Gibt es irgendeinen vernünftigen Grund, über ein 37 Jahre altes Auto einen Erfahrungsbericht zu scheiben?
Der 350SLC wurde 1971 mit der internen Bezeichnung C107 der Öffentlichkeit vorgestellt. Über sein Design wurde damals heftig gestritten. Heute ist er auf dem Weg zum Klassiker und zur Stilikone der 70iger.
Der hier vorgestellte Wagen ist seit 27 Jahren in Familienbesitz und wurde in dieser Zeit liebevoll gepflegt und nur zu Sonntagsausfahrten aus der Garage geholt. Das erklärt auch die geringe Laufleistung von 150.000km.
Ein 350SLC, Kindertraum vieler, die heute über 50 sind. In gutem Zustand für 15.000,- Euro zu haben - was in etwa seinem damaligen Neupreis entspicht. Topmodele mit guter Ausstattung, Scheckheftpflege und geringer Laufleistung (so wie der hier vorgestellte) sind meist in fester Liebhaberhand und unverkäuflich. Die Wertsteigerung für so einen Wagen liegt bei etwa Euro 1.000,- pro Jahr. Allerdings kosten Pflege, Wartung und kleinere Reperaturen jährlich in etwa diese Summe. Steuern und Versicherung summieren sich auf ca. Euro 300,- im Jahr (H-Kennzeichen) und die Kosten für Sprit sind trotz des immensen Verbrauchs bei etwa 2.000km im Jahr sehr überschaubar.
Aufschließen, Türgriff ziehen und sich in die 37Jahre alten Ledersitze fallen lassen. Das soll ein Sportwagen sein? Riesige Sitze, ein Lenkrad im LKW-Format und die Frontscheibe fast senkrecht vor der Nase. Ja, 1972 war das sportlich. Nach dem Dreh am Zündschlüssel erschließt sich dann dem aufmerksamen Beifahrer, warum der 350SLC in der Kategorie Sportwagen unterwegs ist. Der 8Zylinder klingt dunkel und heiser in den Fahrgastraum. Nach einigen Kilometern haben die Galonen von Motoröl ihre Betriestemperatur erreicht, jetzt darf er ein wenig gedreht werden. Ab 5.000 Umdrehungen bekommt dieser klassische Motor nicht nur einen Gänsehaut erzeugenden Klang, er entwickelt auch eine erstaunliche Beschleunigung. Dennoch, ein Golf TDI der neuen Generation ist sicher schneller unterwegs - bleibt dabei aber eben ein Golf.
Die vielen technischen Helferlein erscheinen heute sicher als "normal", damals waren sie den Fahrzeugen der Oberklasse vorbehalten: Servolenkung, elektisches Schiebadach und Klimaanlage waren im Golf dieser Zeit, dem Käfer, undenkbar. Pneumatisch verriegelnde Rückenlehnen und eine ebensolche Zentralverriegelung sowieso.
Das Fahrwerk des 350SLC war seiner Zeit weit voraus. Läßt man es geruhsam angehen, ist kaum ein Unterschied zu modrnen Autos spürbar - und das nach 150tkm. Nur bei zügiger Fortbewegung auf kurvigen Voralpenstraßen merkt man, das ein Sportwagen von damals heute bestenfalls als GT durchgeht. Und das Fehlen von ESP, ASR, ABS und Co erfordert einen funktionierenden Popometer. Dieses Auto will gefahren werden und seinem Piloten nicht jede kritische Entscheidung abnehmen.
Kommt man bei einem Termin dann ausgeruht an, ist einem die Aufmerksamkeit der Umstehenden spätestens nach dem Schließen der Tür sicher. Sowas baut heute keiner mehr, nicht mal Mercedes. Mit dem satten Plop einer Safetür schließt der Wagen, sein goldener Lack glänzt in der Sonne, seine außergewöhnlichen Proportionen mit der ewig langen Motorhaube verströmen den Charm der 70iger.
Über viele Autos hier im Plenum wird geschrieben, dass die Verarbeitungsqualität gut ist. Was soll man also schreiben, wenn ein 37Jahre alter Wagen so gut wie Mängelfrei ist: "Sehr gut"? Bleiben wir bei den Schulnoten, dann kommt nur eine Eins mit Sternchen in Frage, zzgl. Belobigung vom Direktor und mindestens einem Dutzend Fleißkärtchen.
So, draußen lacht die Sonne. Ich hab ein wenig Zeit, die ich nicht unbedingt vor dem Rechner zubringen muß. Eine kleine Ausfahrt tut ihm jetzt sicher gut ..... was mich zur Anfangsfrage zurück bringt: Nein, es macht keinen Sinn, über einen 37Jahre alten 350SLC einen Erfahrungsbericht zu schreiben - aber es macht Sinn, Erfahrungen mit ihm zu sammeln.