Es gibt soviel Unanständiges auf dieser Welt zu tun, warum musste ausgerechnet ich etwas Anständiges lernen und jetzt tagaus, tagein hier in meinem Büro sitzen?
Womit habe ich das verdient?
Gut, wenn man sich so meinen Lebensweg anschaut, gibt es da den einen oder anderen Erklärungsansatz.
Eine gute Freundin von mir hat mal zu mir gesagt: Du bist der intelligenteste und witzigste Mann, den ich kenne (und sie kennt sehr viele Männer!), aber völlig lebensuntauglich!
So ein Blödsinn. So lustig und schlau bin ich nun auch wieder nicht. Aber "lebensuntauglich", das könnte schon hinkommen. IKEA hat für eines seiner Regale einmal damit geworben, es sei unmöglich dieses Regel schief aufzubauen.
Ich hab's natürlich geschafft.
Der Satz meiner Bekannten fiel dann auch, als sie sich das Ergebnis meines Heimwerkens ansah.
Diese lebenspraktischen Defizite musste ich natürlich bei meiner Berufswahl berücksichtigen. Ich bin nun mal so ziemlich der Ungeschickteste Bewohner der Nordhalbkugel.
Aufgrund dieser unglaublichen Ungeschicklichkeit fielen damit alle künstlerischen und handwerklichen Berufe unter den Tisch.
Das war wohl auch gut so. Gut für mich und gut für die Gesellschaft.
Denn für den Beruf eines KfZ-Mechanikers etwa, hätte mir nicht nur das praktische Geschick gefehlt, sondern auch noch ganz andere, offensichtlich zwingend notwendige Voraussetzungen, um diesen Job einigermaßen ordentlich ausüben zu können.
So fehlt mir vor allem jegliches Talent für diese ständige miese Laune, diese Grummeligkeit und Unfreundlichkeit, die ein guter Kfz- Mechaniker wohl zwingend mitbringen muss.
Wenn ich mein Auto reparieren lassen muss, dann läuft das eigentlich immer in der gleichen Weise ab. Ich gehe durch eine geöffnete Werkstattür und sehe in der ansonsten gottverlassenen Halle zwei Mechaniker irgendwo in einer Ecke stehen, die gelangweilt an einem Reifenschlauch herumbasteln und miteinander über die Schwere des Seins philosophieren. Sie basteln und meckern, sie basteln und meckern, fünf Minuten lang, obwohl sie mich natürlich längst schon wahrgenommen haben.
Ohne von dem Reifenschlauch auch nur aufzublicken und ohne auch nur irgendeinen Schritt auf mich zuzukommen, fragt mich dann irgendwann einer von den beiden, was ich denn eigentlich wolle. Er fragt nicht etwa, ob er etwas für mich tun kann, nein, er macht mir sofort klar, dass er solche Störenfriede wie mich nun gar nicht leiden kann. Ich nehme die notwendige unterwürfige Bittstellerposition ein und erzähle kurz und demütig von den Problemen meines fahrbaren Untersatzes. Mit einer Mimik, die mir allein schon verdeutlicht, dass man da eigentlich gar nichts mehr machen könne und dass es in jedem Fall teuer wird, schaut sich der Mechaniker dann oberflächlich irgendetwas an. Während er seine Handschuhe abklopft und mich immer noch missmutig und mit dem Ausdruck größter Verärgerung, ihn überhaupt belästigt zu haben, anschaut, lässt er in einem Anflug menschlicher Großherzigkeit sich dann dazu herab, dass ich meinen Wagen mal da lassen könnte, auch wenn eigentlich keine Aussicht darauf besteht, ihn jemals wieder fahren zu können.
Es gab mal eine Zeit, da war ich diese Übermacht des schlecht gelaunten, griesgrämigen KfZ-Mechanikers leid. Und genau in dieser Zeit hatte ich eine kleine Vorstadt-Werkstatt gefunden, in der mich der Meister immer gleich nett begrüßte, freundlich mit mir über Gott und die Welt plauderte und Kaffee gab's dazu auch noch. Ich war richtig angetan von dieser absoluten Ausnahmeerfahrung und stolz auf meine Entdeckung des einzig freundlichen Werkstattschraubers dieser Republik. Bis ich feststellen musste, dass er mit dieser völlig branchenuntypischen Menschlichkeit und Wärme natürlich nur kompensieren wollte, dass er nicht über die geringsten fachlichen Qualitäten verfügte und in seinem Job ein absoluter Depp war.
Regelmäßig bekam ich den Wagen von ihm kaputter zurück, als ich ihn gebracht hatte.
Einmal leuchtete in meinem Wagen schon seit einiger Zeit ständig die Batterieleuchte. Nachdem ich ihm mein Auto zur Behebung des Mangels überlassen hatte, leuchtete sie immer noch und ab dann zusätzlich auch noch die Ölleuchte. So hatte ich wenigstens immer genügend Licht in meinem Wagen.
Nach einigen Reparaturaufträgen an ihn war mein Auto dann endgültig schrottreif und ich nahezu pleite. Ich hatte also viel Lehrgeld für die Erkenntnis zahlen müssen, dass es anscheinend für das Berufsbild eines guten Kfz-Mechanikers unerlässlich ist, ständig übel gelaunt zu sein und den Kunden nur als gerade noch geduldetes lästiges Störfeuer bei seiner gewissenhaften Arbeit anzusehen.
Seitdem gehe ich auch nur noch zu genau solchen Werkstätten. Ich will erst mal ignoriert werden und nervös um die Reparatur betteln müssen. Erst dann habe ich Vertrauen.
Wehe, mir kommt jemand freundlich. Dann bin ich sofort weg.
Mir fehlt für dieses Berufsbild aber nicht nur die ständige Griesgrämigkeit. Um den Job gut machen zu können, braucht man wohl offenbar dazu noch eine gewisse kreative Unverschämtheit.
Mein jetziges Auto ist der erste Neuwagen, den ich mir je angeschafft habe. Da es Leute mit Bürojob auch nicht so dicke haben, ist es ein italienischer Mittelklassewagen. Ich hatte das Auto gerade erst ein Jahr und es war noch keine 15.000 km gelaufen, da verabschiedete sich auch schon die Lichtmaschine.
Ich ließ das Auto zur Vertragswerkstatt schleppen, wo man mir dann die Diagnose bestätigte, dass meine Lichtmaschine sich nach nur kurzem Leben nun in einer anderen, besseren Welt befände.
Da der Wagen noch kein ganzes Jahr alt war, schaute ich natürlich recht verzweifelt, weshalb sich der Werkstattmeister wohl veranlasst sah, mir irgendeine tröstende Erklärung zu geben. Er führte dann langatmig aus, dass Autos heutzutage ja ganz anders seien als früher. Es wäre ja viel mehr Elektronik und damit wären auch viel mehr Verbraucher an Bord, z.B. CD-Player oder Klimaanlage.
Dadurch würde eine Lichtmaschine ja vielmehr in Anspruch genommen und man könnte heute nicht mehr davon ausgehen, dass eine Lichtmaschine so lange hält, wie man es früher von einem Käfer oder einem Golf I gewöhnt war. Wenn ständig Radio, Zigarettenanzünder und Klimaanlage in Betrieb seien, könnte eine Lichtmaschine schon mal von einem zum anderen Tag die Grätsche machen.
Irgendwie leuchtete mir diese Erklärung ja sogar ein bisschen ein. Aber vollständig überzeugend fand ich sie dann doch nicht und deshalb warf ich leise und traurig dann noch mal kurz den Gedanken in das Gespräch ein:
"Aber nach einem Jahr?".
Mein Gesprächspartner merkte, dass es wohl noch einer zusätzlichen Erklärung bedurfte, um seine Kunden ruhig zu stellen. Er machte eine Pause und wog seinen Kopf ein wenig hin und her, woran ich merken konnte, dass er noch mit sich rang, um eine weitere trostspendende Geschichte für mich zu finden.
Doch irgendwann hatte er dann wohl die Lösung gefunden. Ich muss noch dazu sagen, dass es August und so um die 25 Grad warm war. Als mein Mechaniker seine neue Erklärung gefunden hatte, hörte er mit dem leichten Kopfwippen sofort auf und der Ausdruck seiner berufsbedingten Überlegenheit kehrte in sein Gesicht zurück. Er erklärte mir dann: "Sie müssen auch bedenken, dass wir zur Zeit Sommer haben. Bei dieser unerträglichen Hitze kann eine Lichtmaschine schon mal von einem Tag auf den anderen ihren Geist aufgeben."
Ich dachte, ich höre nicht richtig.
Wenn ich schon veralbert werde, dann will ich wenigstens auf hohem Niveau verarscht werden, das kann ich doch mindestens erwarten, oder?
Zu "heiß"??
Diese alberne Vertröstung hatte ich nicht verdient.
Ich lief dann auch richtig Amok. Empört und mit lauter Stimme antwortete ich ihm:
"Zu heiß???
Dieses Auto ist in Neapel gebaut worden! Und Sie wollen mir erklären, dass es den tropischen nordrhein-westfälischen Sommer nicht vertragen kann? Dann schreiben Sie doch gleich Sommerpause auf Ihre Autos, wie bei Mon Cherie oder Ferrero-Küsschen. Mit großen Werbekampagnen im September, dass Ihre Autos ab jetzt wieder laufen!"
Mann, war ich sauer.
"Zu heiß"!....
Unverschämtheit. Mein feuriger, rassiger Süditaliener soll den deutschen Sommer nicht abhaben können?
Nein, eine solch blöde Erklärung hatte ich nun wirklich nicht verdient.
Half mir aber nichts. Kaputt war kaputt und musste repariert werden.
Gott sei Dank war mein Mechaniker jetzt schlecht genug gelaunt, um mein Auto anständig zu reparieren.
Seitdem läuft mein Auto wie geschmiert.
Nein, Kfz-Mechaniker und ähnliche Berufe wären nun wirklich nichts für mich gewesen.