Die Rubrik ist schief - man wird beim Visa zwangsläufig auf die "2-Zylinder" geleitet, obwohl Citroen den Visa auch mit mehreren 4-Zylindermodellen baute.
Der Visa hatte eine fast zehnjährige Modellhistorie und begann als einer von mehreren gescheiterten Versuchen, den 2 CV abzulösen, der aufgrund seiner teuren manuellen Fertigung margenschwach war und dem auf modernes Image gepolten Unternehmen schon ein bisschen peinlich wurde.
Das funktionierte nicht, und ab den frühen Achtzigern war der VISA schon ein etwas ältliches Modell, das im Schatten des viel gefälligeren und erfolgreicheren Konzernbruders Peugeot 205 stand.
Als ich das Zeitungsinserat (ja, so war das in den Achtzigern...) für den Wagen fand, wurde er nach 16 Monaten für wenig mehr als die Hälfte seines Neupreises angeboten, was einiges über das Mauerblümchendasein und das schlechte Qualitätsimage sagt, das Citroen damals hatte. Auch ich hatte anfangs Bedenken deswegen, griff aber zu, weil der Preis ja finanziellen Spielraum für Reparaturen ließ.
Meiner war ein 1986 gebauter 11 RE mit der "Leader"- Sonderausstattung, die neben einem Cassettenradio den einzigen Heckspoiler des bekannten Universums umfasste, der ein Autoheck besser aussehen ließ - er zählte zu den Design-Anpassungen nach der Übernahme durch Peugeot, die dem Auto die blecherne Kargheit nahmen.
Als weiteres Zugeständnis an den Markt hatte Citroen kurz vor Bau meines Autos den Bediensatelliten abgeschafft und einen geglätteten Armaturenträger eingebaut.
Die 1100er Maschine hatte 48 PS, lief mit hohem Klang sehr ruhig und bot ausreichende Fahrleistungen. Die Endgeschwindigkeit war mit ca. 140 km/h schon damals nicht rekordverdächtig, ging angesichts der sehr hohen und geräumigen Karosserie allerdings in Ordnung. Der Verbrauch lag bei ca. 6,5 Litern, wobei das Auto bleifreies Normalbenzin vertrug, aber eben nicht als "schadstoffarm" eingestuft war. Das hatte wohl zu einem Rechtsstreit zwischen dem Erstbesitzer und seinem Autohändler geführt.
Der Visa war wegen des geringen und angenehmen Fahrgeräuschs und der weichen Federung sehr komfortabel und erzog den Fahrer durch die starke Seitenneigung zu einem defensiven Fahrstil. Als ich einmal eine zu spät gesehene Kurve schneller anfuhr als eigentlich gut war, beeindruckte mich, wie sicher und neutral das Auto trotzdem blieb. So blieb zwischen der normalen Fahrweise und den eigentlichen Grenzen des Fahrwerks immer eine satte Sicherheitsreserve.
Ich fuhr das Auto sehr gern und gab es dann wegen eines Auslandsstudiums in der Familie weiter; es blieb als mein erstes Auto sehr positiv im Gedächtnis. Meine Schwester musste allerdings - das Auto war 4 Jahre alt und ca. 90.000 km gefahren - zahlreiche Dichtungen erneuern lassen, um das Auto über den TÜV zu bekommen.
Trotzdem empfanden wir Ende 1991 den Unfall mit Totalschaden bei 114.000 km als Verlust in der Famlie. Dank des günstigen Einstandspreises und der guten Regulierung der gegnerischen Versicherung waren wir für wenig über 2.000 Mark Wertverlust viereinhalb Jahre und 98.000 km lang ein fast neues Auto gefahren...
Die nüchterne Rückschau heute, über zwanzig Jahre später, relativiert das etwas.
Zwar war Rost in dem kurzen sechsjährigen Leben des Autos nie ein Thema - aber es erstaunt schon, dass man heute fast keinen einzigen mehr sieht. In den Online-Börsen sieht man noch ein paar zweizylindrige Club-Modelle. Beim Vierzylinder haben überproportional viele "Plein-Air"-Halbcabrios überlebt - diie als Neuwagen ziemliche Exoten waren. Daran sieht man, dass die "einfachen" Vierzylinder inzwischen fast alle den Geist aufgegeben haben müssen.
Zum heutigen Zeitpunkt fehlt daher für eine Kaufempfehlung einfach die Grundlage... es sind ja leider kaum mehr welche da.