Etliche tausend Kilometer habe ich einen C220 Elegance mit Automatik leihweise nun schon bewegt. Dabei hat mich der Benz trotz des hohen Alters durch Komfort und Zuverlässigkeit derart begeistert, dass ich jetzt selbst gern einen hätte. Leider ist das gar nicht so einfach.
Denn einen W202 fährt man nicht unter dreißig. Ein Aufschrei geht durch mein Facebook-Profil, als ich ankündige, mir die erste C-Klasse zulegen zu wollen. „Wie uncool, Opa-Benz, bitte bitte tu das nicht“. Zugegeben, die Lobby des Zwo Null Zwo ist in dieser Altersklasse übersichtlich. Der C ist komfortabel ausgelegt, gibt den Langstreckengleiter. Er mag den leisen, dezenten Auftritt, versteckt seine Auspuffrohre unter der Heckschürze. Es gibt ihn häufig mit Automatikgetriebe und das einzig brauchbare Ausstattungspaket, Elegance, ist so barock, wie es sich anhört. Aber gerade das mag ich an ihm und beschließe, es meinen Facebook-Freunden nicht recht machen zu wollen.
Die Marktlage stellt mir die nächste Hürde in den Weg. Es gibt viele C180 und C200 der ersten Serie. Häufig in den Ausstattungspaketen Classic und Esprit. Classic bildet den preislichen Einstieg, hat dementsprechend wenig zu bieten. Esprit sollte jüngere Käufer ansprechen mit einer dezenten Tieferlegung und einer Art Carbon- und Aluoptik im Innenraum, die man eher als bemüht bezeichnen kann. Dazu gab es Polster, von denen man heute Augen- und Ohrenschmerzen bekommt. 707 Feuerrot und 702 Ultramarin sehen aus, wie sie sich anhören. Ähnlich kommt das Paket Sport daher. Einzig Elegance fügt sich auch heute noch ohne Reibungswiderstände in den C ein. Reichhaltiges Holzdekor, dazu in Form und Farbe zeitlose Polster und Türverkleidungen mit farblich daran angepasstem Cockpit. Die Mittelkonsole ist um eine Armlehne mit integriertem Ablagefach und den vier Schaltern für die Fensterheber erweitert. Außen eine Art Klavierlack für die B-Säule, eloxierte Scheibenrahmen und farblich zur Außenfarbe abgesetzte Schutzleisten in Chromeinfassung.
In Kombination mit meinem Wunschmotor leider besonders selten. C220 Elegance, oder C230 als Nachfolge ab 96, sind Mangelware. Dabei sind gerade die großen Vierzylinder ideal, bieten mit 150PS auch als Viergangautomat hinreichend Leistung und bewegen die 1400Kg mit 9l im Drittelmix. Außerdem sind sie kostengünstiger als die nächstgrößere Alternative, der C280. Der Reihensechser mit 193PS käme auch infrage, macht sich auf den Gebrauchtwagenbörsen allerdings rar und tut ohne Kaltlaufregler mit Euro 1 richtig weh. Dazu kommen Probleme mit der Kabelbaumisolierung.
Ich raffe mich auf, mir einen C200 Elegance von 94 als Schalter in Briliantsilber anzusehen. Der Privatverkäufer hat den Benz vor einigen Jahren mit wenigen Kilometern aus erster Hand vom Rentner gekauft. Der klassische Sechser im Lotto des Youngtimerliebhabers. Der C macht optisch einen hervorragenden Eindruck, steht ohne Dellen, Kratzer oder gar Rost auf dem Hof. Ein Glücksgriff, ist doch Rost der nächste große Stolperstein bei der W202-Suche. Türen und Kotflügel sind häufig befallen. Hier nicht.
Auf der Probefahrt dann aber die akustische Ernüchterung aus Richtung der Abgasanalage. Drehzahlabhängiges Rasseln. Kat oder Schalldämpfer haben es hinter sich. Einen Preisnachlass gibt es trotzdem nicht. Ich suche weiter.
Wieder Elegance mit Automatik, wieder Briliantsilber. Diesmal aber die große Modellpflege ab 97 mit dem neuen V6 M112. Dazu gibt es serienmäßig ESP und vier Airbags, eine ZV mit Funk und neues Wurzelholzdekor. Entfallen ist die unansehnliche elektrische Antenne der ersten Serie, dafür kamen Verspoilerungen unten rum, die Geschmackssache sind.
Der frühe C240 steht beim Gebrauchtwagenhändler ganz hinten auf dem Hof. Ich darf mit den drei Funkschlüsseln, wovon einer die Aufschrift „Defekt“ trägt, allein auf Entdeckungstour gehen. Der 170PS starke V6 gefällt, hatte allerdings noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen. Lockere Riemenscheiben oder zugesetzte Ölkanäle können richtig ins Geld gehen. Gravierend ist hier allerdings der Rostbefall. Das Modell von 98 gehört zu den zwei Modelljahren, die wegen geändertem Korrosionsschutz mehr faulen denn je. Ein Fall für den Export.
Ich suche weiter, denn ein guter W202 bietet viel Alltagsauto für kleines Geld und hat über den reinen Nutzwert hinaus das Zeug zum künftigen Liebhaberstück. Als Klassiker ist er noch völlig unterschätzt. Dabei verkörpert er alte Benz-Tugenden, verlangt einem im Gegensatz zum 190 kaum Kompromisse ab, ist gefälliger als der W124 und technisch solider als der W210. Nächstes Jahr wird er 20 und ist dann vielleicht als Youngtimer cool genug für die Kunstbanausen der Generation Facebook...