Im Jahr 2006 brachte Dodge mit dem Caliber seinen ersten kompakten Crossover auf den Markt während Jeep auf gleicher Basis die Kompakt-SUV’s Jeep Compass und Patriot in seine Modellreihe aufnahm. Und kaum waren die beiden auf dem Markt, ging von allen Seiten das Lästern los. Warum bringt eine Geländewagen-Marke mit 70 Jahren Tradition ein Auto heraus, welches auf den ersten Blick so garnichts mit Offroad und Abenteuer zu tun hat? Die Idee dahinter war einfach: Der Cherokee (in den USA Liberty) bediente die Mittelklasse, der Grand Cherokee die Oberklasse. Das Urvieh Wrangler war für die ganz harten Einsätze zuständig. Es fehlte ein Einstiegs-Jeep. Man brauchte ein Auto, um die Marke Jeep auch jungen Leuten schmackhaft zu machen. Dazu kam die Tatsache, dass für Jeep-Kunden kein kleiner Jeep als Zweitwagen zur Verfügung stand. Darum entwicklte man Patriot und Compass. Das Motto war "My first Jeep". Und so nutze ich die 120.000-km-Inspektion meines 2005 Grand Cherokee, um herauszufinden ob und warum der 2011 Jeep Compass eben doch ein echter Jeep ist – denn meckern kann ja jeder, der keine Ahnung hat, die Deutschen ganz besonders.
Design: „Der guckt in die Welt, als hätte ihm ein Cherokee in den Arsch getreten“, war einst der gehässige Kommentar eines Verkäufers. Als der Compass 2006 auf den Markt kam, schüttelten selbst die Händler den Kopf. Keine Frage, die Designer hatten Mut – möglicherweise zu viel. Das Facelift, noch vor der Chrysler-Insolvenz geplant, aber erst unter Fiat-Regie umgesetzt, wirkt wahre Wunder. Auf den ersten Blick will man nicht glauben was aus dem Hab-mich-lieb-und-knuddel-mich-Design geworden ist. Auf den zweiten Blick wird klar: Wenn er groß ist, will er mal Grand Cherokee werden. Denn die neue Front orientiert sich am Flaggschiff. Selbstbewusst, fast schon grimmig schaut er drein, als wolle er sagen: Ich bin wieder da. Hast'n Problem damit? Die Seitenline wird durch die neue Front nicht mehr so extrem betont (der Vorgänger sah etwas gequollen aus). Das Heck blieb abgesehen von einer neuen Schürze und überarbeiteten Rückleuchten unverändert, fügt sich jetzt aber besser in die Gesamtform ein.
Innenraum und Ausstattung: Ohje, was musste der Compass einst so über sich ergehen lassen. Geboren in einer Zeit der Sparmaßnahmen glich das Interieur in der Tat mehr einem Nutzfahrzeug als einem PKW. Doch jetzt ist davon nichts mehr übrig. Schon 2009 wurden Mittelkonsole und Türverkleidungen durch ein moderneres Design ersetzt und, wirkt jetzt deutlich hochwertiger. Große Spaltmaße? Fehlanzeige, alles sitzt solide und ordentlich. Ja, es ist trotzdem noch Plastik, aber in den USA betont man damit eher die Zweckmäßigkeit. Pflegeleicht und aufgeräumt soll es sein. Und das ist es in der Tat – ein Staubwedel reicht. Geld für Pflege-Spray spart man auch, braucht man nämlich nicht. Für eine edle Note sorgen die schicken Chrom-Einlagen. Die Türverkleidungen sind ebenfalls besser geworden, der linke Arm ruht jetzt auf einem weichen Lederpolster. 2011 kam noch das neue Marken-Lenkrad dazu. Und auch die Mittelarmlehne wurde vom massiven Klotz zum Ellenbogen-Schmeichler. Die Sitze sind vorn wie hinten neu. Man lümmelt auf weichen Lederpolstern, die auf jeder Langstrecken-Fahrt für Entspannung sorgen. Der Innenraum gibt sich außerdem sehr luftig und großzügig. Fond-Passagiere freuen sich über ebenso viel Bein- und Kopffreiheit wie im Grand Cherokee – das ist ein Wort! Der Kofferraum blieb leider auf Golf-Niveau. Man kann zu viert reisen, denn nach nach vier Koffern ist der Kofferraum voll. Dafür gibts eine ebene Ladefläche, wenn man die Sitze umklappt und ein vollwertiges Ersatzrad. Wie immer zeigt sich die Limited-Version von ihrer feinen Seite, das hier beschriebene Fahrzeug hatte das Freedom-Paket mit Ledersitzen, Klimaautomatik, elektrisch verstellbarem Fahrer- und Beifahrersitz, Lederlenkrad mit Audio- und Tempomat-Bedienung sowie einem Boston Accoustics Soundsystem (368 Watt!) mit 9 Lautsprechern (davon zwei herausschwenkbar in der Heckklappe), welches die Tuning-Fraktion vor der Disco blöd dastehen lässt.
Fahrleistungen und Fahrgefühl: Der alte 2.0 TDI von VW ist Vergangenheit. Unter der Haube schnurrt nun ein 2.1 Liter Diesel mit der Bezeichnung OM651. Ja genau, der Taxi-Diesel von Mercedes. Ihn gibt’s für den Compass in zwei Leistungsstufen: 136 PS für das Modell Sport, 163 PS für das Modell Limited. Beide bringen 320 NM zwischen 1.400 und 3.600 Umdrehungen. Verwaltet wird die Kraft ganz unamerikanisch mittels 6-Gang-Schaltgetriebe, eine CVT-Automatik gibt es nur für den Benziner. Dafür ist die Kraftentfaltung umso amerikanischer. Der Mercedes-Diesel gibt sich kultiviert. Kräftig und fast ohne Turboloch packt er zu, mit Nachdruck knurrend geht’s in 10,9 Sekunden 0 auf 100. Der Unterschied: Im Taxi röhrt das Ding unter Last wie ein brünftiger Elch, im Compass geht es dezent schnurrend vorwärts. Allerdings nehmen Wind- und Abrollgeräusche ab ca. 130 km/h spürbar zu. Auf der Landstraße wird klar: Das Facelift war nicht alles. Der Compass federt besser ab, die Lenkung ist deutlich direkter geworden, der Geradeauslauf ist weniger schwammig. Querfugen - was ist das? Und vielleicht ist es der sanft schnurrende Diesel, vielleicht auch die angenehme Sitzposition – der Gedanke an Vollgas kommt nicht auf, gleichwohl 201 km/h drin wären. Ein gemütlicher Cruiser will er sein, der seine Passagiere entspannt ans Ziel bringt. 120 mit Tempomat und Kid Rock im CD-Player. So fährt man Jeep. Der Allradantrieb heißt Freedom Drive I und wurde in den USA mit dem Gütesiegel Trail Rated belohnt. Bodenfreiheit, Böschungswinkel und Achsverschränkung sind allerdings gering und eine Getriebereduktion gibt es auch nicht. Immerhin lässt sich per Knopfdruck die Lamellenkupplung elektronisch sperren und gibt es außerdem noch einen Bergan- und -abfahr-Assistenten. Für's US-Modell (nur Benziner) gibt's ein Offraod-Paket mit Untersetzung - in meinem Augen ein Fehler, das in Europa nicht anzubieten. Als Winter-, Wald-, Wiesen-, und Strandmobil ist der EU-Compass aber voll tauglich, ebenso als Zugfahrzeug: Der 163-PS-Diesel darf mit Allradantrieb 2.000 Kilo schleppen.
Kosten: Der Durchschnittsverbauch über zwei Tage: 5,8 Liter pro 100 km. Und das Ding hatte grad mal 3.000 km drauf, war also nichtmal ansatzweise eingefahren. Damit haut man den Ökos mächtig eins vorn Latz. Bei Highway-Tempo (ca. 90 km/h) laufen gar nur 4,5 Liter in die Brennräume – Cruising-Reichweite über 1.000 km. Der Tank fast 51 Liter. Positiv sind die Wartungsintervalle: Ölwechsel alle 25.000, Inspektion alle 50.000 km. Wie auch in den USA gibt es den Compass in Europa wahlweise mit Front- oder Allrad-Antrieb Insgesamt acht Modellvarianten stehen zur Auswahl und für jede Variante gibts vier wählbare Zusatzpakete, die man bitte der Homepage entnimmt. Einstiegsmotor ist ein 2.0 Liter – bekannt aus, Dodge Caliber, Avenger und Chrysler Sebring – mit 156 PS, gekoppelt an ein 5-Gang-Schaltgetriebe. Ihm folgt ein 2.4 Liter, ebenfalls mit 5-Gang-Schaltgetriebe und im Top-Modell mit CVT-Automatik. Eine Metallic-Lackierung kostet 550 Euro, ist aber meistens schon im Preis drin. Gewiss, die Preise sind selbstbewusst positioniert. Dennoch: Die Basis-Ausstattung ist schon fast komplett. Für die deutsche Konkurrenz zahlt man im Schnitt 5.000 Euro mehr, die japanische liegt etwa gleichauf - und bietet meistens weniger Ausstattung.
Fazit: Ist der Jeep Compass nun ein echter Jeep? Ja, definitiv. Aber um das zu akzeptieren, muss man die Idee verstehen. Der Compass kombiniert alles wofür Jeep steht, aber in einem völlig neuen Paket: Aerodynamisch, sparsam und modern. Unnostalgisch, aber trotzdem simpel. Die Entwickler waren ergebnisorientiert. Anstatt blind drauf los zu entwickeln, fragten sich die Techniker und Designer: Was wollen die Kunden wirklich? So finden sich am Compass keine große Revolutionen, aber auch keine echten Schwächen. Offroad-Tauglichkeit? Da sollte man sich einen aus den USA importieren (ist sowieso billiger). Bleiben wir realistisch, außer dem Förster darf kaum jemand in die Waldwege reinfahren. Auf verschneiten Straßen wirds helfen, für Feldwege reichts völlig und in der Frontantriebsversion kommen immerhin Freunde des bequemen Einstiegs auf ihre Kosten. Das Paket stimmt – der Compass weist den Weg. Da passte auch der erste Song im Radio als ich einstieg: I'm on the right track, baby, I was born this way ...