Erfahrungsbericht Chevrolet Caprice 5.0 V8 (170 PS) von Cruiser95, Mai 2020
!Hier geht es um den Chevrolet Caprice von 1991-1996, die "Badewanne" mit der abgerundeten Karosserie! Konnte das Baujahr nur bis 1990 auswählen aber los gehts:
Ich habe mir den 1991er Chevrolet Caprice Classic mit 173.000 km gekauft weil er mich optisch mehr anspricht als der "boxy" Caprice. Da ich selber Mechaniker und ein großer US-Car Fan bin war das die Gelegenheit relativ günstig einen Ami zu fahren.
Ich habe das Fahrzeug nun schon drei Jahre, als Alltagsauto und einziges Auto wohlgemerkt, und bin inzwischen ca. 60.000km im Sommer wie im Winter damit gefahren. Teilweise schwer beladen, manchmal mit 6 Leuten an Bord, war in den Bergen damit und auch öfters auf der Autobahn. Ich hab also Alltagserfahrung bei jedem Wetter damit und versuche diese Bewertung so sachlich wie möglich zu halten für Leute die mit diesem Auto mehr fahren wollen als nur zu den US-Car Treffen im Sommer.
Im großen und ganzen bin ich wirklich sehr zufrieden mit diesem Fahrzeug aber es waren doch einige Sachen daran zu reparieren. Aussagen wie "Die laufen ewig" oder "Das ist so robust da geht nie was kaputt" stimmen vielleicht wenn man sehr wenig damit fährt aber in meinem Fall traf das nicht zu . Mein Caprice, und viele andere leider auch, hatte einen ziemlichen Wartungsstau und das machte sich in den ersten zwei Jahren deutlich bemerkbar. Dieser Wagen ist sehr Wartungsintensiv, da die Fahrwerkskonstruktion und der Motor sich seit den 70er Jahren nicht wirklich weiter entwickelt hat.
Laut Hersteller muss man alle 5.000km Motor Öl wechseln, alle 50.000 km Getriebeöl + Filter wechseln und spätestens alle 10.000km muss die gesamte Vorderachse und die Kardanwelle abgeschmiert werden. Wenn man das macht, wird sich der Caprice mit Langlebigkeit und Zuverlässigkeit bedanken. Wenn man das aber vernachlässigt sind die Traggelenke und vor allem die Lenkungsgelenke sofort ausgeschlagen. Auch das Differential verträgt vernachlässigte Ölwechsel nicht gut. Wenn man bereit ist dass man mehrmals im Jahr Öl wechselt und mit der Fettpresse unterm Auto liegt dann wird man mit dem Caprice sicher Freude haben.
Meine Erfahrungen mit dem Auto:
Motor: 305cui V8 mit 170 PS und TBI Zentraleinspritzung, gleiches Prinzip wie bei den frühen 90er Opel Motoren.
Der Motor selbst ist wirklich sehr zuverlässig. Bei dem Hubraum und der Leistung muss er das ja fast sein. Der Sound ist ein Traum, typisch Ami halt und am Drehmoment fehlt es auch nicht. Erwartet aber kein Beschleunigungswunder und auf der Autobahn ist bei 170km/h Schluss. Die Motorelektrik und vor allem die Abgasregulierung ist anfällig, da sehr viel über Vakuumleitungen und Magnetventile läuft. Ist da was undicht kann die Fehlersuche sehr Zeitaufwendig sein. In den USA waren Sekundärluftpumpe, Kat, sowie ein Abgasrückführventil und eine elektrisch gesteuerte Tankentlüftung mit Filter Standard in den 90ern. Diese Sachen müssen funktionieren da sofort die Motorkontrolle leuchtet oder der Motor im Standgas schlecht bzw. gar nicht läuft wenns da Probleme gibt. Wasserpumpe, Visco-Lüfter, Verteilerkappe + Zündkabel, Kühwasserschläuche, EGR, Elektronic Spark Module, usw. musste alles erneuert werden. Die TBI Einspritzung brauchte zwei neue Einspritzdüsen, musste komplett gereinigt und generalüberholt werden damit der Motor zuverlässig lief. Es gibt für all das noch Ersatz aber teilweise nicht mehr so billig wie es einmal war.
Getriebe: 4-Gang Automat mit Overdrive THD700R4, mechanisch gesteuert mit elektrischem Lock-Up
Der erste Gang schaltet etwas ruckartig auf den zweiten. Trotz neuem Wandler und Getriebeüberholung aber da ist man sicher von den elektrischen gesteuerten Getrieben von heute verwöhnt. Bei Einhaltung der Ölwechselintervalle so gut wie keine Probleme mit diesem Getriebe. Einfach zu Warten und billige Teile. Es neigt bei sportlichem Bergfahrten oder Anhängerbetrieb allerdings dazu zu überhitzen da es keinen eigenen Getriebeölkühler gibt. Stattdessen teilen sich Kühlwasser und Getriebeöl den selben Kühler, innen natürlich getrennt. Man sollte aber darauf achten dass der Kühler wenn er schon alt ist innen nicht undicht wird und sich Getriebeöl mit Kühlwasser vermischen.
Fahrwerk: Typisch Ami, Starrachse mit Schraubfedern hinten und Doppelquerlenkerachse vorne. Jedes Gelenk an der Vorderachse muss abgeschmiert werden dann halten die eigentlich ewig. Radlager vorne sind zum Einstellen und Nachfetten und das sollte auch gemacht werden da diese sonst schnell Spiel bekommen. Lenkradspiel um die Mitte ist gewöhnungsbedürftig aber das ist bei den Amis so. Mein Caprice ist ab Werk mit Performance Stoßdämpfern, einem verstärkten Stabilisator vorne und hinten sowie Heavy-Duty Bremsen ausgestattet. Das merkt man auch, die Bremsleistung ist sehr gut und das Handling für ein so altes und großes Auto auch akzeptabel.
Karosserie: Die ist nach amerikanischer Genauigkeit zusammengeschraubt. Spaltmaße stimmen nirgends, es knarzt und quietscht dort und da mal aber das ist so bei alten Amis. Probleme gibt es aber mit dem Rost! Die Türunterkanten und Ecken rosten sehr stark. Die B-Säule unten am Schweller löst sich auch auf, da dort drei Bleche übereinander geschweißt sind und anscheinend nicht ausreichend konserviert worden sind. Das ist ein ernstes und schwer zu reparierendes Rostnest! Und zu guter letzt rostet es von den hinteren Radläufen bis zur hinteren Stoßstange gnadenlos weg, da musste einiges an Blech eingeschweißt werden! Auch ist die C-Säule oben an der Heckscheibe sehr schlecht abgedichtet, da musste ich mit Dichtmasse massiv nachbessern da es in den Kofferraum tropfte.
Elektrik/Komfortausstattung: Wo viel drin ist kann auch Viel kaputt gehen. Und das trifft bei meinem Caprice Classic leider auch zu. Elektrische Sitzverstellung, Klima, Tempomat, elektrische Fensterheber vo und hi sowie Lichtautomatik sind wirklich toll und beeindruckend für 1991 aber auch anfällig. Die Fensterheber sind alle 4 kaputt. Die Plastikrollen die die Scheibe in der Führung halten brechen aus und dann kann man das Fenster zwar öffnen, aber es verkantet sich dann beim schließen und ist nur schwer wieder zu zu bekommen. Reparatur ist Zeitaufwändig und lästig da es in der Tür sehr eng ist und man nur durch das Loch im Türblech arbeiten kann.
Die originalen AC-Delco Radios sterben am Hitzetod, da sie zu wenig Belüftet sind und im Sommer wenn man mal lauter Musik hört ist bei mir die Endstufe abgebrannt. Ersatzradio ist nicht mehr zu bekommen als musste es teuer repariert werden. Das Armaturenbrett muss dafür übrigens zerlegt werden um den Radio raus zubekommen.
Das Plastik im Innenraum ist extrem hart und spröde und bricht sehr leicht. Lüftungsdüsen, Handschuhfach usw. sind sehr empfindlich und brechen gern. Der Bezug am Armaturenbrett oben verträgt die Sonne nicht gut und er fängt von den Ecken der Lüftungsdüse aus an zu reisen. Und das hört auch nicht auf bis das ganze Armaturenbrett oben vier riesige Risse hat.
Das Zündschloss ist kaputt gegangen und der Motor ließ sich nicht mehr abstellen. Um das Zündschloss zu wechseln muss das Lenkrad mit Airbag abgenommen und die komplette Lenksäule zerlegt werden. Wenn man so wie ich eine höhenverstellbare Lenksäule hat braucht man dazu Spezialwerkzeug, viel Geduld und Zeit denn das hat einen ganzen Tag gedauert. Die Hupenknöpfe am Lenkrad waren auch kaputt, da das nur 2 Plastikwürfel mit einem Metallkontakt dahinter sind. Wenn die durchgedrückt sind oder hart und spröde werden geht die Hupe entweder durch oder gar nicht mehr. Da gibt es kein Ersatzteil mehr und ich musste den Airbag ausbauen und mir aus Blech, Draht und zwei Universalschalter selbst etwas basteln. Die Zentralverriegelung geht einmal nicht und einmal schon, das Steuergerät ist defekt und neu nicht mehr zu bekommen.
ABS ist eine eigene Kategorie weil das ist bei jedem Caprice kaputt, egal was man erzählt bekommt. Der ABS Block ist schlecht vor Wasser geschützt und korrodiert dann innerlich zu Tode. Es rostet alles fest und die Kontakte oxidieren weg, der ist nach fast 30 Jahren bei jedem Caprice kaputt. Mein ABS Warnlämpchen war elegant mit schwarzem Klebeband vom Vorbesitzer übergeklebt worden weil es natürlich geleuchtet hat. Ist mir erst aufgefallen als ich für den Radioausbau das Armaturenbrett abgebaut hab. ABS Fehlercode ergab "Replace ABS Module" und nach manuellem Prüfen am ABS Block selbst war klar dass der nur noch Schrott ist. Das Problem daran ist dass es keinen Ersatz, weder gebraucht noch neu, für das Caprice ABS gibt. Nicht in Europa und nicht in den USA und ich konnte in ganz Österreich und Deutschland niemanden finden der dieses ABS reparieren wollte da es anscheinend sehr viel verschieden Ausführungen und Abänderungen von 1991-1996 gab und es deshalb keine Teile mehr gibt. Die Lösung war das Tape wieder daraufzukleben und hoffen dass es der Prüfer nicht merkt.
Klimaanlage: Funktionierte natürlich nicht, weil es eine R12 Anlage ist und dieses Klima-Gas ist schon lange verboten und nirgends mehr zu bekommen. Also umrüsten auf R134a! Dazu muss praktisch die komplette Klimaanlage ausgetauscht werden. Klimakompressor, Kondensator, Trockner, Leitungen, Verdampfer, Anschlüsse und Expansionsröhrchen neu und dann mit 1,1kg! Klimagas befüllen. Ist nicht unbedingt billig oder einfach aber nur so bekommt man die Klima wieder fit.
Fazit: Der 90er Jahre Caprice ist ein toller Einstiegs-Ami, V8 Sound, cooles Design und meist günstig und simpel zu reparieren. Man sollte aber schon selbst schrauben können wenn man mehr fahren will als ab un zu mal zu den US-Treffen da doch einiges kaputt gehen kann und einiges zu warten ist. Manche Ersatzteile sind nicht mehr zu bekommen oder extrem teuer nur noch gebraucht verfügbar. Die Elektronik ist oft anfällig, kompliziert aufgebaut und hat zahlreiche Steuergeräte und Relais die teilweise nicht mehr neu verfügbar sind. Vakuumleitungen sind gern undicht und die Karosse rostet an einigen Stellen stark. Trotzdem ein tolles Auto und ich würde es wieder kaufen.