Es gibt für mich kaum eine schönere Art fossile Brennstoffe in viel Wärme und etwas Bewegung zu verwandeln. Die Baureihe W140 besticht durch überragende Größe und traumhaften Komfort. Ein rollendes Wohnzimmer mit reichlich Kraft für beeindruckende Fahrleistungen.
1991 hatten die Ingeneure bei Mercedes wohl noch die Erlaubnis in alle verfügbaren Trickkisten zu greifen, ohne an die Kosten zu denken. Ja und dem Besteller ging es anscheinend ähnlich als er kaum ein Kreuzchen auf der Sonderausstattungsliste ausließ.
Die Ausstattung :
Elektrisches Frontgestühl mit je drei speicherbaren Positionen.
Verstellmöglichkeiten:
alles hoch / runter ; alles vor / zurück ; Sitzfläche vor / zurück ; Sitzfläche neigen ; Rückenlehnenwinkel größer / kleiner ; Kopfstütze hoch / runter
dazu elektrische Verstellmöglichkeit der Lenksäule hoch / runter ; vor / zurück
selbstverständlich drei elektrisch zu verstellende Spiegel Außen links und rechts und Innenspiegel mit je hoch / runter ; links / rechts und Außenspiegel zum Parken elektrisch anklappbar. Alle Positionen der Spiegel und des Lenkrades werden mit der jeweiligen Sitzpositionen gespeichert. Die Möglichkeiten stellen jeden Zahnarztstuhl in den Schatten.
Der Versuch die optimale Sitzposition zu finden kann allerdings zu erheblichen Abfahrtsverzögerungen führen. Angesichts des enormen Unterhaltungswertes dieser Verstellmöglichkeiten sind in der Eingewöhnungsphase nahezu alle Ampelstopps zu kurz.
Alle Sitze sind mit schwarzem Leder bespannt und zweistufig beheizbar. (braucht MANN eigentlich nicht)
Alle Fenster und das Stahlschiebedach werden elektrisch bewegt und schließen auf Wunsch beim Abschließen des Fahrzeuges.
Für die Sicherheit gibt es Airbag und Gurtstraffer, die bei der überragenden Fahrzeugmasse am ehesten bei der Kollision mit LKW oder Gebäuden von Nöten sind. Zusammenstöße mit Durchschnittsautos erzeugen vermutlich allenfalls eine geringfügige Kursänderung. Allerdings macht einen der W140 nicht unverwundbar, was der tragische Tod von Prinzessin Diana seinerzeit gezeigt hat. Dennoch kann man von überragender Verkehrssicherheit sprechen.
Für das Wohlbefinden gibt es vielerlei Möglichkeiten das Innenklima zu beeinflussen. Das Spektrum reicht von arktischem Wintersturm bis Sommerfön in den Alpen. Nach dem Probieren der Extremmöglichkeiten stellt man dann die gewohnten 19°C für sich selbst und 27°C für die Liebste ein, bei der sie ihr Wohlbefinden durch Zuschalten der Sitzheizung bei jeder Außentemperatur steigert. Die Fenster sind rundum wärmedämmend getönt und die Seitenscheiben sind doppelt verglast.
Obacht! Zurückgelassene Hunde oder Kinder werden dadurch selbst bei stundenlangem Sonnenparken nur halbgar.
Zur Frisurkontrolle gibt es ausser dem elektrisch verstellbaren Innenspiegel über jedem Sitz einen weiteren, beleuchteten Spiegel. Vorn in den Sonnenblenden und hinten in klappbaren Deckenfächern. Unter allen Armlehnen der Türen gibt es Staufächer. Das beleuchtete Handschuhfach ist geräumig und hat ein Fach für Münzen und Becherhalter in der großen Klappe. Mittig über der Klimakonsole gibt es ein Sonnenbrillenfach. Das Staufach unter der Mittelarmlehne bietet zur Not Platz für ein Paar Schuhe. Die Kofferraumgröße ist eher durchschnittlich aber ausreichend. Für den Transport abgelebter Kontrahenten scheint ein Lada besser geeignet zu sein.
( siehe Bericht zu LADA Nova (1975) von Bestatter : http://www.autoplenum.de/Autos/Erfahrungsberichte/LADA/2105/44044/LADA-Nova--1975-.html )
Fahreigenschaften :
Der 500ér V8 ist im Vergleich zum gleichgroßen Vorgänger erheblich kräftiger geworden. Diese neuen Reserven machen sich, wegen dem ebenfalls höheren Fahrzeuggewicht allerdings erst in Geschwindigkeitsbereich über 200km/h bemerkbar. Die Beschleunigung wirkt in Anbetracht der Größe und Gewicht des dicken Brockens recht behäbig. Erst der Blick in den Rückspiegel verrät durch das scheinbar schnelle Schrumpfen der Verfolger den doch enormen Antritt. Grad sieben Sekunden reichen bis der Tachozeiger die 100 erreicht. Beim belassen des Gasfußes in der Kickdownstellung wandert der Zeiger im fast gleichen Tempo bis zur 200. Erst ab 230 verlangsamt der Luftwiderstand die Beschleunigung etwas bis die Elektronik bei 250km/h und Angezeigten 260 abregelt. Das Fahrverhalten ändert sich bei Topspeed nicht unangenehm und vermittelt nie eine Grenzwertigkeit. Selbst ein 100% Druckverlust im Hinterreifen vermindert die Stabilität nur auf das Niveau eines W126 (Vorgängermodell) der ersten Serie mit Standartbereifung. Es fühlt sich einfach Schwammig an.
Im Normalbetrieb fährt sich der Wagen leicht und agil. Das Triebwerk ist meistens leiser als die Abrollgeräusche der Räder oder wird vom Fahrtwind übertönt. Bei Volllast klingt es etwa wie eine extrem stark gedämmte Waschmaschine im Schleudergang.
Bei eingelegtem Rückwärtsgang fahren aus den hinteren Fahrzeugecken kleine, antenneartige Peilstangen aus, die zur besseren Übersicht beim Einparken dienen sollen. Das sieht albern aus, ist es auch. Bei der Modellüberarbeitung wurde später auf diese lustige Eigenart verzichtet. Das Einzige, was nervt, sind die Reifen, weil sie fast immer etwas "rubbeln" wenn man losfährt. Angeblich ist das hohe Gewicht schuld. Nach wenigen Kilometern ist das fast immer weg, vermutlich wenn die Reifen etwas warm geworden sind.
Die Kosten, die anfallen um ein solches Luxusfahrzeug zu benutzen, sind natürlich nicht unerheblich. Wenn ein Tankstopp nach knapp 600km 120 Euro kostet, sollte man sich fragen müssen, ob der Kühlschrank noch ausreichend gefüllt ist. Entweder man hat ein ausreichend großes Einkommen, (bei dem man sicher eher das aktuelle Modell fahren würde) oder man redet sich ein, dass andere Hobbys auch teurer sein können. Am besten man vergleicht es mit Hubschrauberfliegen oder Top-Fueler-Dragsterrennenfahren. Wenn man sich einen Finger bricht, kann man ja auch froh sein, dass es nicht der Arm war.
Apropos Arm...Werkstattkosten können einen natürlich ganz arm werden lassen. Besser ist es, wenn man in der Lage ist, das Meiste selbst reparieren zu können. Schon ein Ausfall der Unterdrucksteuerung der Klimaanlage kann den Gegenwert eines gebrauchten Kleinwagens verschlingen. Bei Undichtigkeiten im Heizsystem sollte man eine Feuerbestattung seines 140érs in Betracht ziehen.
Alles in Allem ist es nicht unbedingt teurer als drei "normale" Autos zu fahren. Aber das überlasse ich lieber den "normalen" Leuten.