Wieder über das Ehrenamt komme ich öfters in den "Genuß", einen Mercedes-Benz Vito Automatik mit 109 PS und knapp 50.000 KM auf dem Tacho bewegen zu können. Es handelt sich dabei um ein ehemaliges Polizeifahrzeug, dass neu beklebt wurde und jetzt an zahlreiche Hilfsorganisationen ausgeliefert wurde, um dort ihre zweite Karriere zu starten.
Wie bei den anderen Erfahrungsberichten von mir fange ich mal mit dem äußeren Eindruck an. Da der Vito in direkter Konkurrenz zum VW T5 steht, ziehe ich dieses Fahrzeug öfters zu Vergleichen ran.
Von außen fällt sofort auf, dass der Vito optisch viel niedriger als der VW ist und mehr auf ein "dynamisches, windkanaloptimiertes" Design Wert gelegt wurde, denn auf eine große Transportkapazität. Vorne fällt der große Kühlergrill auf, der sich dominant in den Fahrtwind stemmt, flankiert von den mandelförmig geschwungenen Scheinwerfern. Ebenfalls fallen die massiven Scheibenwischer auf, die an den beiden A-Säulen angebracht sind und gegenläufig öffnen. Das Heck macht sich besonders durch die mannshohen Rückleuchten bemerkbar, die Heckklappe ist ähnlich massiv wie beim T5, also recht schwer zuzuschmettern. Ansonsten gibt es zum Design nicht viel zu sagen, es erweckt mehr den Eindruck einer höhergelegten Limosine, denn eines Busses.
Dann gehts rein ins Auto: Tür auf, und jetzt kommt das, was ich Mercedes hoch anrechne und auch einen gewissen Vorteil zum T5 ausmacht. Kein Reinklettern, kein "Runterfallenlassen" wie bei normalen Autos, nein, man rutscht einfach aus dem Stand auf den Sitz, sitzt schön aufrecht (Höhenverstellung sei Dank) und hat recht viel Platz nach links und rechts für die Knie (beim T5 lag das rechte Bein ständig am Schalthebel an), bequemer kann man nicht einsteigen. Leider läßt das (höhenverstellbare) Lenkrad auch nicht recht viel Platz zu den Knien, das konnte der T5 besser. Die Sitze sind straff, aber nicht sehr stark konturiert, wirken also sehr plan. Tür zu (ohne metallisches Scheppern, aber auch ohne massives KLAPP, was man ja von früheren Mercedes gewohnt ist oder war) und ein Blick rundum: Die Spiegel sind recht groß, haben aber einen unnötig großen Weitwinkelbereich, das irritiert. Das Kombiinstrument (mit dickem Schriftzug im Sichtfeld, wer das Dings gebaut hat. Nein, nicht Mercedes, sondern Magneti Marelli...OMG ein südeuropäisches Wort in einem Fahrzeug deutscher Ingenieurskunst...naja, der Vito wird ja auch in Spanien zusammengesteckt) scheint an die älteren Sprinter angelehnt, also wieder ein halbkreisförmiger Tacho, in dessen Mitte sich ein Display befindet, das Kilometerstand, Kühlmitteltemperatur (wird leider nicht direkt angezeigt, eine eigene Anzeige wäre wünschenswert), Wartungsrechner, usw. anzeigt. Links vom Tacho der (kleine) Drehzahlmesser, rechts die Tankuhr. Über dem Tacho breitet sich die flache Frontscheibe aus, und darunter eine weite Plastiklandschaft mit Hügeln und Tälern und in der Mitte eine große Ablage mit Klappe. Das ist endlich mal Stauraum, auch wenn durch die schwungvollen "Wogen" nur die zentrale Ablage genutzt werden kann, wenn während der Fahrt das Kartenzeugs da bleiben soll, wo man es hingelegt hat. Richtung Fahrzeugmitte tut sich dann der Berg namens "Mittelkonsole" auf, auf dem ein paar Lüftungsöffnungen (mit Zweifelhaftem Nutzen) und Drehschalter (aus dünnwandigstem Plastik) angesiedelt sind, die sich anscheind auch alle dem Didakt des Designs mehr unterwerfen mussten denn der Nützlichkeit und Ergonomie, das kann der T5 besser. Über einem der Dachhimmel, der einem doch recht nahe kommt, wenn man den Sitz in der höchsten Position hat, was aber im Sinne der Übersichtlichkeit die einzig sinnvolle Stellung ist. Apropos Übersichtlichkeit: die ist grottenschlecht, besonders nach vorne, da sieht man garnichts von der Front, und besonders die massiven Scheibenwischer schränken die Sicht weiter ein, zielgerichtetes Einparken erfordert viel Schätzkunst, auch hier ist der Kasten namens T5 viel viel besser. Durch die getönten Scheiben ist es nach hinten mit der Übersichtlichkeit auch nicht viel besser, aber das kann man dem Vito nicht direkt ankreiden. Das alles sorgt jedoch dafür, dass man beim Parken eigentlich unwillentlich viel Platz braucht.
Weiter im Schauen: Die Lenkstockhebel machen einen billigen und filigranen Eindruck, dürre Stäbe mit einem Plastikkopf, nicht sehr hochwertig. Ganz anders der Automatik-Schalthebel auf der Mittelkonsole, er wirkt massiv und hochwertig, besser als im T5. Die Gassenanordnung ist geschmackssache, es ermöglicht einem jedoch, "auf Gefühl" die richtige Fahrtrichtung anzuwählen, was bei einer geraden Gasse nicht so leicht möglich ist.
Dann mal ran ans Fahren: Den Zündschlüssel....MOMENT, Zündschlüssel kann man das Teil eigentlich nicht mehr nennen, eher "Zugangsberechtigungs-Multifunktions-Transponder-Stummelding mit peripherer Startfunktion" das hört sich aber nicht so schön an. Naja, es gibt jedenfalls kein gewöhnliches Schloss mehr, man steckt den dürren Stummel einfach in das kleine Loch, ein elektromotor summt kurz und arretiert den Schlüssel (bin mal gespannt, wann das das erste Mal kaputt geht-> Folge:ABSCHLEPPEN), Zündung an, wieder leuchten zahlreiche Warnlampen auf (von denen jede Fehlfunktion wohl sauteuer wird) und ein dezenter Warnpieps entfleucht irgendwo aus den Tiefen der Elektronik, leider kein massives MIIIIIIIEP, wie es bei alten Mercedes-LKW der Fall ist. Ein kurzes Hüsteln des Anlassers weckt das Motörchen, das akustisch kein Ausdruck reiner Stärke ist, anders als zum Beispiel das kräftige Nageln des T5. Der Motor wirkt eher wie aus einem PKW, nichts besonderes also, zumindest akustisch. OK, von den vielen Warnleuchten leuchtet nur die Handbremse, es kann also losgehen. Den Wählhebel auf "D" gezogen, ein leichter Ruck geht durch das Fahrzeug, dann ein kräftiger Griff nach der Lösevorrichtung für die Handbremse (das ist typisch Mercedes, Angezogen wird sie mit einem Fußpedal, gelöst mit dem Griff), ein massives "KLONG" geht durch das Auto, Fuß vom fetten Bremspedal, der Mercedes rollt los. Fuß aufs Gas, mit leichter Verzögerung nimmt der Benz das Gas an, die Automatik schaltet spontan mit merklichem Ruck. Leider erweist sich der Motor als kraftlos, besonders am Berg, man muss ihn dann mit hohen Drehzahlen quälen, was den Motor auch zum Krachmachen animiert, das Motorgeräusch erweist sich auch als wenig charismatisch, das ist aber eine subjektive Meinung. Aber wenn man es nicht eilig hat, ist der Motor akzeptabel. Leider macht sich beim Abbiegen wieder das Manko der schlechten Übersichtlichkeit bemerkbar, besonders die dicke und flach verlaufende A-Säule behindert die Sicht. Die Lenkung wirkt wenig genau geführt, das macht der T5 besser. Ok, wir halten an, und schauen auf die Tankuhr. Leider nimmt sich der Motor einen guten Schluck mehr als der VW, wirkt aber gleichzeitg kraftloser. mit 11-12 litern muss man leider rechnen, der VW kam maximal mit 10 aus.
Fazit: ein bequemes Reiseauto für die lange Strecke mit wenig Platzproblemen am Zielort und ohne hohes Reisetempo. Der Vito ist am ehsten als hochwertige Alternative zum normalen PKW gedacht, bei dem man einfach mehr Leute oder Material unterbringen kann und höher sitzen kann. Dafür ist er auch ideal, ich könnte ihn mir gut als Chauffeursfahrzeug mit XL-platzangebot vorstellen, dazu passt auch die Automatik ganz gut. In allen anderen Bereichen ist der T5 dem Vito überlegen, den T5 sollte wählen, wer viel Platz braucht, schnell und viel unterwegs ist, Parkplatzsorgen hat und sich nicht am nüchternen Innenraum stört. Der Vito ist eher für den sinnigen Feingeist gedacht, der komfortabel unterwegs sein möchte, dabei auch gern mehr Geld für Kraftstoff ausgeben kann und eher ein Umsteiger von einer C- oder E-Klasse ist, der nur höher sitzen möchte und eben den größeren Platz braucht (sonst könnte er ja auch B- oder A-Klasse fahren). Berichte über die Zuverlässigkeit werden noch nachgereicht, aber laut den Erfahrungen bei der Polizei mit dem Fahrzeug wird uns da noch viel Ärger bevorstehen.