Erfahrungsbericht Mercedes-Benz W 123 300 D Turbo (121 PS) von Anonymous, Juni 2009
Der W 123 ist nicht nur nach meiner Meinung der letzte echte Mercedes gewesen.
Dieses Fahrzeug war wie alle seine Vorgänger der Inbegriff für Qualität im Automobilbau, weltweit. Grundsolide und unzerstörbar.
Im Gegensatz zu seinem direkten Vorgänger war der 123er zwar schon ein wenig mehr an den Maßgaben des Windkanals orientiert, aber immer noch ein Auto mit einer richtigen Front und viel Kopf -, Schulter- und Beinfreiheit im Innenraum, auch hinten. Der Kofferraum bei den Limousinen war sehr groß, wenn auch nicht mehr von dem Format der Modelle W 110 und W 114/115. Das Design innen wirkte zwar etwas nüchtern, war aber doch auch recht gefällig gehalten. Es gab damals bei den Sitzbezügen eine durchaus griffsympathische Kunstledervariante namens "MB-Tex". Der trauern die Taxi-Unternehmer heute noch nach. Wirklich unkaputtbar, auch nach 10 Jahren Taxieinsatz sah das noch gut aus. Bei den heutigen Modellen ist der Bezugsstoff oder das Kunstleder schon nach einem Jahr im gewerblichen Einsatz durchgescheuert.
Ein Novum bei Mercedes war damals ein Kombi innerhalb der Modellreihe, etwas, was man immer gemieden hatte, da man sich in Stuttgart nicht auf das Niveau von Lieferfahrzeugen begeben wollte.
Aber irgendeine Statistik in den späten 70ern sagte aus, dass Kombikäufer angeblich oft über einen höheren Schulabschluß und über ein höheres Einkommen verfügten als die klassischen Limousinenfahrer.
Jedenfalls brachte das die Chefetage bei Mercedes-Benz ins Grübeln
und man ließ dann dieses wunderschöne und überaus praktische Auto für die hausintern favorisierte Zielgruppe ( die bisher nur bei Volvo fündig wurde) auf die Räder stellen. Dass später außer gut situierten Akademikern auch gut verdienende Handwerker und Selbstständige zu den T-Modellen griffen, hat dann wohl doch nicht mehr so gestört, denn da wurden sogar Plastikwannen für den Fleischermeister als Originalzubehör offeriert.
Um nur ja keinen Anflug von Lieferwagen aufkommen zu lassen, war
nämlich der Laderaum mit demselben Teppich wie der Inneneraum ausgeschlagen.
Von Anfang an verfügten die T-Modelle, wie sie bei Mercedes seither heißen ( "T" für Tourismus und Transport) über eine hydropneumatische Niveauregulierung, die dem Auto einen phantastischen, fast schwebenden Fahrkomfort verliehen, der selbst den der Limousine noch deutlich übertraf. Da konnte kein Volvo-Kombi oder irgendein anderer Mitbewerber auch nur annähernd heranreichen. Das war auch ideal im beladenen Zustand und zum Ziehen von Anhängern.
Die Taxler-Zunft hat's auch gefreut, denn endlich konnte man auch größere Mengen Gepäck ohne Probleme bewältigen, ohne der (damals noch) Stammmarke untreu werden und zu Opel Caravan oder Ford Turnier greifen zu müssen.
Es gab als Sonderausstattung auch eine praktische ausklappbare Zusatzsitzbank im Gepäckraum, auf der zwei (in der Regel kleinere) Fahrgäste befördert werden konnten.
Ich habe das Auto-Modell sowohl privat als auch als Taxi gefahren, dieses hatte eine solche Sitzbank, auf der die Fahrgäste nach hinten entgegen der Fahrtrichtung aus dem Fenster sahen. Kindergarten - und Schulkinder sowie mental Gehandicapte hat das immer mit großer Freude erfüllt; die Kinder auf den täglichen Touren haben immer erst ausgelost, wer hinten rein darf.
Die Ideal-Motorisierungen mit Automatik waren meiner Meinung nach entweder der 280 TE mit 185 PS oder bei den Selbstzündern der 300 TD oder auch der (sündteure) 300 TD Turbo-Diesel mit 125 PS und ordentlich Drehmoment. Nachdem mir die Benziner-6 Zylinder zu durstig waren, habe ich mich auf den 300 TD eingeschossen.
Der fuhr mit seiner 5-Zylinder - Maschine weich und geschmeidig und harmonierte perfekt mit der Automatik.
Ich habe den 123er privat auch als Limousine gefahren, und zwar den 200 D, den 300 D ( beide mit Schaltung) und den 230 E mit Automatik.
Dann gab's noch kurzzeitig einen 250er T mit Schaltung (ein großer Benzinfresser vor dem Herrn) und einen 200er T Automatik (nicht ganz so arg durstig, aber dafür lahm wie eine Ente).
Die beste aller Kombinationen blieb für mich der 300er Diesel-Motor mit Automatik, davon hatte ich zwei.
Als Taxi habe ich auch den 240er Diesel mit Automatik sowohl als Limousie wie als Kombi gefahren, ebenfalls ein sehr guter Motor.
In puncto Verbrauch war der 300 TD mit 8,5- 10 l / 100 km zu bewegen, je nach Fahrweise und Zuladung.
Die einfacheren Wartungsarbeiten und Reparaturen an dem Auto konnte man mit etwas Erfahrung gut selbst ausführen.
Echte Schwachpunkte gab's eigentlich nicht, wenn man mal vom Lenkgetriebe und den Achsschenkelbolzen absieht, die nach höheren Laufleistungen halt mal gewechselt werden mußten.
Und die Sitze natürlich, die einfach bei Mercedes schon immer zu weich und entsprechend schnell durchgesessen waren (auch von leichteren Menschen).
Aber die Mechanik war für 6- bis 7-stellige Kilometerstände gut, immer vorausgesetzt, man ließ dem Wagen die nötige Wartung und auch mal eine Überholung von Motor und Getriebe angedeihen. Selbst übel geschundene Exemplare haben klaglos unglaubliche Laufleistungen absolviert. Wo gibt's denn sowas bitte heute noch?
Bei Daimler jedenfalls nicht mehr. Und da wundern sich manche Leute immer noch über den Erfolg der Japaner.
Jedenfalls gab's zu dieser Zeit außer dem Prestige auch noch handfeste und vernunftgemäße Gründe, einen Mercedes zu kaufen.
Die Korrosionsvorsorge ist besser gewesen als beim Vorgänger, aber rosten tun sie auch, vor allem gerne an unzugänglichen Stellen im Bereich der hinteren Radaufhängung, aber auch am Türschweller und besonders gerne auch an den Wagenheberaufnahmen.
Wer heute eine 123er als Youngtimer fahren will, sieht sich mit Ersatzteilen noch relativ gut versorgt und kriegt ein voll alltagstaugliches Gefährt zu einem (noch) vernünftigen Preis. Für die Benziner gibt's G-Kats zum Nachrüsten (auch für die Vergasermotoren), bei den Dieseln ist leider das unsägliche Thema Umweltzonen-Plakette ein Problem. Und der allzeit ungebührlich gierige bundesdeutsche Fiskus. Für wen es sich dennoch rechnet, dem sei der 123er 300 D und TD wärmstens empfohlen - ein stabileres und besser verarbeitetes Auto ist nie wieder gebaut worden, jedenfalls nicht im PKW-Sektor. Gelände- Panzer wie der Toyota Land Cruiser machen da eine Ausnahme.
Für Coupé Liebhaber gab's übrigens außer dem 230 CE, 250 C und 280 CE auch noch den 300 CD und 300 CD Turbo-Diesel, allerdings nur im Export. Aber es gibt gelegentlich US-Reimporte auf dem Markt.
Damals gab es übrigens noch den Werbeslogen: "Mercedes-Benz - Ihr guter Stern auf allen Strassen" - da stand noch nicht shareholder value, also Gewinnmaximierung mittels Qualitätsminimierung auf der Tagesordnung. Den Slogan haben sie nicht umsonst aufgegeben - er passt einfach nicht mehr zu den qualitativ fragwürdigen Produkten, die heute unter dem Label Mercedes vermarktet werden.
Ein Hoch auf die gute alte Eisenzeit, als Autos noch Investitionsgüter für länger als drei Jahre waren!