Mein erstes Auto - da kommen Emotionen hoch. Einen solchen gebrauchten Punto in türkis oder offiziel "Deltron Valley Lacrit" fuhr meine Mutter, bevor er mir nach der Fahrprüfung zufiel. Jedenfalls war ich von dem Auto anfangs nicht besonders angetan, ich fand ihn damals nicht schön, er war klein, er war laut, er war besch... verarbeitet, usw., oder kurzgesagt: Er war ein Fiat der 90er Jahre, das einzig auffällig Positive für mich war der extreme Sitzkomfort in der zweiten Reihe. Die ersten vier Jahre lief der Punto bei uns seine 25km am Tag, den Arbeitsweg meiner Mutter, vielleicht mal eine Runde mit dem Hänger, da er gleich zu Dienstantritt eine gute Brink-Kupplung bekommen hatte, abgesehen von der halben Stunde Fahrt am Tag stand er eigentlich nur. Highlight in dieser Zeit war eigentlich ein TÜV-Besuch im Jahr 2003, als er erstmal komplett durchfiel, inkl. AU, Auspuff verrostet (hat man eigentlich auch gehört, aber egal), Reifen waren noch die Originalen, die inzw. 6 Jahre alt waren und nicht mehr durchgingen, Getriebeaufhängung war auch so richtig keine mehr da, und der krönende Leckerbissen: Die Kraftstoffzuleitung war genau an der Stelle, an der sie sich den Unterboden mit dem (heißen!) Auspuff teilt undicht. Wer auch immer mit diesem Auto fuhr war quasi ohne es zu wissen in akuter Lebensgefahr. Die Kosten der Reparatur hab ich jetzt nicht mehr im Kopf, es war aber auf jeden Fall was vierstelliges. Im Januar 2005 gabs dann endlich ein neues Auto für Mutti. In der weisen Voraussicht, dass ich ein halbes Jahr später einen Führerschein haben würde und da der Punto damals schon nicht mehr viel wert war, wurde er für mich verwahrt. Bessergesagt stand er den Winter über draußen und wartete. Ziemlich genau sechs Monate ging das so, bis ich ihn dann übernahm, mein erstes Auto. Das wurde dann aber ziemlich schnell zur Hassliebe, nicht dass es mich genervt hätte, dass er beim ersten Start fünf Versuche brauchte, bis er wieder lief, oder dass er nur auf drei Zylindern lief und rußte, als wär er ein Diesel mit der Geräuschkulisse einer Nähmaschine - nein, das schlimme war, das alle anderen sich nach und nach große Kombis kauften und ich als Berber mich in einen Fiat Punto quetschte. Als ich mich dann einigermaßen an den Kleinen gewöhnt hatte, entdeckte ich die Vorzüge, er war extrem wendig, hatte ein super Blaupunkt-Radio mit vier Lautsprechern, großes Handschuhfach. nette Sitze mit neigungsverstellbaren Kopfstützen, an der Zahl waren es derer vier. Der Kofferraum war annehmbar groß, es gab immerhin einen Airbag und der Name der Farbe toppte alles bisher dagewesene: Deltron Valley Lacrit - Man hätte auch türkis oder grünmetallic sagen können, aber nein. Die Farbe war aber wirklich schön, zumal ich in der ELX Version lackierte Stoßfänger besaß und einen Spoiler auf der Heckklappe. Innen war es ebenfalls besonders erlesen: E-Fensterheber vorn, elektrisches Glashubdach (das leider später aufgrund einer sich verziehenden Karosse völlig erlahmte), Velours, Zentralverriegelung mit IR-Fernbedienung, also eigentlich tadellos. Wenn man also wie ein König im Punto verweilte nervte eigentlich nur das mausgraue Armaturenbrett, zum einen durch seine ausgesprochene Hässlichkeit und zum anderen durch sein permanentes hartplastenes Quietschen und Knarren. Meistens ärgerte man sich jedoch über den lahmen Motor, wo in diesem Auto 74 Pferdchen versteckt gewesen sein sollen, ist mir bis heut ein Rätsel, im Handschuhfach und der Reserveradmulde jedenfalls nicht und auch ganz bestimmt nicht im Motorraum. Ich bin heute der Ansicht dass die sich jeweils in der Benzinpumpe versteckten, denn die hat bei diesem Auto mit Abstand am meisten gearbeitet. Und durstig müssen die lahmen Gäule auch gewesen sein, denn die oben erwähnten versprochenen 6,9l habe ich nie erreicht, selbst bei optimalen Bedingungen und absoluter Zurückhaltung war es schwer unter 8l zu bleiben, im Winter wurden es gern auch 11 oder 12l. Im Nachhinein bin ich auch überzeugt, dass dieses Auto in der Motorsteuerung eine Italo-Charakterfunktion hatte. Beispiel Winter: Scheinbar war dem zartbesaiteten Italiener in Mitteleuropa zu kalt, früh musste man durchschnittlich 20 Minuten Arbeitszeit einplanen, um das Auto fahrbereit zu bekommen. Scheibenkratzen war das geringste Übel, am längsten dauerte das Ab- und Aufrollen des Verlängerungskabels für die Heißluftpistole, die zum Öffnen der Tür erforderlich war. Hirschtalg, Gummipflege und Siliconspray waren rausgeschmissenes Geld, das Ankleben und Anfrieren der Dichtungen wurde nur noch schlimmer. Einen Türgriff habe ich jedenfalls im Januar 2006 eingebüßt. Saß man dann endlich in der kalten Karre drin, gab es wenigstens einen Grund zur Freude: Unter minus 5 Grad schien der Anlasser besonders gern zu arbeiten, denn im Winter sprang der Motor schon an, kaum, dass der Schlüssel im Schloss steckte. Dramatisch war es um die Sicht bestellt, jedenfalls beim Vorwärtsfahren. Die Rückscheibe wurde dank Scheibenheizung schnell frei, was man von der Frontscheibe nicht behaupten kann. Auf den 12km die ich damals jeden Früh fuhr, die durch das Einsammeln von Mitfahrern etwa 25 Minuten dauerten, habe ich es nie geschafft im Auto für Temperaturen zu sorgen, die das Tragen von Handschuhen überflüssig gemacht, oder für dauerhaftes Freibleiben der Frontscheibe gesorgt hätten. Es kam auch vor, dass die Stoßdämpfer nicht mehr dämpften - allerdings nachdem(!) sie eingefedert hatten. Und wollte man das Auto abstellen, konnte es passieren, dass die Tür, die erst nicht aufgehen wollte, jetzt nicht mehr zuging. Die Verbrauchswerte pendelten sich in der Winterzeit im Mittel bei ungefähr 12l ein. Zur Erinnerung: ein 1.2l-Motor! Ein Winterauto war es also nicht.
Nach und nach, speziell als die Temperaturen sich langsam steigerten hatte ich den kleinen Flitzer auch wieder lieber, der Ärger ließ nach, die Heizung schaffte es auf permanenter Hochleistungsstellung ungefähr im April wieder, angenehme Temperaturen zu zaubern und so fuhr es sich dann auch wieder einigermaßen. Dieses Gefühl der Unbeschwertheit kostete ich allerdings nur noch bis in den Sommer aus, denn grandioserweise kaufte sich mein Vater dann seinerseits ein neues Auto und ich konnte ihm endlich den Cordoba abnehmen. Auf eine Art war es herrlich, endlich ein vernünftiges und zuverlässiges Auto zu fahren, aber dramatisch war es trotzdem, den Fiat beim Gebrauchtwagenhandel abzustellen, die Papiere und Schlüssel abzugeben und sich zu verabschieden. Schließlich war er doch mein erstes Auto...