Erfahrungsbericht Lexus NX 300h (155 PS) von MB-Youngtimer, Januar 2024
Strahlendes Licht und dunkler Schatten. Der Lexus NX300h (Faceliftmodell, Erstzulassung 12/2020) hinterlässt ein Bild, das so sehr die Extreme von kompletter Begeisterung und erschüttertem Kopfschütteln auslotet wie noch kein Auto, das ich je gefahren bin.
Als langjährigen Mercedes-Fans wurde meiner Frau im Jahr aufgrund einer neuen Umwelt-Policy ihres Arbeitgebers ("keine Diesel mehr, nur noch Hybrid") ein Lexus NX 300h aufgenötigt. Der Lexus hatte also einen schweren Stand - freiwillig hätte ihn keiner von uns haben wollen damals.
Mein erster Eindruck bei der Übergabe des Neuwagens im Dezember 2020, der sich bis heute nicht verändert hat: Wow! Ist der toll verarbeitet. Die Materialien sind durchweg massiv und fühlen sich enorm langlebig an. Etwas zähneknirschend muss ich zugeben: Da kann sich sogar Mercedes eine Scheibe abschneiden. Fette und hochwertige Teppiche, tolles (Kunst-)Leder mit wunderschönen Ziernähten auf dem Armaturenbrett und an den Türverkleidungen, insgesamt eine beeindruckende Haptik.
Für den Berufsverkehr ist er super. Auf meinen kürzeren Strecken ins Büro im Stau am Morgen saufen meine alten Mercedes-Diesel und Benziner hemmungslos. Der Lexus läuft im Stau lange Zeit elektrisch, so dass man weniger verbraucht, je zäher es vorangeht. Das ist faszinierend. Irgendwann ist die Batterie leer, und dann springt der Benziner automatisch an, und man steht vor der Ampel mit einem auf knapp 1500 Umdrehungen laufenden Motor. Das ist nicht so beeindruckend, aber unter dem Strich ist der Durchschnittsverbrauch immer noch gut.
Ganz anders sieht es auf Autobahnstrecken aus. Selbst mit Tempomat bei 100 km/h sind 8 Liter schwer zu unterbieten. Mit etwas Eile knackt man leicht die 10 Liter. Hier ist das im Stadtverkehr positive Hybridsystem nur ein spritfressendes Zusatzgewicht. Öko? Vergessen Sie es! Insgesamt ist der Lexus KEIN sparsames Auto. 45 Liter Tankvolumen sind bei dem Verbrauch ein Witz, wenn man es gewohnt war, locker 1000 Kilometer mit einer Tankladung Diesel zu schaffen.
Extrem lästig ist das Infotainment. An das seltsame Touchpad gewöhnt man sich mit der Zeit, wirklich flüssig wird die Bedienung des Lexus aber nicht so schnell. Die Sprachbedienung ist auch nicht der Hit. Das Navi ist nicht nur umständlich, sondern es kennt diverse Straßen nicht. Das Mark Levinson-Soundsystem kenne ich nicht, aber das Standard-Soundsystem ist ... Standard eben. Man kann damit leben. Mehr nicht. War in der C-Klasse (W205) aber auch nicht besser.
Insgesamt ist die Bedienung teilweise nicht überzeugend. Eine Taste für eine Fernlichtassistenten ist tief am Armaturenbrett angebracht. So, dass man versehentlich dagegen stößt beim Ein- und aussteigen. Der Assistent ist aber zu aggressiv und nirgendwo verwendbar, wo es Gegenverkehr oder überholende Fahrzeuge gibt. Schaltet man ihn versehentlich mit dem Knie ein, bekommt man wütende Reaktionen geblendeter Verkehrsteilnehmer, bevor man es bemerkt und ihn wieder ausschalten kann. Tageszähler zurücksetzen? Eine gut versteckte Taste unter und hinter dem Lenkrad will ertastet werden. Der Tempomat ist unten rechts unter dem Lenkrad angebracht, seine Bedienung ist nicht intuitiv.
Ganz persönlich nervig finde ich, dass man, wenn man den Start-Stopp - Schalter des Keyless-Sytems drückt, ALLES ausschaltet. Nicht nur den Motor, sondern auch das komplette Infotainment. Im Auto warten auf jemanden? Motor aus und Ende ist. Dann ohne Fuß auf der Bremse wieder den Startknopf drücken und warten, bis sich das Infotainment hochfährt, dann das Handy zum Streamen verbindet. Bei Mercedes bleibt das Infotainment an, bis man die Fahrertür öffnet. Das ist viel besser! Eine Kleinigkeit? Vielleicht. Aber was den Alltag angeht, ein riesiger Unterschied.
Sonst? Die LED-Scheinwerfer sind exzellent.
Das Fahrwerk - top! Für ein schweres, toplastiges Auto unglaublich. Komfortabel, aber in schnell gefahrenen Kurven scheint es den Gesetzen der Physik zu trotzen. Kompliment an die Fahrwerksabstimmer von Lexus.
Das Raumangebot ist vorne fast auf S-Klasse Niveau. Die Sitze sind auch auf Langstrecken komfortabel. Hinten sitzt man ebenfalls gut, und die Rücklehnen lassen sich in der Neigung verstellen (tolle Sache!).
Der Kofferraum ist dagegen eher mäßig groß, die wülstige Verkleidung des Heckdeckels und die schräge Scheibe machen es nicht besser. Gut: Die Kofferraumabdeckung (hier eine Platte wie in einem Golf, kein Heckrollo) lässt sich in einem Fach unter dem Boden verstauen, wenn man sie nicht braucht.
Fahrspaß: Dieses Auto funktioniert dann, wenn man es als eine Art S-Klasse aus Japan im Mittelklasse - SUV-Format versteht. Heißt? Eigentlich ist genug Kraft vorhanden. Wenn man den Lexus mit dem Gaspedal gut füttert, dann ist er zu mehr als ausreichender Dynamik in der Lage. Wie bei der S-Klasse ist das aber nicht sein Metier. Das merkt man, weil der Motor dann extrem hoch dreht, laut wird, und auch der Verbrauch in obszöne Regionen schnellt. Also macht man das nur, wenn es für einen knappen Überholvorgang unbedingt sein muss. Sonst reicht einem das souveräne Gefühl, dass man könnte, wenn man wollte. Aber lieber cruist man entspannt. Klar: Bei dem Komfortniveau will man gar nicht gleich wieder aussteigen. Warum also eilen?
Der Werterhalt des Lexus ist unerwartet sehr gut. Ein NX 300h aus dem Jahr 2014 ist kaum unter 22.000 Euro zu bekommen (Stand Januar 2024). Das sind nur ca. 50% Wertverlust in knapp 10 Jahren! Die Nachfrage nach gebrauchten NX 300h ist klein, das Angebot aber auch. Offenbar gleicht sich das aus. Vermutlich ist die Langzeitqualitäten des Lexus kein Geheimtipp. Der Tipp, lieber auf einen Neuwagen auszuweichen, bringt hier wenig: Seit 2021 gibt es den NX 350H, so dass Interessenten für einen 300er zwingend auf dem Gebrauchtmarkt schauen müssen. Und da ist der Lexus kein Schnäppchen. Spricht für ihn. Der überraschend hohe Preis ist hier aber ein Minuspunkt.
Der Service von Lexus verdient übrigens die volle Punktzahl. Inspektionen werden innerhalb von zwei Stunden erledigt (Lexus Frankfurt). Man kann auf das Auto warten und wird dabei sehr zuvorkommend bewirtet.
Aber Service? Dieses Auto ist der erste Dienstwagen meiner Frau in fast 25 Jahren, der nicht einen einzigen (!) außerordentlichen Werkstattaufenthalt hatte. Und lässt damit VW, Audi, BMW und Mercedes locker hinter sich. Und dieses Auto wirkt so routiniert konstruiert und gebaut, dass einem das absolut selbstverständlich vorkommt. Wegen solcher Autos ist das H-Kennzeichen in Verruf gekommen: Ich bin sicher, wenn man ihn einfach nur halbwegs wartet, dann wird der Lexus ohne besondere Zuneigung weit mehr als 30 Jahre alt ...
Fazit: Der Lexus NX 300h ist ein überragend verarbeitetes und komfortables Auto mit einem sehr guten Fahrwerk und einem nervigen Infotainment-System. Sein Hybridsystem bringt aber nur im Stop-and-Go - Verkehr Vorteile. Insgesamt verbraucht er zu viel. Er wäre ein Tipp für Wenigfahrer, wenn er gebraucht nicht so schweineteuer wäre.