auf Autobahnen ließ man ihn besser auf der rechten Spur dahingleiten, brauchte er doch einen langen Anlauf zum Überholen.
Fazit: Ein untermotorisierter, eleganter, bestens verarbeiteter, familienuntauglicher Gleiter mit hohem Image-Wert (wer's denn braucht), der einem die Haare vom Kopf fressen kann.