Stramme 300 Newtonmeter zerren an den Vorderrädern, fordern die Elektronik bis aufs Äußerste. Zack, den zweiten Gang rein und weiter. Wieder ackern die Vorderräder wie wild, versuchen Kontakt zum Asphalt aufzubauen. Die Nadel rennt bis 100, klack, der Dritte ist drin und die Landstraße am Ende des kleinen Dörfchens gehört ganz mir. Endlich! Mal ehrlich, Punkte-treues 60-Fahren ist weder meins, noch die Sache dieses wunderhübschen Coupés unter mir. Einziger Vorteil der Spritspar-Orgie in Nenndorf: Die Männer, die mit Kind und Kegel einen Fahrradausflug machen haben Zeit, sich die Köpfe zu verdrehen und zu denken Schade, dass
. Doch das soll nicht mein Problem sein. Ich habe genug damit zu tun, die 240 PS harmonisch mit dem Vorderrad-Antrieb in Einklang zu bringen und mich schon einmal seelisch auf die Trennung von unserem Tester vorzubereiten. Shit, zwei Wochen sind einfach zu kurz.
Wie es sich für einen echten EVOCARS-Test gehört, waren die letzten 14 Tage alles andere als ruhig. Schließlich müssen wir den mindestes 37.000 Euro teuren GT 3.2 V6 doch auf Herz und Nieren prüfen. Nachdem wir uns am roten Puff-Leder (Serie), den tief in den Höhlen sitzenden Instrumenten mit ihren hängenden Zeigern und der Schießscharten-Aussicht rundum genug ergötzt haben, gehts wie immer auf die Piste.
Man sitzt tief im GT, richtig satt-tief, die Türen schwenken weit auf, haben keinen Rahmen um die Scheibe und fallen schwer ins Schloss. Gestartet wird noch konventionell über den Schlüssel und schon beim ersten Brummeln des 3179 ccm großen V6 mit seinen 24 Ventilen ist klar: Der schnittige Alfa wird nicht ohne Grund seit vier Jahren unverändert gebaut (auch wenn der 3.2 inzwischen eingestellt wurde). Langsam und bedächtig rolle ich vom Hof, freunde mich langsam mit dem knapp 4,50 Meter langen Coupé an und habe natürlich den Brera 3.2 V6 im Hinterkopf, der vor nicht allzu langer Zeit zu Gast in der EVOCARS-Redaktion war. Größter Unterschied zum roten Flitzer mit dem neuen V6 von GM unter der Haube: Der Brera (Q4) nimmt den 260-PS-Kampf über alle vier Räder auf, schleppt dafür aber auch etliche Kilo mehr mit sich rum (+ 200 kg). Trotz der 20 PS zusätzlich ist der Allrad-Brera dem Alten daher beim Sprint auf 100 um 0,1 Sekunden unterlegen (GT: 6,7 sek).
Womit wir wieder beim Anfang unserer Geschichte wären. Der GT und ich liegen nur einen Deut über Landstraßen-Tempo. ;-), mein Durcheilen der Gänge wird vom Sound der zweiflutigen Abgasanlage untermalt. Nur die etwas weit auseinander liegenden Stufen der Sechsgang-Box mindern den Spaß ein wenig. Mit einem etwas kürzeren Wahlhebel und einer Schaltwegverkürzung käme bestimmt noch mehr Laune auf. Doch wer den Wagen länger im Besitz hat, wird sich mit dem Gegebenen bestimmt trefflich arrangieren. Was im Falle des arg beengtem Platzangebots im Fond nicht so einfach ist. Hierhin lassen sich wirklich nur Kinder verbannen. ICH habe keine Kinder, meine bessere Hälfte hat vorne Platz und damit ich jetzt mit dem GT mal auf die Bahn gehen und wilde Sau spielen kann, bringe ich die mal schnell nach Hause. Ja Schatz, ich bin vorsichtig
Mit 243 km/h gibt Alfa die Höchstgeschwindigkeit des 1,48 Tonnen schweren Coupé an. Na mal sehen. Brav zieht der GT die Autobahn-Auffahrt rauf, schafft schon auf dem Beschleunigungsstreifen die 160 und zieht munter über alle Spuren bis ganz links und bis 200 Sachen weiter. Geht doch. Jetzt allerdings machen sich die rahmenlosen Seitenscheiben bemerkbar: Der Fahrwind zieht ab 220 recht ordentlich und übertönt bald den Motorsound. Die angegeben 240 sind locker drin und wenn der Tacho keine Vollschacke hat, sind auch 255 drin. Zu schade, dass unser GPS-Messgerät letzte Woche den Geist aufgegeben hat (Notiz: dringend reparieren lassen!). Dank des recht hohen Drehmoments sind auch Zwischensprints im sechsten Gang locker drin, ständiges Abbremsen und Beschleunigen nur eine Sache der Reichweite. Die angegebenen 12,4 Liter Superplus im Drittelmix hab ich jedenfalls nie geschafft. Wer zügig vorankommen möchte, der läuft mit den 63 Litern Tankvolumen schon nach etwas mehr als 350 Kilometern leer. What ever, der GT ist halt auch kein Golf GTI.
Wobei wir bei der leidigen Preisfrage angekommen sind. Klar, der Alfa GT sieht irre sexy aus, entwickelt sich zum modernen Klassiker und hat ein traumhaftes Aggregat unter der Haube, trotzdem
Angesichts der rund 38.000 Euro für einen BMW 325i Coupé (Dreiliter-Sechszylinder, 218 PS, 6,6 sek. bis 100, 250 km/h) oder der ebenfalls 38.000 Euro für den Nissan 350Z (3,5-Liter-V6, 313 PS, 5,7 sek. bis 100, 250 km/h) mutet das Gebotene im Alfa etwas dürftig an. ABER: Es ist und bleibt ein Alfa. Er verführt noch immer die Frauen, verkörpert die italienische Lebensart, trägt das Nummernschild frech und asymmetrisch neben dem Scudetto und leistet sich keine Schwächen.