Erfahrungsbericht Bentley Flying Spur 6.0 W12 (560 PS) von Anonymous, Februar 2009
Der "fliegende Sporn" war das Wappen der schottischen Familie Johnstone, die einst den Geschäftsführer des Karossiebauers H. J. Mulliner stellte.
Soviel zum Namen Flying Spur des schönen Bentley unter Ägide des Volkswagenkonzerns (gesprochen "flei-ing spör", mit gehauchtem "Ö"), der 1998 die Traditonsmarke übernahm.
Viele Elemente des Phaeton stecken im Bentley Continental, ebenso Gene vom Audi A8 und sogar welche vom VW Touareg sind dabei.
Knappe 2 Jahre stand er in Diensten von uns im Fürstentum Monaco.
Balsam für gestreßte Nerven verheißt der Innenraum. Fünf Personen haben grenzenlose Beinfreiheit und können sich wohlig auf den riesigen Lederclubsesseln vorn und der Rückbank kuscheln (hintere Einzelsitze kosten übrigens stolze 5900 Euro Aufpreis). Für deren Bezug und den der Armaturen müssen scheinbar elf skandinavische Rinder ihre Haut lassen. Wohin man auch schaut, nur edelste Manufaktur, denn bei Jahresstückzahlen von maximal 4500 Stück ist Handarbeit angesagt. Wie immer bei Bentley!
Versuchen sie mal eine Prise des Innenraumduftes zu nehmen - Aaaah oder mmmmh.
Diese Gerüche nach Leder, Holz, Wolle, ein Paradies tut sich auf, und mir tun alle leid, die sich einen dieser grauslig riechenden Duftbäume ins Auto hängen müssen, um den billigen Kunststoffgeruch zu übertünchen.
Besuchen wir mal den Maschinenraum des großen Dickschiffes mit 5,30 Metern Länge und einer Luftverdrängung durch beinahe 2,5 Tonnen.
Das sechs Liter große W12-Biturbo-Triebwerk bracht wirklich jeden Quadratzentimeter Platz, denn die Größe ist beeindruckend und kommt einem Fels in der Brandung gleich.
Da vorn unter der Haube, die wie der Bug eines Supertankers in die Fahrrinne der Autobahn ragt, schreit es beim Gasgeben barsch, während es beim Lupfen in den Auspufftöpfen dumpf und archaisch wummert und bollert. Schallwellen der einen Seite überlagern die der anderen und umgekehrt. Lärm bekämpft sich also selbst. Zusätzliche Klappen im Auspuff sorgen dann für den verhalten-kraftvollen Sound, den ein Zwölfzylinder seinen Insassen und der staunenden Umwelt schuldig ist.
Erinnern Sie sich noch, dass man früher bei Rolls-Royce/Bentley niemals die Motorstärke angegeben hat? Man sagte reichlich hochnäsig: "ausreichend". Heute sagt man "750 Newtons".
Die englischen Ingenieure bringen den Sechsliter W12 aus dem Phaeton mit Borg-Warner-Biturbos auf stramme 411 kW/560 PS.
Bei so viel Leistung erarbeitet sich der fliegende Sporn das blaue Band der Autobahn - denn mit 312 km/h ist er die schnellste viertürige Serienlimousine der Welt. Das er mit seiner Beschleunigung von sagenhaften 5,2 Sekunden auf Hundert auch so manchem Sportwagen die Show stiehlt, dürfte jedem klar sein.
O.K. für nichts gibts nichts - das ist bekanntlich schon in der Kirche so. Und deshalb muß man sich nicht beklagen, wenn auch mal 30 Liter hochoktaniges durch die Einspritzdüsen laufen.
Ab Tempo 250 senkt sich die luftgefederte Karosse vorn um zehn und hinten um 25 Millimeter. Das verbessert spürbar die Stabilität, verringert den Auftrieb und verbessert den Geradeauslauf auch bei Höchsttempo.
Das grundsätzliche technische Rückgrat des Continental Flying Spur bilden das Fahrwerk und der permanente Allradantrieb vom Phaeton. Dessen zentrales Torsen-Differential ist jedoch gar keine VW-, sondern Audi-quattro-Technik aus dem A8. Der Radstand des langen Phaeton von exakt drei Metern wurde für den Flying Spur nochmals um 6,5 Zentimeter verlängert.
Damit wurde ein unglaublicher guter Kompromiß erreicht zwischen behender Sportlichkeit und außergewöhnlichem Komfort.
Für die souveräne Verzögerung besitzt der Bentley riesige Bremsscheiben mit vorne 405 und hinten 335 Millimeter Durchmesser. Ohne Vierradantrieb und Antriebsschlupfregelung (ASR) hätte der Sporn arge Traktionsprobleme. Die Reifen können einem auch ziemlich leid tun, denn die 275 Millimeter breiten Michelin oder Pirelli müssen nicht nur die gewaltige Kraft auf die Straße bringen - jeder 19-Zöller (auf Wunsch auch 20 Zoll) stemmt dazu noch die Last von 620 Kilo!!
Für mich war der Bentley einer meiner absoluten Lieblingsautos in all den Jahren. Leider,muß ich fast schon sagen, wurde er wieder verkauft, denn er kam im Fürstentum kaum zum Einsatz. Schade!