Audi Quattro - Seit 40 Jahren in der Erfolgsspur
Testbericht
SP-X/Ingolstadt. Eine der herausragenden Innovationen in der Geschichte des Autobauers Audi und tragende Säule der Markenidentität ist der Quattro genannte Allradantrieb. Die einst im Pkw-Bau exotische Technik hat dieses Jahr das reife Alter von 40 erreicht und kann auf eine entsprechend lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. In den vergangenen Jahrzehnten produzierte der süddeutsche Autobauer fast 11 Millionen Pkw mit Allradtechnik. Dabei wurde Quattro seit dem Start 1980 immer weiterentwickelt und ausdifferenziert. Wohl auch deshalb bleiben Autos mit Quattro-Schriftzug weiter gefragt. Allein in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wurden fast 500.000 mit dem Adelstitel versehene Audis gebaut. Auch in der elektrischen Zukunft wird Quattro ein elementarer Bestandteil des Markenkerns bleiben.Ihren Anfang nahm die Quattro-Story bei Winterfahrtests in Skandinavien Ende 1976. Eine Auftragsentwicklung für VW, der Militär-Geländewagen Iltis, zeigte sich dort auf Schnee und Eis künftigen Audi-Modellen fahrdynamisch überlegen. „Die Idee zu dem Quattro kam ja auch dadurch, dass bei den Wintertestfahrten ein VW Iltis mit Allradantrieb deutliche Traktionsvorteile hatte und den großmotorisierten Fahrzeugen um die Ohren gefahren ist“, so Dieter Weidemann, Leiter Entwicklung Allradsysteme bei Audi. Die Verantwortlichen von damals waren von der Idee überzeugt, diese Allradtechnik auch in ein Straßenfahrzeug überführen zu können. Am verheißungsvollsten erschien die Kombination mit einem starken Turbomotor, was schließlich zum Serienbau des 1980 vorgestellten Sportcoupés Quattro mit 147 kW/200 PS und Allradtechnik führte. Der Ur-Quattro, der eigentlich in Kleinstserie geplant war und dann bis 1991 über 11.000 Mal gebaut wurde, beeindruckte sowohl mit seiner schieren Leistung als auch der zum damaligen Zeitpunkt exotischen Kombination mit Allradtechnik, die eigentlich Geländewagen und Nutzfahrzeugen vorbehalten war.Der Antrieb des Ur-Quattro war allerdings mit dem des Iltis noch eng verwandt. Zunächst kam entsprechend ein in einigen Punkten für den Pkw-Einsatz problematisches System zum Einsatz mit hinterer und mittlerer Differenzialsperre, welche man manuell und mechanisch voneinander schalten konnte. Mitte der 80er-Jahre, so Weidemann, wurden dann alternative Techniken mit selbstsperrenden Torsen-Differenzialen entwickelt, die es dann dank einer cleveren inneren Verzahnung ermöglichten, Antriebskräfte stufenlos nach Bedarf auf die Achse mit der höheren Traktion zu leiten und die mit geringer Traktion zu entlasten. „In Summe wird die Traktion besser und gleichzeitig habe ich noch eine Ausgleichswirkung im Differenzial, das heißt ich kann auch Kurven fahren, ohne das es zu Verspannungen kommt“, so Weidemann über den wichtigen Entwicklungsschritt. Ab 2005 folgte das Torsen C mit einer hecklastigen 40:60 Grundverteilung. Da ging es schon stark Richtung Fahrdynamik. Die aktuelle Generation Torsen CSM erlaubt nicht nur hohe Traktion und Fahrdynamik, sondern kann dank kompakter Bauweise und dem Einsatz besonderer Materialien gegenüber Vorläufer-Versionen noch deutlich an Gewicht und Bauraum sparen.Auf dem Weg zum Torsen CSM blieb für die Audi-Ingenieure vor allem das nördliche Skandinavien eine wichtige Spielwiese, auf der die Allradtechnik praktisch weiter erprobt und verfeinert wurde. Entwickler wie Dieter Weidemann und sein Kollege William Wijts haben dazu immer wieder Fahrzeuge mit Serienstand gegen Entwicklungsfahrzeuge mit modifizierter Technik in praktischen Test verglichen. Es wurde so lange getestet und abgestimmt, bis sich die neue Variante besser als die Serienversion fuhr. Zu diesem iterativen Entwicklungsprozess gehören auch Besuche am Nürburgring, da diese Strecke in sehr kurzer Zeit sehr unterschiedliche Bedingungen mit hohen Fliehkräften, hoher Querbeschleunigung und hohen Temperaturen bietet. Hier zeigt sich, ob das System damit zurechtkommt und die Beölung funktioniert. Weiterer wichtiger Baustein in der Entwicklung ist die Festigkeitsprüfung der Systeme auf einem Testgelände bei Ingolstadt, um Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit unter Extrembelastung zu testen. Die Allradtechnik wird hier den höchsten Belastungen, den höchsten Momenten und den sprunghaftesten Reibwertänderungen ausgesetzt.Heute bietet Audi eine Reihe von Allradsystemen, die allesamt den Namen Quattro tragen, die allerdings technisch unterschiedliche Akzente setzen. Modelle mit längs eingebauten Frontmotoren gibt es mit dem klassischen Quattro als permanenten Allradantrieb, bei dem ein selbstsperrendes, rein mechanisch arbeitendes Mitteldifferenzial mit einer Kraftverteilung von 40 zu 60 Prozent vorne/hinten für ein leicht heckbetontes, sportliches Fahrverhalten sorgt. Die Kraftverteilung ist zu einem gewissen Grad variabel, denn bis zu 70 Prozent der Kraft kann das System an die Vorderachse, bis zu 85 Prozent an die Hinterachse leiten. Bei besonders sportlichen Modellen wird außerdem an der Hinterachse ein Sportdifferenzial eingesetzt, welches zusätzlich noch eine radselektive Verteilung der Momente erlaubt. 2016 hat Audi das auf Effizienz getrimmte Quattro-System mit Ultra-Technologie eingeführt, welches mit Hilfe von Kupplungen situationsabhängig zwischen Allrad- und reinen Frontantrieb wechseln kann. Wird die Kraft an der Hinterachse nicht benötigt, koppelt eine direkt am Getriebeende befindliche Lamellenkupplung die Kardanwelle ab. Eine im Hinterachsgetriebe integrierte Trennkupplung kann zudem den hinteren Teil des Antriebsstrangs stilllegen. Sollte die Sensorik den Bedarf für Kraft an den Hinterrädern feststellen, wird diese umgehend wieder zur Verfügung gestellt. Bei normaler Fahrweise bleiben die Allradanteile durch die Abkopplung des hinteren Antriebstrangs und damit der Mehrverbrauch gering. Laut Weidemann beträgt dieser lediglich 0,2 Liter im Vergleich zum normalen Frontantrieb.Ebenfalls Quattro nennt Audi die Allradsysteme mit Haldex-Kupplung. Diese auch bei vielen anderen Fahrzeugen des VW-Konzerns eingesetzte Lösung für Fahrzeuge mit quer eingebautem Motor setzt auf eine hydraulische Lamellenkupplung zur hochvariablen Verteilung der Antriebsmomente. Eine Lamellenkupplung wird übrigens seit 2007 auch beim Mittelmotorsportwagen R8 eingesetzt, die allerdings Momente von der Hinterachse an die Vorderachse variabel verteilt.Vergangenes Jahr hat Audi die jüngste Quattro-Stufe gezündet, die bei den rein elektrisch angetriebenen E-Tron-Modellen zum Einsatz kommt. Hier wird auf mechanische Getriebekomponenten der zuvor genannten Systeme verzichtet. Stattdessen sorgt allein das Management der Antriebsmotoren an Vorder- und Hinterachse für eine intelligente und der Performance zuträgliche, vollvariable Momentenverteilung. Während bei normaler Fahrweise nur die Hinterachse angetrieben wird, kann bei Bedarf der Motor an der Vorderachse aktiviert werden. Zudem übernehmen bei den sportlichen S-Modellen zwei an der Hinterachse montierte Antriebsaggregate die Funktion eines Sportdifferenzials. Sie wirken mit der jeweils nötigen Kraft auf je ein Hinterrad ein. Das Ergebnis nennt Audi Quattro 2.0.Einst war Quattro ein spleeniges Projekt von Entwicklungsingenieuren, welches zunächst nur in Kleinserie gebaut werden sollte. In 40 Jahren mauserte sich die Technik jedoch zum Millionenseller und ist für die Zukunft gerüstet.
Fazit
Einst war Quattro ein spleeniges Projekt von Entwicklungsingenieuren, welches zunächst nur in Kleinserie gebaut werden sollte. In 40 Jahren mauserte sich die Technik jedoch zum Millionenseller und ist für die Zukunft gerüstet.Quelle: Autoplenum, 2020-10-26
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