Maserati Quattroporte – welch ein klangvoller Name, welch ein Ver-sprechen von automobiler Leidenschaft, von Eleganz und Leistung – und Qualitätsmängeln?
Endlich – nach vielen Jahren – hatte ich neulich die große Ehre, einen Maserati Quattroport ausführlich probe zu fahren: eine Luxuslimou-sine mit 4 Türen, designed by Pininfarina, entwickelt von Ferrari, mit einem 400 PS V8 Triebwerk, welches in abgewandelter Form auch in Ferrari 430 Verwendung findet.
Wie mag sich ein solches Auto wohl fahren? Ist es ein entspannter Gleiter, oder ein brutaler Rambo, der einem jede Querfuge schmerzlich spüren läßt? Ein würdiger Nachfolger für meinen betagten BMW 750i, oder ein Auto, welches ähnlich einem Alfa 166 schon bei der ersten Bodenwelle auseinanderfällt? Und wie mag sich das se-quentielle manuelle Duo Select Schaltgetriebe anfühlen?
Fragen über Fragen.
Gespannt übernahm ich das Auto, welches vor der hiesigen BMW Nie-derlassung schon mit roten Kennzeichen auf mich wartet. In mir der Gedanke: „Gleich gehört er mir, heute fahre ICH Maserati!“ Welch ein herrliches Gefühl der Vorfreude. Dieses besondere Exemplar ist Bau-jahr 2007, 60tkm gelaufen, schwarz, innen beige, F1 Schaltung. Ich habe ihn vorher nur einmal kurz gesehen, total verdreckt, hab noch nicht einmal drin gesessen.
Über die Form muß ich keine großen Worte verlieren: schwarz, schlicht, elegant. Wenn man sich die zahlreichen Maserati Logos und Schriftzüge wegdenkt, verraten nur die beiden Doppelendrohre und die agressive Front, dass hinter dieser Limousine ein echter Bolide steckt. Im Vergleich zu aktuellen Luxuslimousinen wirkt der Quattro-porte angenehm kompakt, das Design ist sehr homogen. Die wenigen Zitate der Vergangenheit wirken dezent und keineswegs übertrieben. Die Form der Motorhaube weckt Erinnerungen an den Maserati A6 GCS aus den 50ern.
Im Vergleich zu anderen modernen Fahrzeugen fällt auf, dass sich der Quattroporte keinerlei Mühe gibt, besonders sportlich zu wirken. Es gibt keine Spoiler, keine Verbreiterungen, keine extreme Keilform, keine Ecken und Kanten, dafür perfekte Proportionen. Er ist angenehm unaufgeregt, er muß niemandem etwas beweisen. Eine wahre Wohl-tat in einer Zeit, in der selbst ein profanes E-Klasse Taxi unbedingt „sportlich“ wirken muß.
Das Interieur entpuppt sich als überraschend geräumig. Bequem neh-me ich auf dem Fahrersitz platz. Der Sitz ist bequem und bietet guten Seitenhalt, auf den Kopfstützen ist der Maserati Dreizack eingeprägt. Das Ambiente ist luftig, das Lenkrad viel größer, als ich es in einem Fahrzeug dieses Kalibers erwarten würde. Hinter dem Lenkrad entdecke ich die Schaltpaddel und zwei dicke Hebel für den Tempomat (wie ich nach ca einer halben Stunde herausfinde) und den Scheiben-wischer.
Majestätisch bauen sich die Instrumente vor mir auf.
Der Tacho reicht bis 320 km/h und macht durch seine eigenartige Ska-lierung in 30 km/h Sprüngen aus der gefahrenen Geschwindigkeit meist ein Geheimnis. Ein Digitaltacho im Display des Bordcomputers wäre eine große Hilfe, vielleicht gibt es diese Funktion sogar und ich finde sie einfach nicht.
Never mind.
Selbstverständlich ist das Armaturenbrett mit Leder bezogen, unter-brochen von großflächigen Holzelementen in Piano Lack. Einzig die Kunststoffumrahmung des Navigationssystems stört den luxuriösen Eindruck. Sehr edel wirkt der Alcantara Dachhimmel, die Sonnen-blenden sind mit dicken Nähten verziert.
Auch hinten sitzt man sehr passabel, es gibt ausreichend Platz, und auch hier sind die Sitze elektrisch verstellbar. Im Auto gibt es zahlrei-che Ablagen und ein klimatisiertes Fach unter der Armlehne. Unter der Lenksäule befindet sich der CD-Wechsler von Blaupunkt, die Lautspre-cher tragen die Logos von BOSE.
Eine weitere Besonderheit ist der kleine Hebel auf der Mittelkonsole, der an die offene Schaltkulisse eines Ferraris erinnert. Zieht man den Hebel nach oben, kann man ihn leicht nach hinten bewegen, und der Rückwärtsgang wird eingelegt. Schiebt man ihn nach vorne, schaltet die Automatik in D.
Links neben dem Navi gibts es vier runde Knöpfe für die verschiedenen Fahrprogramme. Daneben gibt es noch viele weitere Knöpfe, deren Funktion sich nicht immer sofort erschließt. Es sind aber höchst dekorative Knöpfe, wenn ich das nebenbei bemerken darf.
Eine Startautomatik hat der Maserati nicht, man muß den Schlüssel eine Weile nach rechts drücken, bis der Motor startet. Wer ein lautstarkes Anlassgeräusch wie beim E38 V12 erwartet, wird enttäu-scht sein, der Ferrari V8 startet hörbar, aber eher unspektakulär und verfällt in ein mildes Grummeln, das nach kurzer Zeit von der Klimaan-lage übertönt wird.
Da im Display vor mir ein großes D angezeigt wird, nehme ich den Fuß von der Bremse und es passiert: nichts. Das Auto bleibt stehen und grummelt weiter munter vor sich hin.
Hmm. Ist ein Gang eingelegt? Ich schalte den Knopf, mit dem man die manuelle Schaltung aktiviert. Das D verwandelt sich in eine 1.
Und wenn ich jetzt ganz vorsichtig etwas Gas gebe? Mal probieren. Ja.....die Kupplung stellt einen Kraftfluß her und der große Maserati setzt sich ganz langsam in Bewegung.
Ich stelle die Schaltung zurück auf Automatik und versuche mich im Stadtverkehr. Die Schaltung schaltet so, wie man es in der Fahrschule lernt: bis 20 im Ersten, bis 40 im Zweiten, bis 60 im Dritten, und wenn man ein bisschen mehr Gas gibt, ist der Drehzahlmesser schwupp-di-wupp bei 3,500 U/min. Wenn man vom 12-Zylinder her gewohnt ist, dass der Drehzahlmesser in der Stadt meist bei 1,200 U/min verharrt und die 1,800 U/min fast nie überschreitet, ist die schaltweise vom Maserati – na ja, irgendwie ungewohnt bis nervtötend.
Ich schalte zurück auf manuelle Schaltung, und siehe da, 50 im 5. Gang sind kein Problem, und der Durchzug ist auch gar nicht mal so übel. Die Karosserie erweist sich in der Stadt als angenehm übersichlich, vor allem die Front ist dank der Bügelfalten sehr gut zu dirigieren. Die Außenspiegel sind ein wenig klein, aber auch nach hinten ist die Sicht sehr gut, im Vergleich zu anderen Autos gibt es kaum störende Säulen.
Das Entertainment System hingegen erscheint mir für die Tonne zu sein. Man sollte es unbedingt durch einen CAR-PC ersetzen. Die Be-dienung ist extrem umständlich und erinnert an Elektronikschrott der Marke Medion, das Bildschirmdesign erinnert an einem IBM Computer aus dem Jahre 1983. Im direkten Vergleich wirkt selbst das BMW MKIII noch modern. Wie kommt es, dass Menschen, die so einen großen Wert auf eine elegante Karosserie und einen luxuriösen Innenraum legen, die Bildschirmgrafiken dermaßen sträflich vernachlässigen, dass man das gesamte System am liebsten komplett rausreißen und in die nächste Mülltonne verfachten möchte?
Contenance, contenance, dieses Auto ist zum Fahren gebaut, der Mo-tor macht die Musik und das Navi hat im Zeitalter des Smartphones sowieso nur eine Alibifunktion. Also stecke ich meinen Schwanenhals fürs iPhone in den Zigarettenanzünder, der angenehmerweise direkt vor der Mittelarmlehe sitzt, und schob hab ich alles, was ich brauche im Blick. Und wenn ich wüßte, wie man im Audiosystem eine Frequenz einstellt, könnt ich den opernverwöhnten italienischen Innenraum mit Musik von Rammstein oder Arch Enemy malträtieren.
Ich hole meine Anna aus der Stadt ab. Sie freut sich, dass der Maserati so selten ist und sie nicht bei jedem BMW oder Porsche die Kennzeichen entziffern muß. Trotzdem ist die Erzählung über ihr Nachmittagsshopping erstmal viel interessanter als das Auto, aber so sind Frauen nunmal ;-)
Auf der Autobahn gebe ich zum ersten mal ein wenig mehr Gas. Der Durchzug ist nicht ganz so deftig wie beim V12, dafür dreht die Mas-chine aber bis in die Region von 7,200 U/min, und man möchte eigent-lich noch höher drehen, aber manuell oder nicht, jetzt wird zwang-sweise geschaltet. Wobei geschaltet nicht wirklich die Dramatik beschreibt: das Duo Select Getriebe knallt die Gänge rein, dass einem Hören und Sehen vergeht!
Wruuuuuuuuuummmmmmmmm – RUMMMMMMS - Wruuuuuuuuu-ummmmmmmmm – RUMMMMMMS – Wruuuuuuuuu-ummmmmmmmm – ja, und dann gleitet mein Maserati tatsächlich mit 210 über die A7 und ich hab ein fettes Grinsen im Gesicht!
Ach, Mist, wir müssen bremsen, weil Typ in seinem Scheiß-Vertreter-Mercedes E200 CDI glaubt, er sei Gott. Macht nix, denn die Maserati-Bremsen sind allererste Sahne und stehen dem System von Porsche in Nichts nach. Gemütlich brummeln wir mit 170 km/h – eine der wenigen gut ablesbaren Geschwindigkeiten – im 6. Gang über die dicht befahrene A7 daher. Das Auto liegt fantastisch, es ist komfortabel und sehr gut gedämmt. Man hört nur den Motor ein wenig – und diverse Klappergeräusche. Irgendein Teil aus der Lenksäule klappert wie blöde, es sei denn, man lenkt ein wenig nach Links. Betätigt man den Blinker-hebel, wird dies mit einem heftigen Zischen aus den Arma-turenbrettbereich quittiert, welches erst nach 20 Sekunden wieder aufhört.
Zwischenzeit wird die Autobahn wieder freier, wir sprinten los. Die Geräuschkulisse ist einfach nur genial, die Straßenlage ebenfalls. Mehr als 230 km/h sind verkehrsbedingt zwar nicht drinnen, aber die Be-schleunigung mach tierisch Freude. Das Duo-Select Getriebe regiert sehr spontan, auch direkt Wechsel vom 6. Gang in den 4. Gang sind problemlos möglich. Aber man muß nicht unbedingt schalten, um gut voranzukommen: beläßt man das Getriebe im 6. Gang und tritt bei 130 das Gaspedal durch, zieht der Quattroporte kräftig durch, und nur die wenigen Ziffern auf dem Tacho verhindern, dass man sich dabei wirk-lich schnell fühlt. Kritik am Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkei-ten kann ich nicht nachvollziehen, ab 190 werden die Windgeräusche lauter, aber ansonsten ist das Fahrverhalten perfekt.
Bei BS Rautheim verfahren wir uns ein wenig, irgendwie ist die Streckenführung anders als früher. Aber hey, was sehe ich: Tunnel! Tunnel und Maserati – war da nicht was? Und ob. Nur, dass wir damals offen Porsche fuhren und vor uns ein 4200 Spyder auftaucht und wir beide mit über 200 Sachen und einem infernalischen Lärm durch die italienischen Tunnel jagten und den Spaß unseres Lebens hatten.
Hier sind zwar nur Tempo 80 erlaubt, aber egal: Schiebdach auf, runter in den 2. Gang, Gas geben und genießen. Hochschalten, runterschal-ten, Motorbremse, Grinsen im Gesicht: der Sound ist pure Formel 1. Apropo Motorbremse: während andere Autos, die ich kenne, beim Herunterschalten unangenehm plötzlich Abbremsen, gibt der Maserati eine gehörige Portion Zwischengas – einfach nur göttlich!
In der Stadt ist das sequentielle Schaltgetriebe idiotisch, aber hier ergibt es einen Sinn.
Der Sound ist übrigens – obwohl extrem sportlich – auch sehr an-genehm und auch längerfristig zu genießen. Kein Vergleich zu einem Porsche Sportauspuff, der manchmal schmerzhafte Frequenzen produziert und nach einer Stunde einfach nur nervt, oder dem Jaguar, der erst brabbelt, dann STZO Konform den Schwanz einzieht und bei höheren Drehzahlen jeglicher Sound durch Kompressorpfeifen übertönt wird.
Kurzer Zwischenstop bei meinen Eltern, die sind hin und weg von dem Auto.
Die Tankleuchte leuchtet, das Auto will gefüttert werden. Wie zu erwarten ist der Tankwart sehr freundlich zu mir und findet es verständlicherweise höchst bedauerlich, dass ich den schönen Wagen gleich wieder abgeben muß. Kein Wunder: Der Verbrauch ist – sagen wir mal – nicht wirklich alltagstauglich.
Für die 150km lange Strecke will der Quattroporte 25l gutes Super-benzin haben haben, und ist damit noch eine ganze Ecke durstiger als der nicht gerade der Sparsamkeit verdächtige Zwölfzylinder von BMW. Selbst wenn ich mit Tempomat mit 120 cruise und den Verbrauch zurücksetze pendelt sich der Bordcomputer bei 14l ein. Interessanter-weise schwanken die Angaben für Benzinverbrauch und CO2 Ausstoß beim Quattroporte enorm.
Frühe Exemplare sollen brachiale 18l verbrauchen, spätere hingegen mit einigermaßen akzeptablen 14-15l zufrieden sein.
Auf dem Heimweg merke ich, dass der alte Fuffi immer noch einiger-maßen mit dem 10 Jahre neueren Quattroporte mithalten kann. Er ist vielleicht nicht ganz so leise und fährt sich nicht ganz so leichtfüßig, aber der Maserati ist nicht soviel besser, dass das Upgrade diesen he-figen Aufpreis wert wäre. Und einen schönen Sound und einen prima Durchzug hat der BMW auch, wenn wir mal ehrlich sind.
Zusammenfassend läßt sich sagen:
Pro:
• Elegante und gleichzeitig übersichtliche Karosserie
• Viel Motorleistung mit einem süchtig machenden Sound
• Komfortables Fahrwerk, leise Fahrgeräusche
• Gute Ausstattung
Negativ:
• Gewöhnungsbedürftige Schaltung
• Das Entertainment System ist von Vorvorgestern
• Extrem hoher Benzinverbrauch
• Kleiner Kofferraum
• Vermutlich extrem hohe Betriebs- und Wartungskosten
Aber hey, spinn ich? Ok: es gibt nicht ein rationales Argument für den Erwerb eines Quattroporte. Objektiv ist jeder 5er BMW besser. Aber es gibt eine Sache, die hat der Dreizack, und die läßt sich in keinem Testbericht, keinem Datenblatt wiederfinden: Emotion, Leidenschaft und Charakter.
Und Charakter vergeht nicht. Navi läßt sich aufrüsten, ein Gaseinbau ist auch möglich, das Wartungsintervall beträgt angeblich 30,000km, statt Duo Select kann man auch eine Automatik von ZF haben.
Und wenn man das Auto so betrachtet wie Jeremy Clarkson, der sagte - „In contrast to the Renault Espace, the Quattroporte is a true multi-purpose vehicle. It is both: A four-door salon car – and a Ferrari!” – dann ist das doch irgendwie genial, nicht wahr?
Mal ehrlich: Der Maserati Quattroporte das erste Auto, dass ich mir als Nachfolger für den Fuffi vorstellen könnte. Es ist alles da, ich vermisse nichts. Leder, Design, Power, Emotion. Fahrassistenz brauch ich nicht. Für den geforderten Preis hätte ich dann aber doch lieber die Facelift Variante mit den hübscheren Scheinwerfer, einer normalen Getriebeautomatik von ZF und dem aktuellen Navi, das Angebot der BMW Niederlassung ist eines der teuersten auf dem Markt.
Von daher hat der Quattroporte zwar noch keinen Platz in meiner Gar-age, aber auf jeden Fall einen festen Platz in meinem Herzen. Ich werde weiter den Markt beobachten, insbesondere die Automatikversion testen, mich informieren, und wer weiß.
Liebe Grüße,
John
Blog: fahrberichte.vorwerkz.com